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964 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 30. Rechtsprechung nicht bestreiten, es ist nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass der Richter, der mit der Technik der Leitung und Herstellung einer Zeitung nicht bekannt ist, ein »Wissen müssen« des Redakteurs auch in solchen Fällen nach weist, in denen er auch bei Anwendung grösster Aufmerksamkeit die Unrichtigkeit der thatsächlichen Angaben einer Reklame nicht zu erkennen vermochte; gerade bei denjenigen Reklamen, die in vor sichtiger, man kann wohl sagen, raffinirter Form abgefasst sind, ist dies ganz besonders erschwert, und der gewissenhafteste Redakteur ist nicht imstande, sich vor einem » Hineinlegen « zu hüten. Es wird deshalb vielfach vorgeschlagen, besondere Press-Sach verständige zu ernennen, die dann wohl über das »Wissen müssen« sich gutachtlich zu äussern hätten; die Bestellung solcher ist allerdings sehr erwünscht, ob sie aber genügt, um den bezeichneten Bedenken gerecht zu werden, ist zweifelhaft, da der Richter an das sachverständige Gutachten nicht gebunden ist, sondern die Freiheit hat, die Ansichten desselben seiner Entscheidung zu Grunde zu legen oder sie auch vollständig zu übersehen. Voraus sichtlich wird die Frage nicht leicht zu lösen sein. Fremdwörter. Der Stadtbibliothekar und Direktor des Raths - Archivs in Leipzig, Dr. Gustav Wustmann, sagt in seinem Werke »Allerhand Sprachdummheiten« (Verlag Fr. Wilh. Grunow in Leipzig): Wundem muss man sich, dass die Männer der Wissen schaft, bei denen man doch die grösste Einsicht voraussetzen sollte, gegenwärtig noch fast alle in dem Wahne befangen sind, dass sie durch Fremdwörter ihrer Sache Glanz und Bedeutung ver leihen könnten. Der deutsche Professor fühlt sich wunderlicher Weise gehoben, wenn er eine Idee ventilirt, statt einen Gedanken zu erörtern, oder wenn er von einem Produkt der Textilkunst die Pro venienz konstatirt, statt von einem Erzeugniss der Weberei die Her kunft nachzuweisen. DerVerfasser schlägt an einer anderenStelle seines Werkes vor, mit Rücksicht auf den Gebrauch unnöthiger Fremd wörter die Deutschen in drei Bildungsklassen einzutheilen. Die unterste Klasse gebraucht die Fremdwörter falsch, die mittelste braucht sie richtig, die oberste braucht sie — garnicht. Daneben giebt es natürlich viele Misch- und Zwischenklassen, aber die Haupt klassen sind doch die drei genannten.' An diese Ausführungen wurde ich gemahnt, als ich ver nahm, dass die Fachklasse für Berliner Buchdrucker, die in dem ersten Halbjahre ihres Bestehens so gute Erfolge erzielt hatte, im zweiten Schulhalbjahr den Namen Fachklasse für Typographen führen wird. Wie stolz das klingt! Ich bin aller dings trotz des naheliegenden Vergleichs mit »typographischen« Vereinen und Clubs doch der Meinung, das gute deutsche Wort hätte auch genügt. Es sei bei dieser Gelegenheit an den Unterschied erinnert, den, wie man mir mittheilte, vor einigen Jahrzehnten eine Polizeibehörde zwischen Typographen, Schrift setzern und Buchdruckern machte. Drei Kollegen waren von dem Hüter des Gesetzes mit der brennenden Cigarre an einem Orte getroffen worden, wo nicht geraucht werden durfte. Der eine wies sich als Typograph aus und wurde mit 6 M. Polizeistrafe belegt, der andere nannte sich Schriftsetzer und brauchte nur 3 M. zu bezahlen, während der dritte als schlichter Buchdrucker mit 1 M. 50 Pf. davonkam. Vielleicht entschliessen sich die Herren von der Fachklasse, doch wieder zum schlichten deutschen Buchdrucker zurückzukehren. Gleichzeitig sei noch auf das andere entbehrliche Fremdwort Faktor hingewiesen, das nächstens im Namen einer neuen deutschen Vereinigung und im Kopf einer neuen Fachzeitung glänzen wird. Der schon erwähnte Verfasser behauptet, dass manche Fremdwörter die Menschen offenbar durch ihren Klang berauschen, namentlich wenn sie ein o enthalten, wie glorreich (in Leipziger Festreden stets chlorreich gesprochen), Moment, Faktor, Epoche und die Wörter auf ion. Hierbei hat der Verfasser den Buchdruckerei- Faktor wohl nicht gemeint, dennoch wäre es an der Zeit, auch mit dieser veralteten Bezeichnung aufzuräumen. Man könnte dafür Geschäftsführer, Geschäfts leiter oder Vorsteher sagen, und ebenso gut würde man für Korrektor Berichtiger gebrauchen können. Ich weiss, dass noch eine grosse Zahl von technischen Aus drücken in Frage kommen würde, ich will es jedoch für heute bei den genannten bewenden lassen. Vielleicht klärt eine Aussprache der Fachgenossen die Ansichten darüber. w Vereins-Nachrichten. Die Faktoren-Versammlung in Frankfurt