Volltext Seite (XML)
Nr. 18. PAPIER-ZEITUNG. Messpalast in Berlin. Die 1893 er Vereinigung für internationale Messen in Berlin veranstaltete bisher in jedem Frühjahr und Herbst Messausstellungen in gemietheten Räumen. Bald ergab sich die Nothwendigkeit, ein eigenes Heim zu schaffen, welches alle Messaussteller ver einigen kann. Zur Erreichung dieses Zieles gründeten betheiligte Fabrikanten der Luisenstadt Berlins und bisherige Aussteller die Berliner Messbau-Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In der Alexandrinenstrasse Nr. 110, auf einem Grundstück von 5535 qm Fläche und ziemlicher Tiefe, wurde innerhalb 3/4 Jahre der Messpalast errichtet, dessen Vorder-Faade in Sandstein aus geführt und reich verziert ist. Bis auf 3 Höfe von quadratischer Form und ziemlicher Grösse ist das ganze Grundstück von dem gewaltigen Bau eingenommen. Die Ausstellungsräume sind gross, jeder für sich abgeschlossen und zweckmässig belichtet. Breite praktische Schaufenster, leicht ersteigbare Treppen, elektrische Fahrstühle, Erholungs- und Erfrischungsräume, elektrische Beleuch tung und Dampfheizung wirken zusammen, um die Einrichtungen des Messpalastes so vollkommen zu gestalten, wie sie anderswo kaum zu finden sind. Der Bau kostete sammt Grundstück 21/, Millionen Mark. Am 26. Februar 1896 wurde der Messpalast unter Theilnahme der staatlichen und städtischen Behörden, der Abgeordneten deutscher Handelskammern und zahlreicher Betheiligung der Mess aussteller eröffnet. Der Vorsitzende der Berliner Messbau-Gesell schaft, Herr Ingenieur Naruhn, übernahm den Bau von dem Bau meister Herrn Schreiber und übergab ihn dem Vorstand der 1893er Vereinigung für Internationale Messen in Berlin. Der Vorsitzende dieser Vereinigung, Herr Moritz Rosenow, erläuterte die Entstehungsgeschichte der Vereinigung, insbesondere des Mess palastes, und dankte den Herren, die durch Sympathien und werk- thätige Hilfe das Zustandekommen der Berliner Messe und die Erbauung des Berliner Messpalastes ermöglichten. Herr Oberbürgermeister Zelle wünschte sodann der Berliner Messe Blühen und Gedeihen und wies darauf hin, dass dies Werk ohne städtische und staatliche Unterstützung aus der freien Initiative der Kaufmannschaft entsprungen ist, und das, wie dieses Werkbeweise, nur durch Zusammenschluss der Kaufmannschaft Erspriessliches erzielt werden könne. Herr Geheimer Kommerzienrath Herz, als Vertreter der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft, führte aus, wie sehr in dieser Zeit, wo Hass und Missgunst sich in blindem Verfolgungseifer gegen die Handel- und Gewerbetreibenden wenden, Werke wie das heute gefeierte dazu angethan seien, die Achtung der denkfähigen Bevölkerung zu erringen und zu beweisen, dass sie durch ihre Arbeitsamkeit zum Mindesten denselben Anspruch, eine Stütze des Thrones zu sein, erheben können, wie die Land- wirthschaft. Diese Ausführungen fänden freudigen Wiederhall in den Herzen der Fest-Theilnehmer. Ausgestellt haben 450 Fabrikanten. Ueber 2000 Berliner Fabri kanten und Musterlager sind an der Messe mitbetheiligt, sodass die 1893er Vereinigung ein Bild nahezu der gesammtenBerliner Industrie giebt. Voraussichtlich wird schon im Herbst der Messpalast den Ansprüchen nicht mehr genügen, und eine Erweiterung für diese Zeit ist schon in Aussicht genommen. Am Abend fand unter zahlreicher Betheiligung vieler offizieller Persönlichkeiten und Messaussteller im grossen Saal des Kaiserhofs ein glänzendes Bankett statt. Die- Tische waren mit vielen Prunkstücken der Bronze- und keramischen Industrie geschmückt. Zahlreiche gehaltvolle, selbst geistreiche Reden wurden gehalten, die zumeist darin gipfelten, dass der Kaufmanns stand keine Sonderrechte und Staatszuschüsse verlange und zufrieden sei, wenn ihm zur freien und friedlichen Entwickelung Luft und freie Bahn eingeräumt werden. r Berichte unserer Korrespondenten. Aus Amerika. (Eigenbericht. Nachdruck verboten.) New York, 2. Eebruar 1896. Die Berichte über die Lage des Papiergeschäftes und der ge sammten Industrie lauten wie gewöhnlich wenig übereinstimmend; doch ist soviel gewiss, dass eine Gesundung der Lage statt gefunden hat, denn die lange Dauer der Geldkrisen und wirth- schaftlichen wie politischen Zusammenbrüche hat unter denjenigen Firmen, die auf schwachen Füssen standen, gründlich aufgeräumt. Der Monat Januar ist gut verlaufen und die Stimmung im grossen und ganzen hoffnungsvoll. Es ist freilich ganz unmöglich, sich über den Umfang des einheimischen Geschäftes ein auch nur einigermaassen zutreffendes Bild zu machen, doch ist es bemerkens- werth, dass das Ausfuhrgeschäft in amerikanischen Schreib- waaren beständig zunimmt. Nach dem nunmehr