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Nr. 17. PAPIER-ZEITUNG. Deutsche Faktoren-Vereinigung. Der Berliner Faktoren-Verein hatte sich mehrfach mit der Frage des Zusammenschlusses der in verschiedenen Städten be stehenden Faktoren-Vereine zu einer Deutschen Faktoren-Ver einigung beschäftigt, die nicht nur Gelegenheit zu nutzbringender kollegialer Annäherung bieten, sondern sich zu einer wirksamen Vertretung gemeinsamer Interessen entwickeln soll. Dadurch soll auch den in kleineren Druckorten noch vereinzelt stehenden Fak toren eine Anregung zu örtlichem Zusammenschluss gegeben und ihnen der Eintritt in die allgemeine Vereinigung ermöglicht werden. Zur Förderung dieser Ziele war gleichzeitig die Gründung einer Faktoren-Zeitung geplant, ein Unternehmen, das schon vor einiger Zeit von dem Herrn Oberfaktor Wunder in Braunschweig in Aus sicht genommen worden war. Der Berliner Verein hatte in einem Rundschreiben dem grössten Theil der deutschen Faktoren diese Fragen klargelegt und eine Versammlung zur Beschlussfassung darüber auf den 23. d. M. . nach Berlin einberufen. Dieser Einladung waren gegen 100 Fak toren gefolgt, worunter sich Kollegen aus Magdeburg, Braun schweig, Stettin und verschiedenen anderen Städten befanden. Äusser zustimmenden Erklärungen aus sehr vielen Städten war auch eine Drahtnachricht aus Weimar eingegangen, wonach zur selben Stunde die Faktoren mehrerer mitteldeutscher Städte in Weimar zu einer gleichen Berathung zusammengetreten waren. Nachdem Herr Stadthagen die Erschienenen begrüsst und einige der wichtigsten Zustimmungen verlesen hatte, gab der mit der Berichterstattung beauftragte Herr C. Kulbe eine Darstellung aller der Verhältnisse, die die Gründung einer allgemeinen Faktoren- Vereinigung zur unabweisbaren Pflicht machen. Unter Hinweis auf allgemein bekannte Fälle zeigte er, wie wenig heute für die von schweren Schicksalsschlägen getroffenen Kollegen gesorgt sei. Er betonte die Nothwendigkeit, für die Zeit der Stellenlosigkeit und Erwerbsunfähigkeit Fürsorge zu treffen und auf eine Unter stützung von Wittwen und Waisen bedacht zu sein. Der Redner wies nach, dass diese grossen Aufgaben nicht durch kleine ört liche Vereinigungen, sondern nur durch eine allgemeine Faktoren- Vereinigung gelöst werden können, und dass dafür ebenso wie für die technische Weiterbildung und die Pflege kollegialischen Geistes die Gründung einer solchen allgemeinen Vereinigung nicht länger aufgeschoben werden dürfe. Ein wichtiges Mittel für die Förderung dieser Zwecke sieht er in der zu gründenden Faktoren- Zeitung, für die er einen bis in die Einzelheiten fertigen Entwurf gab, wobei leider der Kostenanschlag vermisst wurde. Nach träglich gab Herr Kulbe noch die Erklärung ab, dass die Zeitung als Privatunternehmen gedacht sei; es sollen etwa 5000 M. in Antheilscheinen zu 10 M. aufgebracht werden. Der Gegenberichterstatter, Herr Leineweber aus Braunschweig, warnte davor, die Unterstützungskassen von vornherein zu umfang reich zu machen, weil sonst die Höhe der Leistungen Viele zurück halten könnte. Er sieht die Hauptaufgabe in der Hebung der Page des Standes und hält dazu die Zeitung für sehr wichtig. In dem sehr lange dauernden Meinungsaustausch, worin ganz besonders betont wurde, dass die Vereinigung auf neutralem Boden stehen soll, ergab sich eine völlige Uebereinstimmung über die Nothwendigkeit einer deutschen Faktoren-Vereinigung. Wenn auch über die Aufgaben die Ansichten auseinandergingen, so wurde doch der Antrag: Die am 23. Februar 1896 in Berlin versammelten Faktoren halten die Schaffung einer deutschen Faktoren- Vereinigung für nothwendig. Sie beauftragen den Berliner Faktoren-Verein, die einleitenden Schritte zu thun und einer ehestens einzuberufenden allgemeinen Versammlung bestimmte Vorschläge zu machen und einen Satzungs- Entwurf vorzulegen. Auswärtigen Kollegen ist ent sprechende Mittheilung zu machen und Gelegenheit zur Rückäusserung zu geben einstimmig angenommen. Dagegen fand die zu gründende Faktoren-Zeitung neben einer grossen Zahl redegewandter Fürsprecher eine kleine Zahl hart näckiger Gegner, die unter Hinweis auf die vielen bestehenden Fachblätter und auf einige eben wieder eingegangene, die Behauptung aufstellten, die neue Vereinigung brauche zunächst zwar keine eigene Zeitung, wohl aber ihr Geld zu anderen wichtigeren Zwecken. Alle erforderlichen Mittheilungen liessen sich zunächst durch nach Bedarf erscheinende Druckschriften erledigen. Nach einer lebhaften Aussprache, worin auf die Wichtigkeit hingewiesen wurde, dass der Verein eine völlig unabhängige eigene Zeitung haben müsse, die aus Anzeigen gewiss gute Einnahmen erzielen würde, wurde der folgende Antrag des Berliner Vereins: Die am 23. Februar 1896 