a. M. am 1. Oster feiertag war von vielen Kollegen aus der näheren und weiteren Umgebung besucht. Nach eingehender Darlegung und Berathung der Ziele einer deutschen Faktoren-Vereinigung sprach man sich für Schaffung einer solchen nach den Vorschlägen des Berliner Faktoren-Vereins aus. Es wurde indess von einzeln stehenden Kollegen betont, dass das Hauptaugenmerk der Vereinigung auf das Unterstützungswesen zu richten sein werde, da aus der Pflege idealer Bestrebungen eigentlich nur diejenigen Faktoren Gewinn ziehen können, die Mitglieder lokaler Vereinigungen seien; auch bilden anscheinend die Provinzkollegen die Mehrheit, der Rechnung getragen werden müsse, wenn ein starker Verband zustande kommen solle. Die Versammlung sprach sich in Erwägung dieser Rücksicht dafür aus, dass die zur Regelung der inneren Angelegenheiten des Verbandes vom Berliner Faktoren- Verein für die zweite Hälfte dieses Jahres geplante Versammlung in Form einer Delegirten- Versammlung und nicht einer allgemeinen deutschen Faktoren-Versammlung abgehalten werden möge und zwar nicht in Berlin, sondern im Interesse aller Kollegen in einer mitteldeutschen Stadt. Mit der Gründung eines Vereins-Organs, einer »Faktoren-Zeitung«, erklärte sich die Versammlung ein verstanden, doch sollte diese nicht, wie vom Berliner Faktoren- Verein geplant, durch Ausgabe von Antheilscheinen eine Art Privat-Unternehmen werden, sondern nach Gründung der alle Faktore Deutschlands umfassenden Vereinigung Eigenthum der Vereinigung werden. Der Bund der Berliner Buchdruckereibesitzer beschloss in seiner letzten Sitzung am 2. d. M. einstimmig: 1) Sollte infolge der Tarifverhandlungen sich durch Verkürzung der Arbeitszeit oder Lohnzulagen eine Erhöhung der Preise ergeben, so soll jeder Kollege sich bemühen, diese Erhöhung durch Aufschlag von seinen Auftraggebern wiederzuerlangen. 2) Es wird unter Berücksichtigung des vorstehenden Beschlusses den Kollegen zur Pflicht gemacht und für eine Ehrensache erklärt, dass kein Kollege Arbeiten, die bisher in anderen Druckereien hergestellt wurden, zu billigeren Preisen austührt, als die betreffende Druckerei neuerdings fordert; 3) dass während eines etwa eintretenden Ausstandes, dessen Anfang und Ende als verbindlich vom Lokal-Ausschuss bekannt gemacht wird, er sich jeder geschäftlichen Agitation enthält, sowie 4) Arbeiten für neue Kunden nicht annimmt und 5) in einer anderen, zum Bunde gehörigen Buchdruckerei bereits angefangene oder sich wiederholende Arbeiten weder weiterführt noch beendet; 6) auch nach Beendigung des Ausstandes anderen Bundes-Druckereien ent gangene Arbeiten nicht übernimmt. Ferner wurde beantragt, in den neu zu vereinbarenden Tarif eine andere Abstimmungsart für die Tarifberathungen aufzunehmen in der Weise, dass in Zu kunft zur Annahme einer Bestimmung die Stimmen der Mehrheit der Arbeitgeber, wie der Gehilfenvertreter, also von jeder Partei mindestens 5 von 9 Stimmen erforderlich sind, und dass die Giltig keitsdauer des Tarifs auf 5 Jahre festgesetzt wird und Aenderungs- vorschläge nur ein halbes Jahr vor Ablauf dieser Frist eingebracht werden können. Diese Anträge wurden einstimmig angenommen. Büchertisch. Die photomechanischen Pressendruckverfahren. Praktische Anleitung zur Herstellung von Lichtdrucken und Metall-Klischees für Buch- und Kunstdruck. Von Friedrich Stolle. 65 Seiten 8°. Preis 2 M., geb. 3 M. Verlag von H. Bechhold in Frankf urt a. M. Der Verfasser hat für Anfänger auf diesen Gebieten eine kurze Anleitung geben wollen. Er hat dabei manchmal für den Anfänger etwas zu wenig und für den mit diesen Arbeiten Vertrauten zu viel gegeben. Manche Verfahren, z B. die Photolithographie, sind nicht berücksichtigt worden, trotzdem sie dem Titel des Buches nach hierher gehört hätten. Bei der Besprechung der Rasterphotographie sind die neuen amerikanischen und deutschen Glasraster nur ganz kurz erwähnt worden, während die Papierraster, womit heute doch nur noch selten gearbeitet wird, ausführlich behandelt werden. liier wäre auch für den Anfänger ein genaueres Eingehen auf die neuesten Erfahrungen erwünscht gewesen, selbst auf die Gefahr, dass dafür die Abbildungen eines Spachtels und einiger Wasserwaagen hätten wegbleiben müssen. Die einzelnen Abschnitte behandeln: Collodium-Aufnahmen, Bromsilber- Collodium-Aufnahmen, Pigment- oder Kohledruck, Heliogravüre, Licht druck auf Hand- und Schnellpresse, Uebertragsmethoden auf Metall platten, Aetzen der Zinkplatten. Amerikanisches Fischleimverfahren und Emailleprozess auf Kupfer; dabei ist besonders der Lichtdruck aut 22 Seiten ausführlich und gut behandelt.