für die ersten elf Monate des «Jahres 1895 vorliegenden Handelsausweise betrug die Ausfuhr 1 019 156 M. und nahm somit, verglichen mit der gleichen Zeit in 1894, um 290 492 M. zu. Wir finden als Be stimmungsplätze von Schreibwaaren unter anderen Hamburg und Bremen, Süd- und Zentralamerika, die verschiedenen englischen Kolonien, Kuba usw. In Sandpapier wurde ein leidliches Ge schäft nach London, Australien, Neuseeland, Süd- und Zentral- Amerika gemacht. Auch Tapeten gingen nach Hamburg, wäh rend Spielkarten ihr Hauptabsatzgebiet in den britischen Be sitzungen zu haben scheinen. Strohpackpapier erzielt im Augen blick wieder bessere Preise, und so dürfte aus dem beabsichtigten Syndikat der Fabrikanten dieser Waare nichts werden. In der Strohpappen-Industrie hat man, einem an ihre Aktionäre ge richteten Zirkulare der American Straw Board Company zu folge, offenbar keinen Grund zu Klagen. In diesem heisst es, die Geschäftsaussichten seien ganz ausnehmend günstig, da die Preise für Strohpappen einen wesentlichen Aufschwung erfuhren und eine allgemeine Geschäftsbelebung in den Vereinigten Staaten in Aussicht stehe. Von der Vereinigung der Zeitungspapier fabrikanten hört man nichts mehr. Diese hätte diesen Zweig der Industrie wieder auf gesunde Grundlage bringen und gewissen schreienden Uebelständen abhelfen sollen. Es ist nämlich soweit gekommen, dass das Geschäft nur noch durch Bestechung der Druckerei-Angestellten gemacht werden kann. Wer das höchste Trinkgeld bezahlt, dessen Papier wird in den Druckersälen als allein brauchbar befunden. In diesem Jahre sind unsere Holzschleifereien von Holz mangel bedroht. Nach Berichten aus Maine ist man des schnee losen Winters wegen äusser Stande gewesen, das Holz in der gewohnten Weise aus den Wäldern zu schaffen, und selbst wenn von nun an noch reichlicher Schnee fiele, könnte man das Ver- säumte nicht mehr nachholen. Eine weitere Folge des Schnee mangels wird jedenfalls niedriger Wasserstand und ungenügende Wasserkraft sein. Nach alledem gestalten sich die Aussichten für die Einfuhr von ausländischem Holzschliff günstig. Die Zu kunft der Holzschleiferei giebt jetzt hier Vielen zu denken, und man sucht den amerikanischen Bedarf annähernd zu ermitteln, um die Regierung zur Ergreifung geeigneter Schritte, <1. h. zu vernünftiger Forstwirthschaft aufzufordern. Eine einzige Sonn tagsausgabe des Bostoner Globe verbraucht das Holz von zehn Acres Land oder von 500 Stämmen. Im Jahre 1895 verbrauchte jene Zeitung mehr als 9000 Tonnen Papier, zu deren Herstellung 60 000 Stämme und die Entholzung eines Waldes von 1200 Acres nöthig war. Dabei ist jenes Blatt keineswegs das grösste. Ein hiesiger Adam Riese berechnete soeben die jährlich in der Welt er scheinenden Zeitungen auf 12000000000 Exemplare im Gewichte von 781 250 Tonnen. Unsere Holzschleifereien haben also Anlass zu Besorgniss, aber sie betrachten es nun als einen Trost, dass die Preise des europäischen Schliffs so hoch sind, dass dieser mit Amerika nicht in Wettbewerb treten kann. Solange die Gefahr des Holzman gels nicht beseitigt ist, kau n die amerikanische Papierindustrie an dem beabsichtigten Versuche, das Ausfuhrgeschäft der Ver einigten Staaten zu heben, keinen sonderlich lebhaften Antheil nehmen. Nach den Erfahrungen der jüngsten Zeit gilt es als Grund satz, dass nur durch Ausfuhr eine Gesundung der wirthschaft- liehen Verhältnisse des Landes herbeigeführt werden kann. Orts und Staatsbehörden werden unermüdlich um Förderung jener Bestrebungen angegangen, und nicht umsonst. Eine demnächst in Betrieb zu setzende Pappschachtelfabrik in Barnesville wurde für die ersten zehn Jahre ihres Bestehens von allen staatlichen und Gemeinde-Abgaben befreit. Gegenwärtig kommt ein neues patentirtes Löschpapier aut den hiesigen Markt, das von der Sabin Robbins’ Paper Company hergestellt, »English Cloth« genannt wird. Die Fabrikanten behaupten, dass es das bestlöschende Papier der Welt und lediglich aus bester Baumwollfaser hergestellt sei. Das Papier hat das Aussehen von Stoff und ist ganz ausserordentlich weich und schwammig. Baumwolle scheint sich übrigens auch als Stoff für Trockenfilze ganz besonders zu bewähren. Die Channon Company führte solche s. Z. ein und ist gegenwärtig mit Aufträgen über häuft. Eine Maschine zur Herstellung von Papierschnüren und von Fäden mit papiernem Ueberzug und beliebigem Kern macht einiges Aufsehen. Derartige Vorrichtungen giebt es ja bereits, doch zeichnet sich die neue durch Einfachheit und Leistungs fähigkeit vortheilhaft aus. Die Theile der Maschine, sowie ihre Arbeitsweise, die hier zu beschreiben zu weit führen würde, sind zum Theil dem Spinnrocken abgelauscht. w