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Nr. 16. PAPIER-ZEITUNG. 491 Gefängnissarbeit. Aus Schleswig-Holstein. Der Einsender X. in Nr. 6 scheint Unternehmer von Gefängniss arbeit zu sein und durch Abschaffung der letzteren eine Schädigung zu befürchten. Wie ist es sonst denkbar, dass ein Geschäftsmann für diese erdrückende Konkurrenz eintreten kann? Die Gründe, die für diese Gefangenenbeschäftigung angeführt werden, kann ich nicht als stichhaltig anerkennen. Warum ist es nothwendig, dass diese Leute mit Arbeiten be schäftigt werden, die den Wettbewerb im geschäftlichen Leben noch viel schwieriger machen? Von Mangel an Arbeitern kann doch wahrlich in keiner Gegend die Rede sein, wenn nur die Bezahlung angemessen ist. Welcher Dütenfabrikant ist aber in der Lage, für die billigsten Düten den ortsüblichen Tagelohn bezahlen zu können? Gerade durch den Mitbewerb der Gefängnissarbeit ist diesem Industriezweig in den gangbarsten billigen Gattungen jeder Nutzen genommen, und man muss sich sehr wundern, dass ein Fachgenosse für die Beibehaltung dieser Arbeit eintreten kann. Wie ich schon in Nr. 3 ausführte, bin ich Besitzer einer Maschinen- Dütenfabrik und unterhalte auch eine Fabrik in einem Gefängniss. Ich weiss daher aus Erfahrung, dass in den Gefängnissen so billig gearbeitet wird, dass Fabriken, »auch wenn sie mit den allerbesten Maschinen ausgestattet sind«, den Wettbewerb nicht aushalten können. Trotzdem ich nun den Vorzug einer solchen Anstalt be sitze, befürchte ich von der Abschaffung oder Einschränkung der Gefängnissarbeit keinen Nachtheil, ich bin vielmehr fest überzeugt, dass die Verhältnisse in diesem Fache nur dadurch gesunden. Wir haben in Deutschland nicht viele Dütenfabriken, die sich, was Erzeugung anbelangt, mit der Gefängnissanstalt in Holstein messen können. Der Herr Direktor leitet das Geschäft vorzüglich und erzielt gute Ergebnisse. W enn nun eine solche Thätigkeit höheren Orts durch Verleihung von Orden usw. anerkannt wird, so ist dies leicht als eine Aufmunterung zu betrachten, der Privatindustrie weiter und tapfer Wettbewerb zu machen. Diese Anstalten, die mit Düten ein grosses Handelsgeschäft betreiben, haben der Privatindustrie gegenüber manche weitere Vortheile. Der Direktor wirthschaftet im Vollen, bezahlt seine Waare sofort, und sein Lieferant hat bei ihm, da er den Staatssäckel hinter sich hat, nicht das geringste Risiko. Er hat dadurch Gelegenheit, billigst einzukaufen. Von den Gross händlern werden die Anstalten, wo irgend möglich, vorgezogen, weil diese ihnen bei den Kleinhändlern keine Konkurrzenz machen, während die Privat-Fabriken auch mit den Verbrauchern verkehren. In anderen Gefängnissen ist die Arbeit der Gefangenen an Unter nehmer vergeben. Die Geschäfte dieser Unternehmer haben aber nicht so grosse Ausdehnung, es sind meistens Fabrikanten, die die gefertigte Waare unmittelbar an die Verbraucher vertreiben. Wenn auch diese Unternehmer stets die billigsten Lieferanten sein können, so besitzen diese Herren doch nicht alle weiteren Vortheile, die den Herren Direk toren der Staatsanstalten zu Gebote stehen. Auch diese Einrichtung ist gewiss ein Missstand und eine grosse Schädigung der ganzen Industrie, aber doch ist viel gewonnen, wenn die grossen Betriebe der Gefängnisse aufgehoben und die Arbeit der Sträflinge für eine bestimmte Vergütung an Unternehmer