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Nr. 22. PAPIER-ZEITUNG. 701 flabelles genannt, eine gelungene Nachahmung der ältesten uns überlieferten Fächer bildet; sie zeichnet sich durch wunderliche Form und fremdartige Muster aus, die in indischem oder egyptischem Geschmack gehalten sind. Allerliebst ist das Feigenblatt miteiner kleinen Landschaft in Sepia darauf, das Paradies vorstellend, wo Eva mit dem ersten Fächer in der Hand lustwandelt, was ein Vers darunter erklärt, ferner das Lotosblatt, mit allerhand seltsamen Figuren und Zeichen bedeckt, zwischen denen sich der Empfänger nur mit Mühe die Buchstaben seines Glückwunsches wird zusammensuchen können. Man macht auch niedliche kleine Stofffächer aus Sammet oder besticktem Atlas, über ein Kartonstück gespannt und mit Schnur umrandet, die gewiss nicht minder willkommen sein werden, als die bescheideneren ganz aus Papier gefertigten. Unter den Osterkarten, die noch die Form der Karte bei behalten haben, bemerken wir besonders sehr lange und ganz schmale, die aus einer Blume, einer vollen Knospe oder unter einem Blatt oder auch unter einem Kohlkopf mit ausgeschnittenen Umrissen hervorzuwachsen scheinen. Einige sind auch an der Schmalseite mit kleinen gemalten Häkchen an der Blüthe befestigt oder mit goldenen Sicherheitsnadeln festgesteckt. Zuweilen er scheint die Karte wie ein Papyrus gleichmässig aufgerollt, der in einer Ecke in ganz zartem Druck den Glückwunsch trägt, zuweilen wieder wie eine Düte geformt, deren Spitze dann natürlich in dem Kelch steckt. Statt der Blumen sind auch andere Vorwürfe als Verzierung für die eine Schmalseite des sonst ganz weissen Kärtchens gewählt, das am hübschesten in starkem Velinpapier mit feinem Goldlinienrand ist. So giebt es denn Zeitungsausträger, die die Glückwunschkarte scheinbar nach lässig in die Tasche gesteckt haben, aus der sie herausragt, sowie den Festbriefträger, der ein grimmiges Gesiebt macht und Sieben- meilenstiefel angezogen hat, um nur ja mit dem Austheilen aller Glückwünsche fertig werden zu können. Riesige Taschen, aus denen der Inhalt herausplatzt, weil zuviel Briefe hinein gesteckt wurden, sind ihm über die Schulter gehängt; unter dem Arm aber trägt er die halb zusammengerollte, riesig lange, für den Empfänger bestimmte Karte mit dem Glückwunsch darauf. Sehr' hübsch ist noch der weissgepuderte Clown, der die Karte zwischen den Zehen eingeklemmt hat, die Tänzerin, die sich die Karte als Schärpe um den Oberkörper gewickelt hat, und eine über die obere Breitseite der Karte hinweg liegende Frauen gestalt, über die lange Blumenketten fallen. Leute, die einen Besuch schulden, können kleine viereckige, goldgeränderte Karten schicken, auf denen oben Cylinderhut, Handschuhe und Stock gemalt sind. Bei einigen erscheint der Besitzer dieser Sachen im Hintergründe, d. h. er steckt eigentlich nur den Kopf mit kläglichstem Gesichtsausdruck hinter einem Vorhang oder aus einer Fallthür hervor, und darunter steht: ne grondez pas! (sei nicht böse). In Doppelkarten bekommen wir sehr hübsche dreieckige zum Aufstellen, d. li. nur das obere, dem Beschauer zugekehrte Stück hat die Form eines unregelmässigen Dreiecks, das hintere, als Stütze dienende ist rechteckig. Eine Ecke des Dreieckes ist auf- gerollt und vergoldet, sodass man die Verzierung der Unterkarte sehen kann. Unter den wie ein Briefumschlag zusammengelegten Karten ist wenig Neues zu finden, es sind immer wieder Spiel arten von bekannten Ausführungen: Blumen, Blätter, Frucht stücke, dagegen giebt es desto reichere Abwechselung in den sich wie ein Paravent bis zu zwölfmal auseinanderfaltenden Karten. Die in den Bruch zu liegen kommenden Verzierungen, ein Mann mit Blumenstrauss, einem Korb Ostereier und den grossen Glückwunsch-Brief in der ausgestreckten Hand, ein hübsches Blumenstück usw. sind an einer Seite den Umrissen folgend aus geschnitten, sodass sie beim Auseinanderziehen und Aufstellen des Ganzen sich halb loslösen und auf der Vorderseite jedes Blattes sichtbar sind. Allerliebst ist eine Schaar Osterhäschen, alle sehr eifrig mit Eierlegen beschäftigt. Von den ganz kleinen vorn befindlichen wachsen sie allmälig zu Riesen an. Ein ähnliches Bild bietet sich auch bei einer Heerde fetter Schweine, hinter dem letzten erscheint der Hirt mit seiner Schalmei, auf der die Worte gedruckt sind: Glückliche Ostern! und Du magst sie alle zum Feste schlachten, wenns gefällig ist. Da das diesjährige Osterfest nur wenige Tage nach dem ersten April fällt, so lag der Gedanke nahe, die Scherzkarte, die man so gern zu Anfang April seinem lieben Nebenmenschen zu kommen lässt, mit dem Oster-Glückwunsch zu verbinden. Zu diesem Zweck giebts eine Reihe Doppelkarten, die obere zeigt einen Ochsen, Esel oder irgend