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422 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 14 Fabrikgeheimniss ? . . . 7. Februar,1896. Sind die Beamten in meiner Fabrik berechtigt, bei ihrem Abgänge die von mir als »Spezialität« fabrizirten Papiermuster mitzunehmen, d. h. die im Laufe der Zeit gesammelten verschiedenen Muster mit An merkung der Holländereintragung, des Empfängers, der Mahldauer usw. als ihr Eigenthum zu betrachten, wenn sie die Muster ohne meine Erlaubniss hier in der Fabrik gesammelt haben? Ist es dabei gleich, ob die Muster schon vor mir von Anderen hergestellt wurden, wie z. B. die gestreiften und karrirten Phantasiepapiere, oder ob ich aus meiner Eigenheit, sozusagen aus meinem eigenen Wissen, neue Muster fabrizirt habe, die ich als Fabrikgeheimniss betrachte? Auf welche Weise ist es überhaupt möglich, eigens angefertigte Papiersorten vor Nachahmung zu schützen, wenn ein Patent nicht erzielt werden kann? Musterschutz gilt doch nur für Zeichnungen, nicht für Stoffmuster? s Die Beamten sind zweifellos nicht berechtigt, die Proben der Fabrik, in der sie beschäftigt sind, an sich zu nehmen, um sie später mit den zur Anfertigung nöthigen Daten vielleicht anders wo zu verwerthen. Trotzdem ist dies allgemeine Gepflogenheit und war bisher straflos, da die Gesetze zur Bestrafung nicht ge nügten. Das jetzt dem Reichstag vorliegende Gesetz gegen un lauteren Wettbewerb hat ein Verbot des Verraths von Geschäfts- und Fabrikgeheimnissen vorgesehen, doch erscheint es zweifelhaft, ob dasselbe in vollem Umfange angenommen wird. Die Gegner behaupten, dass damit den aus einem Geschäft scheidenden Be amten das weitere Fortkommen abgeschnitten oder allzu sehr erschwert würde. Von der Gestaltung des Gesetzes wird es ab hängen , ob in Zukunft solche Entnahmen wie die oben ge schilderten geahndet werden können. Blasen im Papier. ,6. Februar 1896. Ein aus Sulfitstoff mit Zusatz von Kartoffelstärke und Kaolin gefertigtes Papier hat auf dem Wege von der Fabrik zur Kundschaft (mit Bahn) die aus beiliegendem Muster ersichtlichen Blasen gezogen. Wir können uns diese eigenthümliche, noch nie beobachtete Erscheinung nicht erklären, vermuthen nur, dass vielleicht eine Art Gährung der Stärke die Ursache ist, und wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns Ihre Ansicht mittheilen würden. r Das Muster zeigt vom Rande einwärts laufende vergilbte Flecken, die von einer Menge grösserer und kleinerer Blasen bedeckt sind. Die Veränderung des Papiers dürfte durch Feuchtig keit verursacht sein; was die Blasen hervorrief, liesse sich vielleicht durch genaue chemische und mikroskopische Prüfung ergründen. 'Wir vermuthen mit Ihnen, dass dieselben einer Gasentwickelung zuzuschreiben sind, können jedoch nicht entscheiden, ob die Gährung der Stärke hierbei eine Rolle gespielt hat. Fachgenossen, die hierüber Erfahrungen haben, würden durch deren Mittheilung der Industrie einen Dienst erweisen. Wasserkläre. Zu der Frage 1115 des Briefkastens in Nr. 11 schreibt uns ein Praktiker, der die Antwort wohl ertheilen könnte, dass noch eine Reihe von Angaben dazu nöthig seien. Er fragt: Wie gross ist die Menge des zu reinigenden Wassers in der Minute oder Stunde? Bleibt der Verbrauch gleichmässig oder nicht? Welcher Art ist die Verunreinigung, ist es die gewöhnliche eines Flusses oder Grubenwassers, oder sind es Industriewässer? In welchem Um fange schwanken die Unreinigkeitsmengen im Laufe der Zeit? Welcher Grad von Reinheit wird beansprucht, für Papierfabrikation und zu welchen Sorten? Mit welchem Druck (freier Zulauf oder Pumpwerk) soll die Klärvorrichtung arbeiten? Die Bauart der Kläre, die Besetzung mit Filtermaterial und dessen Ursprung ist wohl zu überlegen. Eines eignet sich nicht für Alle! Papierfabrikation in Amerika. »The Stationery World« bringt einen Reisebericht seines Schrift leiters Herrn S. Chas. Philipps, der unter dem Namen »Up To Date« schreibt. Er gelangte diesmal auf seinen Wanderungen nach dem Westen Amerikas und fuhr von Chicago zunächst nach dem Fox River-Thal, wo er die meisten Papierfabriken besuchte. Die grösste dortige Gesellschaft,die Kimberly and Clark Company, wurde 1872 errichtet, beschäftigt etwa 1000 Leute und erzeugt beinahe alle Arten Papier. Die Leistungsfähigkeit ihrer ver schiedenen Fabriken wird im Ganzen auf 57 Tonnen Holzschliff, 22 Tonnen Sulfitstoff und 150 Tonnen Papier für jeden Werk tag angegeben. Sie benutzt dazu 18 Langsieb- und eine Cylinder- Papiermaschine; ausserdem ist die Gesellschaft bei einer Reihe anderer Fabriken am Fox River betheiligt. Vor wenigen Jahren noch wurden die Wasserkräfte des Fox River als unerschöpflich geschildert, seitdem aber