vergeben wird. Diese Vergütung muss aber dem ortsüblichen Tagelohn angepasst sein und darf nicht, wie es jetzt oft der Fall ist, von diesem beträchtlich abweichen. Auch muss die Arbeiterzahl für jeden Unternehmer beschränkt sein, Grossbetriebe darf es in den Gefängnissen nicht geben. Damit würde wenigstens erreicht werden, was die Besitzer von Strickmaschinen nach den Ausführungen des Herrn X. in Nr. 9 erstreben und zum Theil erreicht haben. Beschäftigungen für die Gefangenen, die die Privatindustrie weniger schädigen, werden sich bei gutem W illen‘schon finden, anderseits bin ich aber überzeugt, dass der Vorschlag des Herrn M. in Nr. 13, den Sand-, Sumpf-, und Moorboden urbar zu machen, auf grosse Schwierig keiten stossen wird, und diese Schwierigkeiten werden namentlich in der Kostenfrage liegen. Wie ist diesem Gefängnissunwesen nun energisch entgegenzutreten? Mit dem Artikelschreiben allein ist es nicht abgethan. Nach meiner Meinung nur durch Petitionen an den hohen Reichstag, und diese müssen solange wiederholt werden, bis dieselben Gehör finden. Es sei mir gestattet, einige amtliche Zahlenangaben mitzutheilen: Die Durchschnittszahl der Häftlinge in den Besserungs-Anstalten in Glückstadt und Bockeiholm ist vom 1. April 1894 bis 1. April 1895 von 1115 auf 946 Köpfe, darunter 922 Männer und 24 Frauen, die Zahl der Hafttage von 407 144 auf 345 438 und der Bestand am Schlüsse des Rechnungsjahres von 1100 auf 1042 Personen zurückgegangen. Von den am 1. April 1895 in den Anstalten befindlichen Häftlingen gehörten nur 170 der Provinz einschliesslich des Kreises Herzogthum Lauenburg an. Die Anstalt zu Glückstadt hatte eine Einnahme von 393 899 M. und eine Ausgabe von 380 023 M., Bockelholm eine Einnahme von 66 564 M. und eine Ausgabe von 71 102 M. Glückstadt beschäftigt sich ganz bedeutend mit der Düten- fabrikation. Aus obigen Angaben kann man den Wettbewerb, der der Privatindustrie gemacht wird, beurtheilen. Äusser Düten werden dort auch andere Waaren gefertigt. m. Verschwundener Verkäufer. ,17. Februar 1896. Am 1. Januar d. J. trat, von Magdeburg kommend, bei uns ein junger Mann als Verkäufer ein; wir waren mit seinen Leistungen zu frieden bis zum 12. Februar, an welchem Tage er sich plötzlich, ohne seiner Wirthin oder uns irgend einen Grund anzugeben, unsichtbar machte, und zwar auf folgende Art: Morgens früh schickte er seine Wirthin mit dem Bescheide zu uns, dass er unwohl sei; hiergegen war nichts zu machen, das kann ja Jedem passiren; als unser Verkäufer aber nach drei Tagen immer noch nicht in das Geschäft kam, gingen wir in seine Wohnung; dort erfuhren wir, dass der Vogel, als die Wirthin von der Krankmeldung nach Hause kam, sein Nest verlassen hatte, um bis heute nicht wiederzukehren; Hausschlüssel und Koffer befinden sich noch in seinem Zimmer. Wir erfuhren nun, dass derselbe viele Schreiben von der Poli zei und Staatsanwaltschaft von ausserhalb empfangen hat, und können uns sein Verschwinden nicht anders erklären, als dass er vor seinem Hierherkommen sich irgend etwas hat zu Schulden kommen lassen, wo für er jetzt die Strafe absitzt; dieser Meinung ist auch die hiesige Polizeibehörde. Wir sind durch sein Fehlen im Geschäft geschädigt, können wir denselben für diesen Schaden verantwortlich machen? Müssen wir ihm das Gehalt vom 1. bis 11. Februar, falls er sich überhaupt hierum be müht, auszahlen