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Nr. 22. 699 Buchgewerbe Buchdruck ® @ © Buchbinderei © © © © © Steindruck © © © Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung. / \ Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme. Berliner Typographische Gesellschaft. In der Sitzung vom 10. d. Mts. gab Herr Kulbe eine Ueber- sicht über die Entwickelung der Schriftproben-Ausstattung in den letzten Jahrzehnten. Er wies auf die früheren grossen und unge schickten Formate der Probeblätter für Einfassungen und Schriften hin. Jedoch wurde gerade auf diesen grossen Probeblättern zuerst versucht, eine kunstvolle Gestaltung des Satzes und mehrfarbige Druckausstattung anzuwenden, denn vorher hatten die Schrift giessereien eine mehr als einfache Vorführung ihrer Erzeugnisse für genügend erachtet. Diese grossen Probeblätter sind dann später meist durch die Oktavproben in den Hintergrund gedrängt worden. Der Redner ging auf die mannigfachen Vorzüge dieser handlichen Schrift probenwerke näher ein, wies aber auch auf ihre Mängel hin. Einzelne Schriftgiessereien verstehen es, ihren Probeblättern den Eindruck einer gesuchten Einfachheit zu geben. Der Redner ist mit dieser Ausstattung nicht ganz einverstanden; er meint, dass diese sogenannte Einfachheit in Wirklichkeit nicht einfach sei. Eine besondere Beachtung widmet der Vortragende den Einfassungs-Proben, die nicht nur mustergiltige Anwendungen, sondern auch klare und leicht verständliche An leitungen für die Benutzung der vorgeführten Einlassungen enthalten. Nachdem noch auf die Eigenthümlichkeiten englischer und amerika nischer Schriftproben hingewiesen worden war, kamen einige Winke über die Einrichtung von Druckereiproben. Der Redner hob schliesslich hervor, dass es Sache der Buchdrucker sei, sich darüber zu äussern, wie die Schriftproben am zweckmässigsten eingerichtet werden könnten. In dem sich anschliessenden Meinungsaustausch wurde von Herrn Messenzehl über Druckerei proben und über die hauptsächlich der Reklame dienenden amerikanischen Schriftproben gesprochen, während von anderer Seite darauf hingewiesen wurde, dass das Derriey-Album als vorbildliche Schriftprobe auch heute noch Beachtung erheischt. Zum Fachzeitungsbericht gab Herr Röhn einen Auszug aus einem Aufsatz über die sogenannten selbstausschliessenden Schriften, ns handelt sich dabei um Schriften mit Buchstaben von systema tischer Dicke, wie sie in Amerika vor einigen Jahren von Benton und in Deutschland in neuerer Zeit von J. G. Scheiter & Giesecke und von Krebs Nachf. geschaffen worden sind. Durch diese Buch staben soll das Ausschliessen und Korrigiren sehr erleichtert werden. Unser geschätzter Mitarbeiter Herr Wentscher hat dieses interessante Thema ausführlich behandelt (vergl. Nr. 91, Jahrg. 1893). und Nr. 9, Jahrg. 1894). Die Frage: »Wie befestigt man Leim- klischees auf Gipsuntersatz« beschäftigte die Mitglieder noch einige Zeit, ohne dass eine völlig sichere Antwort ertheilt werden konnte. Zur Lohnbewegung. Das Augenmerk der ganzen Buchdruckerwelt richtet sich gegenwärtig auf Leipzig, wo die Vertreter der deutsche Buch druckereibesitzer mit denen der Gehilfenschaft über die Möglich keit einer Erhöhung des gegenwärtigen Tarifs berathen. Nie vorher war die allgemeine Erwartung in ähnlichen Fällen so ge spannt wie jetzt, da man weiss, dass der Unterstützungsverein entschlossen ist, bei Ablehnung seiner Forderung von 15 pCt. Lohn erhöhung und Herabsetzung der Arbeitszeit auf neun Stunden sofort die allgemeine Arbeitsniederlegung seiner Mitglieder anzuordnen. Es ist nicht nur ein Zeichen grosser ( pferwilligkeit seiner Mitglieder, dass der Verein, nachdem er erst vor vier Jahren infolge des damals missglückten Ausstandes grosse Verluste erlitten hat, heute über eine grosse Summe zum Durchfechten seiner Forderungen verfügt, sondern anderseits auch ein Beweis dafür, dass die Löhne in den letzten Jahren doch hoch genug waren, um den Mitgliedern die Zahlung der nicht unerheblichen Beiträge überhaupt möglich zu machen. Wie der Einzelne mit Recht bestrebt ist, seine Lage zu ver bessern, so kann man es auch einer Vereinigung von Gleich strebenden nicht verargen, wenn sie solche Bestrebungen