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Nr. 86. PAPIER-ZEITUNG. 1165 wunderlichsten Handelszweige, den unsere neuzeitige Gesellschafts entwicklung gezeitigt hat. Nebenher geben die reichen Vermittler auch regelmässig erscheinende Feuilletonzeitungen oder sogenannte Korrespondenzen heraus, die nur an Zeitungsredaktionen geliefert werden. Ihr Inhalt soll von den Redaktionen als Stoff benutzt und in den Zeitungen abgedruckt werden. Die Vermittler erwerben zu diesem Zweck geistige Arbeiten mit allen Rechten, die sie meist ziemlich gut bezahlen und auch gut bezahlen können, da sie von ihren Abnehmern, den Zeitungsredaktionen, gleichfalls ziemlich hohe Bezugspreise erhalten. Der Schriftsteller, der seine Arbeiten an die Vermittler verkauft, hat natürlich keine Ahnung, in welchen Zeitungen die Arbeiten abgedruckt werden; er kann seinen Namen in einem kleinen Winkelblättchen oder in einer stolzen Tageszeitung abgedruckt finden. Das ist für ihn nicht immer angenehm. Umso angenehmer ist der Geschäftsverkehr, der bei grossen literarischen Geschäften in der Regel glatt ab gewickelt wird: hier Waare — da Geld. Die Einsendungen werden fast immer schnell erledigt, die Entscheidung über kleinere Aufsätze erfolgt oft nach einigen Tagen, und hierin unterscheiden sich die Vermittler sehr vortheilhaft von den Schriftleitungen vieler Unterhaltungs-Blätter. Neben den Lichtseiten hat die literarische Vermittlung auch ihre Schattenseiten. Einige Vermittlungsgeschäfte begannen vor einiger Zeit, sich für die Prüfung der eingesendeten Manuskripte Prüfungsgebühren zahlen zu lassen. Den Anfang machte ein Geschäft, das mit grossen Worten versprach, der Benachtheiligung des Schriftstellerstandes durch ihre Geschäftseinrichtungen ein Ende zu bereiten. Sehr seltsam berührt es, nach diesen menschenfreund lichen Worten zu vernehmen, dass jenes Vermittlungsgeschäft den Schriftstellern eine. Prüfungsgebühr abfordert, die für Manuskripte unter drei Druckbogen 3 M., für Manuskripte von drei bis acht Druckbogen 6 M., für jeden weiteren Druckbogen 75 Pf. beträgt. Die Prüfungskosten für Dramen betragen 3 M. für den Akt, ein fünfaktiges Drama kostet also 15 M. Als Vermittlungsgebühr fordert das Geschäft 15 vom Hundert des Preises für den ersten, 25 vom Hundert für den zweiten Abdruck. Dazu wird noch eine Portovergütung von 1 M., bei Manuskripten von mehr als 250 g 2 M. verlangt. Alles hübsch vorher zu bezahlen. Diese Einrichtung, mindestens ebenso wohlthätig für den Vermittler wie für den Schriftsteller, fand Nachahmung. Es boten sich bald da, bald dort Schriftsteller, Kritiker und Dramaturgen gegen ähnliche Prüfungsgebühren zum Vertrieb literarischer Er zeugnisse an. Um die Wohlthat voll zu machen, stellte man zu gleich noch einen Tarif für Nachbessern, Ueberarbeiten und Ab feilen missrathener Geisteswerke auf, und so entwickelte sich ein Geschäftszweig, den man vorher nicht kannte und besser niemals kennen gelernt hätte. Manches literarische Geschäft hat die Gepflogenheit, Preis ausschreiben zu veranstalten. Es setzt für den besten Roman, die beste Novelle oder das beste Drama einen Preis von 1000 M. oder 2000 M. aus und erwirbt dadurch das alleinige Vertriebsrecht des betreffenden Geisteswerkes. Neben dem unbezahlten Preis gerichte bleibt auch die Prüfungs-Anstalt des Geschäfts in Thätig- keit, und für jedes eingesandte Manuskript muss die übliche Prüfungsgebühr bezahlt werden. Die Prüfungs-Anstalt scheidet die ganz minderwerthigen Einsendungen aus. unter den besseren Arbeiten trifft dann das Preisgericht die entscheidende Wahl. Diesem Verfahren liegt eine kluge Berechnung zu Grunde. Angenommen, es ist ein Preis für ein Drama ausgesetzt, so beträgt die Prüfungsgebühr, wenn es vieraktig ist, 12 M., wenn fünfaktig, 15 M. Da das Preisgericht die Entscheidung trifft, so kann die Vorprüfung flüchtig geschehen, und ein Dramaturg dürfte wohl imstande sein, täglich etwa zwei Dramen zu prüfen. Davon ver dient das Geschäft 24 bis 30 M., während der Dramaturg wohl mit einer Entschädigung von 8 bis 10 M. zufrieden ist. Dem Geschäft verbleibt also ein ganz bedeutender Theil von den Prüfungs gebühren, und wenn der Andrang der preisbegehrenden Autoren gross ist, so kann von den Prüfungsgebühren vielleicht schon der ausgeworfene Preis gedeckt werden. Da das Geschäft sich den alleinigen Vertrieb des preisgekrönten Werkes vorbehalten hat, so verdient es auch an diesem. Ausserdem finden sich unter den Ein sendungen wohl noch andere verwendbare Dramen, deren Vertrieb wieder etwas abwirft, und so ist ein solches