versammelten Faktore halten die Gründung einer Faktoren-Zeitung zur Förderung ihrer Interessen für nothwendig und wünschen vom Berliner Faktoren-Verein entsprechendes Vorgehen mit grosser Mehrheit angenommen. • Die Nachmittag- und Abendstunden vereinigten die BerlinerFak- tore und ihre auswärtigen Gäste zu einem gemüthlichen Beisammensein. — w. Londoner Speise- und Tanzkarten. Nachdruck verboten. London, im Februar“ 1896. Die Ballzeit hat ihren Höhepunkt überschritten, die »oberen Zehntausend« haben wieder die Gelegenheit benutzt, ihre gold strotzenden Geldtaschen durch Entfaltung einer oft übermässigen Pracht in das rechte Licht zu setzen. Der Wettstreit zwischen London und Paris, der Mittelpunkt des »High life« zu sein, scheint sich von Jahr zu Jahr mehr zu Gunsten Londons wenden zu wollen. Das französische „Chic" ist freilich nicht vorhanden, und so artet das Bestreben, die Festlichkeiten so glänzend wie möglich zu ge stalten, nicht selten ins Protzenhafte aus. In der Ausstattung der Tafel indessen dürften die Engländer unübertroffen dastehen, namentlich versteht man es hier, neue Erfindungen in gelungener Weise auszunutzen. Die englische Festtafel ist berühmt durch ihren reichen Blumenschmuck, worunter die kostbaren, feinduftenden Orchideen niemals fehlen dürfen. Das Neueste sind nun Rosen und Orchideen aus Seidenpapier, in denen ein ganz kleines elek trisches Glühlicht verborgen ist. Diese leuchtenden Blüthen werden zwischen Sträusse von lebenden Blumen eingefügt, was eine ganz wunderbare Wirkung hervorbringt. Ich sah eine solche Tafel, die nur durch glühende Blumen beleuchtet war, und zwar' strahlten nicht nur die grossen Sträusse, die in kurzen Abständen die Tafel zierten, sondern vor jedem einzelnen Gedeck lag ein kleines Sträusschen von feinem Farren und lebenden Veilchen mit einer leuchtenden Papierrose dazwischen. Die Leitungsdrähte waren durch das Tischtuch geführt, sodass von dem Ursprünge des zauberhaften Lichtes keine Spur zu sehen war. Der Eindruck einer solchen Tafel ist glänzend, die leuchtenden Papierblumen sind recht natürlich nachgebildet, nur mag es freilich etwas Un behagliches an sich haben, an einer Tafel zu sitzen, auf der jedes Sträusschen sagt: »Rühr mich nicht an«. Zum Glück sah man bis jetzt davon ab, die Speisen selbst mit elektrischem Lichte zu ver sehen, obgleich es für den fashionablen Tafelschmuck etwas Neues wäre, etwa einen Schweinskopf mit leuchtenden Augen aufzu stellen. Vorläufig zieht man aber noch vor, die Speisen zu essen, und beschränkt sich darauf, die Speisekarten möglichst gefällig aus zustatten. Die Auswahl in feinen Speisekarten ist diesmal reicher als gewöhnlich, und namentlich macht sich eine nie gesehene Mannig faltigkeit in Form und Art der Aufstellung geltend. Die Mehrzahl der Karten, namentlich die einfacheren, werden am oberen Rand umgefälzt, sodass sie wie eine Staffelei aufgestellt werden können; jedoch werden dieselben nicht immer in der ge wöhnlichen, länglich-rechteckigen Form gehalten, sondern in der ver schiedenartigsten Weise, je nach der Art des Bildes, das die Karte ziert, ausgestanzt. Bald bilden die Ränder die Umrisse von Blumen verzierungen, bald von Ornamenten in Rokokostil, bald werden sie in den mannigfaltigsten andern Mustern, namentlich am unteren Rande ausgezackt. Ausserdem sieht man Hufeisen, Pyramiden, Staffel eien und ähnliche ausgestanzte Figuren. Am beliebtesten bleiben indessen einfach geschnittene Karten mit feinen Blumendarstellungen, und zwar fällt hierbei namentlich die entschiedene Bevorzugung von getöntem Grunde und die grosse Mannigfaltigkeit der Töne auf. Es gilt gegenwärtig für »chic«, Speisenkarten von ver schiedenen Grundfarben aufzustellen, was nicht wenig zur Be lebung des Gesammteindruckes einer Tafel beiträgt. In der Regel zeigen sämmtliche Karten dieselbe Zeichnung, in verschiedenen Farben. Zum Schönsten dieser Art gehört eine länglich-recht eckig geschnittene, oben umgefalzte und unten zackig ausgestanzte Karte, die links neben einem einfachen, senkrechten Goldstrich einen aufrechtstehenden Asternzweig mit zierlichen, vielblätterigen Blüthen aufweist, während rechts das Wort »Menu« in unregel mässig gestellten Goldbuchstaben erscheint. Diese Neuheit, die in allen möglichen Farbentönen, als gelb, rosa, hellgrün, heliotrop, salm, matt ziegelroth usw. erschien, nimmt sich um so wirkungs voller aus, als das darauf befindliche Bild immer in einer Farbe gehalten wird, die vom Grundton hübsch absticht. So erscheinen die Blüthen z. B. auf Hellgrün rosa, auf Salm gelb, während das Gold je nach der gewünschten Wirkung mit Silber vertauscht wird. Andere Karten dieser Art weisen einen kleinen Epheu- oder Stechpalmenzweig, Farren und Veilchen, Marguerite-