oder können wir ihm dies vorenthalten ? Wäre es nicht angebracht, den Namen des Verschwundenen in der Papier-Zeitung zu veröffentlichen, damit nicht noch andere Firmen auf ähnliche Art durch diesen »Verkäufer auf Reisen« geschädigt werden? St. Der Angestellte hat Anspruch auf sein Gehalt bis zum Tage seines Austritts; der Arbeitgeber kann jedoch eine Schaden- forderung für unberechtigtes Ausbleiben und Verlassen der Stellung ohne Kündigung geltend machen. Der Richter hat dann zu entscheiden, ob der Gehaltsanspruch durch die Schadenforderung ausgeglichen oder überboten wird. Durch die neuere Gesetzgebung soll Alles vermieden werden, was den Arbeitnehmer hindern könnte, auf ehrlichem Wege sein Brot zu verdienen. Die Polizei giebt deshalb keine Auskunft über erlittene Vorstrafen, und Bemerkungen in Zeugnissen, welche nicht streng den Thatsachen entsprechen und geeignet sind, die Erlangung eines andern Dienstes zu verhindern, sind unzulässig. Nach diesen Grundsätzen wäre eine Veröffentlichung des Namens in der Zeitung nur angängig, wenn ein richterliches Urtheil vorläge, welches wiedergegeben werden kann. Anders verhält es sich jedoch mit den Listen des Schutzvereins der Papier-Industrie, worin sich die Mitglieder vertraulich (nicht öffentlich) ihre geschäftlichen Erfahrungen mittheilen. Leistung von Papiermaschinen. . . . ., 8. Februar 1896. 1. Wieviel Kilogramm Packpapier kann man aus gutem Natron zellstoff bei flottem Betriebe auf einer Papiermaschine durchschnittlich in einer Doppelschicht fertigen, wenn die Papiermaschine äusser doppelten Knotenfangen, zwei Nasspressen und äusser den erforderlichen Filz trocknern fünf Trockencylinder von je 1000 mm Durchmesser besitzt, und diese Trockencylinder mit 31/2 Atm. Dampfspannung arbeiten? Die Arbeitsbreite der Maschine ist 168 cm, doch darf man im Durch schnitt nicht mehr als 150 cm rechnen, weil die Formate zu häufig wechseln. Die Dicke des Papiers wechselt von 40 g bis 200 g, meistens macht die Maschine aber Papiere von 60 g auf das Quadratmeter. Natronzellstoff trocknet bekanntlich gut. Die Maschine hat wiederholt 3500 kg Papier in einer Doppelschicht gemacht, welche Menge uns zu gering ist. Die Maschine ist im guten Zustande, daher die Erzeugung, abgesehen von aussergewöhnlichen Vorfällen, nur durch die Trocknung begrenzt. 2. Wieviel Kilogramm würde die vorstehend beschriebene Papier maschine mehr machen können, wenn in diese noch ein Trocken cylinder von 1800 mm Durchmesser mit 2 Atm. Dampfspannung gelegt würde? rn. Die Fragen lassen sich nicht beantworten, wenn man die Länge und Nummer des Siebes, die Art der angefertigten Papiere, ob leicht oder schwer, und die Leistungsfähigkeit der treibenden Kraftmaschine sowie der Maschinenführer nicht kennt. Im allgemeinen scheint es uns, dass mit einer Maschine von beschriebener Grösse und bei nicht zu dünnen Sorten mehr als 3500 kg in 24 Stunden angefertigt werden sollten. Wir meinen, dass 5000 kg Durchschnitt und bei Zufügung eines sechsten Trocken- cylinders 6000 kg nicht zu hoch bemessen wären, bitten jedoch um Aussprache. Amerikas Ausfuhr. Die Ausfuhr von Papier- und Papier- waaren aus den Vereinigten Staaten in den Monaten Januar bis November 1895 betrug um 254 789 Dollars mehr, als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Papierwaaren allein trugen zu dem Mehrertrag 72 623 Dollars bei.