Preisausschreiben nichts als ein einträgliches Geschäft. Ein kluger Mann kann eben aus allem seinen Vortheil ziehen. Gerichtliche Entscheidung. R. S. Cartwright in London, Herausgeber und Drucker mehrerer Modeblätter, hatte von der Firma Sauvee & Co. in London eine Marinoni-Rotationsdruck- und Falz-Maschine für den Preis von 2400 Lstr. gekauft. Cartwright verklagte die Firma Sauvee & Co. auf Rückerstattung des Kaufpreises, Rücknahme der Presse und Schadenersatz von 750 Lstr., weil die Maschine, die im Juli 1895 in der Druckerei des Klägers aufgestellt wurde, in der bedungenen zwölfmonatlichen Probezeit sich nicht bewährt und viel Ausschuss verursacht habe, wodurch er gezwungen war, seine Zeitschriften anderwärts drucken zu lassen. Am 12. März d. J. begann vor dem Einzelrichter Ridley die Verhandlung, in der äusser dem Kläger und dem Vertreter der beklagten Firma viele Zeugen vernommen wurden. Auf Anordnung des Richters wurde unter Aufsicht des Herrn Harrison, über dessen Wahl zum Schiedsrichter sich beide streitenden Parteien einigten, die Presse zweimal probeweise in Gang gesetzt. Bei der ersten Probe wurden ohne Aufenthalt 1500 Abzüge gemacht, dann brach aber eine Feder, und die Maschine konnte an diesem Tage nicht wieder in Gang gebracht werden. Tags darauf wurde der Fehler beseitigt, und die Presse von neuem angelassen. Der Bericht über den zweiten Versuch lautete: Die Maschine lief am 13. März mit einer Geschwindigkeit von 8040 bis 8100 Umdrehungen in der Stunde. Nach dem ersten Falz wurde das Papier nicht sicher genug gefasst, infolgedessen war der zweite und dritte Falz nicht so genau, wie man es von guter Waare verlangen kann. Sonst arbeitete die Maschine gut. Der Beklagte wies darauf hin, dass die hohe Glätte des bei der Probe verwendeten Papieres Schuld an der ungenauen Falzung trüge und dass bei minder glatten Papieren dergleichen nicht vor komme. Am 16. März sprach der Richter den Beklagten frei und ver- urtheilte Kläger zur Tragung der Kosten. Der Richter war zur Ueberzeugung gelangt, dass bei richtiger Sachkenntniss und Sorgfalt in der Behandlung die Maschine das geleistet haben würde, was die Verkäufer versprochen hatten. Buchhändler im klassischen Rom. In Ciceros Tagen war Pomponius Atticus der berühmteste Verleger Roms. Er entstammte einem hervorragenden Ritter geschlechte und konnte sich der Freundschaft des Cäsar, Pompejus und der meisten hervorragenden Männer seiner Zeit rühmen; aber sein vertrautester Freund war Cicero. Atticus war ein aus gezeichneter Geschäftsmann, versäumte keine Gelegenheit, Gehl zu verdienen und hinterliess ungeheure Reichthümer. Er beschäf tigte eine Unzahl Sklaven als Abschreiber und war unermüdlich in der Beaufsichtigung seiner zahlreichen Verkaufsläden. In der augustäischen Zeit waren die Brüder Sosii Inhaber einer hervorragenden Buchhandlung, und ihre Verlagswerke waren besonders ihrer sorgfältigen Ausstattung wegen sehr geschätzt. Die Sosier sind auch von Horaz in der berühmten Epistel erwähnt, die er an sein Buch richtete. »Zögernd blickst Du, mein Buch«, so schreibt er, »auf Vertamnus und Janus; ich weiss, Du möchtest gerne durch die Sosier veröffentlicht werden, sauber geglättet durch ihren Bimsstein. Du hassest Schloss und Siegel, die dem Bescheidenen willkommen sind; Du klagst, dass so Wenige Dich sehen, Du ersehnst die Oeffentlichkeit. Das hast Du nicht von mir gelernt. Es sei denn, ziehe fort, wohin Dein Herz verfangt. Doch bedenke, einmal ferne, kannst Du nimmer zurückkehren. Wenn man Dich hart beurtheilt, wirst Du sagen: O ich armes Buch! Was habe ich gethan? Was habe ich gewollt?« Tryphon veröffentlichte zu Domitians Zeiten Quinctilians grosses Werk und wird in der Einleitung vom Verfasser als geistiger Urheber des Unternehmens bezeichnet. Tryphon gab auch einige Werke Martials heraus, die meisten Dichtungen Martials wurden jedoch durch die Buchhändler Atrectus, Secundus und Valerianus vertrieben. Die Buchhändler dieser Zeit waren zumeist befreite Sklaven. Ihre Läden befanden sich in den belebtesten Strassen, und die Titelblätter der Bücher sowie volle Bücherschränke dienten als Auslage. Sollte ein neues Werk herausgegeben werden, so musste der römische Verleger mit grosser Vorsicht vorgehen. Er musste eine bedeutende Menge von Exemplaren fertig haben, ehe er das erste verkaufte, sonst wurde es rasch nachgeschrieben und Andere heimsten den Verdienst ein. Die einzig bekannte Art der Vervielfältigung bestand darin, dass Einer vorlas und mehrere Schreiber zugleich das Gehörte zu Papier, Pergament oder Wachs brachten.