hat sich gezeigt, dass sie in trockenen Jahren den an sie gestellten Ansprüchen nicht mehr genügen. Der Schifffahrts- Kanal, welcher das erste Anrecht auf das Wasser hat, giebt in solchen Zeiten nur seinen Ueberschuss an die Fabriken ab, sodass diese — wie in Holyoke — genöthigt wurden, ihre Anlagen mit Dampfkraft zu versehen. Die früher so hoch gepriesenen Vortheile der Lage mindern sich dadurch erheblich, die Fabriken brauchen für die Dampfkraft mehr Anlage- Kapital, und da Kohlen ziemlich weit hergebracht werden müssen, wird der Betrieb theurer. Wie wir schon mehrmals berichteten, liefern die in der Nähe befindlichen Wälder nicht genug Holz, und der grösste Theil des Bedarfs muss aus Kanada bezogen werden. Durch diese Umstände ist dafür gesorgt, dass auch hier die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wir haben schon mehrmals über die neue grosse Wasserkraft berichtet, welche am Abfluss des Oberen Sees Lake Superior in den Michigan-See gewonnen wird. Herr Philipps fuhr vom Fox. River aus dorthin und berichtet darüber sehr eingehend. Die Verbindung beider Seen bildet wie bei Niagara Falls die Grenze zwischen dem englischen Kanada und den Vereinigten Staaten; der Name Sault Saint Marie dieses Wasserlaufs deutet auf die französische Besiedelung Kanadas hin und wird jetzt allgemein durch »Soo« ersetzt. Die Verbindung zwischen den beiden Seen besteht aus einer Menge von Stromschnellen, welche keine Schiff fahrt zulassen. Zur Herstellung des Wasserweges sind deshalb von den Vereinigten Staaten, wie von der kanadischen Regierung auf beiden Seiten Schifffahrtskanäle angelegt worden, die zur Durchfahrt kostenfrei zur Verfügung stehen. Die Verschiffung auf den beiden Kanälen soll jährlich 20 Millionen Tonnen be tragen, d. h. dreimal soviel wie die des Suez - Kanals. Die rohe Wasserkraft des »Soo« wird auf 150000 PS geschätzt. Auf jeder Seite befindet sich eine Stadt mit Namen Sault Saint Marie und auf der kanadischen hatte der Bürgermeister zunächst 6000 Lstr. aufgewendet, um die Wasserkraft zu entwickeln. Da diese Summe nicht ausreichte, so wurde die Sache von der Gemeinde auf gegriffen, die all’ ihr Geld darin anlegte und dabei so verarmte, dass sie vor dem Konkurs stand. Herr Clergue, der seine Erfahrungen in der Holzschleiferei zu Penobscot in Maine gemacht hat und von dort schon Holzschliff nach England lieferte, suchte damals einen geeigneten Punkt zur Anlage einer grossen Stoff- und Papier-Fabrik und kam nach Sault Saint Marie. Er erwarb die dort gemachten Vorarbeiten, auf welche bereits 55000 Pfund Sterling verwendet waren, und die kanadische Regierung verlieh seiner Gesellschaft 70 Quadrat- Meilen Papierholz-Wald und Wasserrechte, welche auf 30000 PS geschätzt werden. Die Kapitalisten aus Philadelphia, welche Clergue’s Lake Superior Power Co., jetzt Sault Saint Marie Pulp and Paper Company bilden, sollen gewillt sein, bis zu zwei Millionen Pfund (25000000 M.) in das Unternehmen zu stecken. Die bereits fertig gebaute Schleiferei hat 22 Schleifsteine, deren jeder 350 bis 400 PS verbraucht und täglich 6 bis 7 Tonnen Holzschliff liefern soll. Im Ganzen will man täglich etwa 100 Tonnen Holzschliff erzeugen. Zu den Schleifern gehören 18 Abpressmaschinen und Knotenfänge. Die Gesellschaft ist auch mit Errichtung einer Fabrik zur Erzeugung von etwa 50 Tonnen Sulfitstoff täglich beschäftigt, so wie mit dem Bau von zwei Papierfabriken, von je 100 Tonnen Leistung. Zunächst sollen zwei Papiermaschinen von 160 und 136 Zoll Breite aufgestellt werden, die man von The Pusey & Jones Co. in Wilmington, Del., oder aus England beziehen will. Das in den Wäldern der Gesellschaft gefällte Holz wird zu Wasser bis an die Fabrik gebracht und soll dort etwa 2 Dollars (8 M. 50 Pf.) das Cord, etwa 2 M. das cbm kosten. Die Waare kann zu Wasser nach Europa verschifft oder durch die kanadische Pacific-Eisenbahn, welche ihre Geleise bis in die Fabrik gelegt hat, verfrachtet werden. Dieselbe Gesellschaft hat auch die Wasserkräfte auf der amerika nischen Seite von der Stadt Sault Saint Marie erworben, deren Ausbau von der Saint Marie Wood Fibre Company begonnen wurde. Dort sollen 40000 PS entwickelt werden, wozu ein Kanal von einer halben englischen Meile Länge aus Felsen gesprengt werden muss. Abkühlung warmlaufender Wellen. Zum Abkühlen warm- laufender Wellen wird vielfach Schwefelblüthe benutzt. Nach Daelen vertheilt sich die Schwefelblüthe äusserst fein und wirkt als rollendes Mittel. Nach Lentz ist den Lokomotivführern die Anwendung von Schwefelblüthe beim Warmlaufen der Achsen untersagt. Es bildet sich Schwefeleisen, welches bei der Arbeit weg geschliffen wird, sodass die Lagerhalsstellen geschwächt werden.