hegen, und es ist auch unstreitig ein guter Zug, dass der Bessergestellte bestrebt ist, seinem minder gut gestellten Fachgenossen zur Ver ¬ besserung seiner Lage behilflich zu sein. Indessen wie jedes Ding, so hat auch das Gleichstellen der Arbeitskräfte seine zwei Seiten. Dass die gleiche Leistung auch gleichmässig bezahlt werde, ist durchaus gerecht und wird dort, wo im Berechnen gearbeitet wird, auch folgerichtig durchgeführt. Dabei zeigt es sich aber, dass es höchst selten zwei ganz gleichwerthige Arbeiter giebt; der Eine arbeitet schneller aber fehlerhafter, der Andere langsamer und besser; ein Dritter ist hastig und dabei minder sorgfältig usw. Diese ver schiedenen Kräfte, die in der kleinsten wie in der grössten Buch druckerei zu finden sind, als einander ebenbürtig zu betrachten, wäre ungerecht, weil man dann die Arbeit des tüchtigen Mannes nicht höher schätzen würde, als die eines mangelhaften, und aus diesem Grunde ist solches über einen Kamm-Scheeren weder zum Vortheile des Besitzers, noch des Arbeiters selbst. Eine Erhöhung des Berechnungspreises würde ja allerdings beiden Arten von Setzern zu gute kommen; da aber ungefähr dreiviertel aller Gehilfen im gewissen Gelde stehen, würde die Erhöhung des Berechnungspreises auch die gleichzeitige Erhöhung des gewissen Geldes zur nothwendigen Folge haben. Wird auch diese auf 15 pCt. gestellt, also der Mindestlohn von 20 M. 50 Pf. auf 23 M. 60 Pf. erhöht, so ist zu besorgen, dass die Buchdruckereibesitzer auf solche erhebliche Steigerung nicht eingehen. Allen sind die Vorgänge beim letzten Ausstande noch in frischem Gedächtniss; die Gehilfen werden sich hüten, die damals begangenen Missgriffe im Falle eines neuen Ausstandes zu wieder holen ; aber es darf nicht übersehen werden, dass auch die Geschäfts inhaber bei jenem Ausstande gelernt haben. Sie würden voraus sichtlich aus den damals gewonnenen kostspieligen Erfahrungen eine Nutzanwendung ziehen, die den Gehilfen nur Schaden bringen könnte. Stellt man sich den möglichen Verlauf der Sache vor, so wird es der sein, dass einige Zeitungsdruckereien die verlangte Erhöhung bewilligen, die übrigen den Ausstand annehmen. Im günstigsten Falle für die Gehilfen würde etwa ein Drittel ihrer Zahl von der Lohnerhöhung direkten Vortheil haben, die übrigen zwei Drittel dagegen stehen vor der Wahl, die Arbeit zu bisherigen Preisen fortzusetzen oder in den Ausstand einzutreten. Da fast, die Hälfte der Gehilfen dem Verbande nicht angehört, würden, wenn dieser Fall eintreten sollte, etwa 12 000 Gehilfen ausstehen. Bei einer Unterstützung von je 10 M. wöchentlich wäre in acht Wochen eine Million ausgegeben; wenn 20M. gezahlt werden, wie von einigen Seiten zugesichert, wäre jene Summe schon in vier Wochen zu Ende. Und was dann? Und wodurch sollen die dem Verbande nicht angehörigen Gehilfen gezwungen werden, einem Ausstande bei zutreten? Verrufserklärungen werden bekanntlich nachdrücklichst bestraft, und Zwangsmaassregeln giebt es nicht. Diese Art des Ausstandes wird also aussichtslos bleiben. »Generalstreik!« heisst das andere Schreckwort. Die Ver kündung dieser Losung bedeutet, dass man auch in den zum Nachgeben geneigten Geschäften die Arbeit nicht eher aufnehmen darf, bis alle übrigen Geschäfte sich ebenfalls zur Anerkennung der Forderungen verpflichtet haben. Hat solch ein Vorgehen Aus sicht? Nein! Wenn es sich um die grossen Städte handelte, wo man nöthigenfalls durch die öffentliche Meinung auf kurze Zeit einen derartigen Druck ausüben könnte, möchte solchem Vorgehen eine gewisse Aussicht auf Erfolg nicht abzusprechen sein; aber Berlin und auch Leipzig sind noch lange nicht Deutschland, und keine Macht ist imstande, einen wirklichen Generalstreik der Buchdrucker auch nur für einen Tag durchzusetzen. Es liegt demnach klar, dass Gewalt wohl unnöthige Ver bitterung auf beiden Seiten erregen, aber keinen Erfolg erringen würde. Es ist daher nur zu wünschen, «lass die Berathung zu einem friedlichen Abschluss führen möge. Können die Vertreter der Besitzer aus dem ganzen Reiche eine Erhöhung zugestehen, so ist es Pflicht der Gehilfenvertreter, das Anerbieten anzunehmen, auch wenn es ihren Erwartungen nicht ganz entspricht. T