ein liebenswürdiges Spottbild mit der vorsichtigen Unterschrift: c’est moi!, aber ganz winzig in feinen schwarzen Buchstaben, und die untere eine reizende Blumen- Verzierung als Rahmen für »und ich sende Dir die herzlichsten Glückwünsche«. Sich auf Kosten des Andern lustig zu machen, worin sonst ja der Hauptwitz besteht, geht hier natürlich, wo der Name des Absenders hinzugefügt wird, nicht an; das bleibt für die einfachen Aprilkarten ohne Glückwunsch, die darin des Guten denn auch recht viel und beinahe zu viel leisten. Männlein und Fräulein drehen einander den Rücken zu, und ein darunter stehendes »lass mich in Ruhe, alte Hexe« oder »ich will nichts von Dir wissen, Du Gauner« lässt über ihre Gefühle gar keinen Zweifel. Besonders viele scherzhafte Verwandlungsbilder sind vor handen, da man im vorigen Jahr die Bemerkung gemacht hat, dass sich viele Käufer dafür finden Mit Goldstücken angefüllte Säcke verschwinden, wenn man an einem kleinen Papierstreifen zieht, plötzlich mit sammt dem Tisch, und an deren Stelle gähnt ein schwarzes Loch; lächelnde frische Mädchen gesichter ver wandeln sich in gräuliche Hexen, und der Bräutigam, der seine strahlende Braut zur Hochzeit führt, verschwindet so plötzlich von ihrer Seite, dass sie vor Schreck ganz versteinert ist. An seiner Stelle steckt dann ein Papierstreifen mit der sinnigen Aufschrift »Zu wenig Mitgift, ich bedaure!« oder »Wünsche viel Vergnügen ohne mich« usw. Die internen Vorgänge Frankreichs bieten einen ebenfalls unerschöpflichen Stoff zu Scherz und auch bitterem Spott. Wer nicht ganz frei vom Verdacht ist, ein wenig den Staat bestohlen zu haben, dem kann man als Aprilkarte die »Liste der Pana- misten« schicken, wie oben auf der Karte in grossen, fetten Buch staben gedruckt ist; nun folgen angeblich die Namen, aber natürlich an deren Stelle nur ein Gemisch unkenntlicher Buchstaben, unten aber steht rechts »combien?« (wieviel) und auf der gegenüber stehenden Seite rollen die Goldstücke nur so aus einem mächtigen Sack heraus, auf dem »eine Million« vermerkt steht. Allerliebst ist eine Madagaskar-Doppelkarte, auf der eine braune Schöne abgebildet ist, die einen in die Heimath zurück kehrenden, reisefertigen französischen , Soldaten am Rockschoss festhält. Darunter steht: Ach bitte, könnten Sie mich nicht mitnehmen? w. Kleine Mittheilungen. Eine ausländische Meinung zur Buchdrucker-Lohnbewegung in Deutschland. In dem von den Führern dieser Bewegung erlassenen Aufruf an die deutschen Buchdruckergehilfen heisst es unteranderem, dass es den Buchdruckereibesitzern leicht sein werde, die Wünsche der Gehilfen zu erfüllen, sowohl durch den flotten Geschäftsgang als auch dadurch, dass die Wettbewerbsverhältnisse der Besitzer durch die Lohnveränderungen im Auslande wesentlich günstiger geworden seien. Dazu bemerkt die österreichisch-ungarische Buch drucker-Zeitung: Dass diese Verhältnisse zum Nachtheile besonders des österreichischen Druckgewerbes schon lange günstiger liegen, ist zu bekannt, als dass es erforderlich wäre, sich des Weiteren darüber zu verbreiten; dass man aber gerade nach dem Insleben- treten des österreichischen Normal-Lohntarifes auf diesen Umstand hinweist, zeigt von Neuem die Vaterlandsliebe eines Theiles der österreichischen Verleger. Preisausschreiben für den Entwurf eines Diploms für die Stuttgarter Ausstellung für Elektrotechnik und Kunstgewerbe. Es soll ohne Rand 34 cm hoch und 24 cm breit werden, und die Darstellung muss dem Wesen der Ausstellung angepasst sein. Von den eingegangenen Entwürfen wird einer für das Ehrendiplom in Radirung oder Heliogravüre und ein anderer für das allgemeine Diplom in Lichtdruck ausgeführt. Es sind drei Preise im Betrage von 500, 400 und 300 M. ausgesetzt. Der Einlieferungstermin ist auf den 1. Mai festgesetzt; das Preisgericht wird von der Zentral stelle für Handel und Gewerbe berufen werden. Buchgewerbe Museum und buchgewerbliche Jahresausstellung im Buchhändlerhause zu Leipzig. Neu ausgestellt ist eine Aus wahl von Taf ln, die Theodor Göbel in Stuttgart dem Buch gewerbe-Museum gestiftet hat. Es sind dies von Dräger & Lesieur in Paris in Kornmanier vortrefflich hergestellte Wiedergaben nach Gemälden und Zeichnungen moderner Künstler. Die Buchdruckerei von Marschner & Stephan in Berlin befand sich am 9. d. Mts. 25 Jahre im Besitze der jetzigen Geschäftsinhaber, der Herren Carl Marschner und Carl Stephan. Die lebhafte Antheil- nähme aus allen Kreisen liess erkennen, dass die beiden strebsamen und fleissigen Besitzer sich viele Freunde erworben haben. Die Lanstonsche Monotype-Setzmaschine, die wir in Nr. 38 des vorigen Jahrgangs ausführlich beschrieben haben, soll seit kurzem in der Druckerei des Philadelphia Inquirer in Gebrauch genommen worden sein.