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Faserstoffe. In Nr. 100 v. Jahrgs. der Papier-Zeitung, S. 3191, findet sich in dem mit Ph. unterzeichneten Artikel über Faserstoffe die nachfolgende gegen den Unterzeichneten gerichtete Bemerkung: Prof. Hartig entwarf bereits vor einem Jahrzehnt ein schauriges Bild von dem »Zurückgehen des Sulfitstoffes«; der Stoff lagerte mehrere Monate, seine Dehnung ging mehr und mehr zurück, und mit Schrecken dachte Jeder an das Ende dieses Prozesses. Diese befremdliche Bemerkung könnte den heutigen Lesern dieser Zeitung leicht eine falsche Vorstellung von den Absichten geben, die mich bei meinen gelegentlichen Untersuchungen über die Eigenschaften des Papiers geleitet haben. Auf meinen Wunsch gelangt daher der im Jahrg. 1895, S. 582, enthaltene Aufsatz über Sulfit-Zellstoff-Papier, auf welchen sich jene Bemerkung bezieht, zum nochmaligen wörtlichen Abdruck: Der Sulfit-Zellstoff gilt als ein Papier-Rohstoff ersten Ranges; er verleiht dem Papier Festigkeit und Zähigkeit zugleich. Man hat jedoch zu bemerken geglaubt, dass Papiere, welche viel Sulfit-Zellstoff ent halten, im Laufe der Zeit erheblich und stärker als andere Papiere in diesen Eigenschaften zurückgehen. Am deutlichsten müsste die Erscheinung hervortreten, wenn man Papierblätter, die aus reinem Sulfit-Zellstoff bestehen, in gewissen Zeit räumen auf Festigkeit und Zähigkeit untersuchen würde. Durch die Güte des Herrn Schubert, Direktor der Dresdner Papierfabrik, wurde ich am 21. Mai 1884 in den Besitz mehrerer solcher, aus der Bütte ge schöpfter, ungeleimter Blätter aus reinem Sulfit-Zellstoff gesetzt, von denen je ein Bogen nach einem Monat (im Juni 1884), nach sieben Monaten (im Dezember 1884) und nach zehn Monaten (im Februar 1885) der Untersuchung unterworfen wurde. Die Aufbewahrung der Proben geschah in einem ungeheizten Sammlungszimmer und unter Abschluss des Lichtes. Das Papier zeigte ein Gewicht von 151 g das qm und einen Aschengehalt von 2,22 pCt., eine gelbliche Farbe, ein hornartiges Durchscheinen und einen pergamentähnlichen Griff. Zu jeder Unter suchung wurde ein Bogen des Papiers verwendet, der in Streifen von 30 bis 40 mm Breite zerschnitten wurde; die Länge derselben stellte sich im Zerreissapparat auf 300 mm. An den hierbei erhaltenen Dia grammen fiel zunächst deren grössere Völligkeit auf, die verzögerte Ab biegung der Arbeitslinie gegen die Bruchgrenze hin. Während sonst der Völligkeitsgrad der mit Papier des verschiedensten Ursprungs erhaltenen Diagramme zu 0,67 angenommen werden kann, stieg er hier auf den Betrag von 0,75 an, d. h. die von der Bruchdehnung, der Bruchspannung und der eigentlichen Diagrammlinie umgrenzte Fläche ist 0,75 von der Fläche eines umschriebenen (aus Bruchdehnung und Bruchspannung gebildeten) Rechtecks. Die Mittelwerthe der nach den bekannten Regeln (s. Papier- Zeitung 1880 Nr. 11) bei einer Lufttemperatur von 8 bis 16° C. und einer relativen Feuchtigkeit der Luft von 60 bis 66 pCt. ausgeführten Versuche der auf verschiedene Zeiten fallenden drei Untersuchungen sind in nachfolgendem Täfelchen zusammengestellt: Nach 1 Mon. 7 Mon. 10 Mon. Festigkeit (Reisslänge) .... 3,25 Zähigkeit (Bruchdehnung). . . 6,21 Zerreissungsarbeit in mkg auf 1 g 0,151 3,43 3,65 km 3,87 1,36 pCt. 0,100 0,036 Hiernach zeigt das frische (jedoch lufttrockene, und zwar langsam an der Luft getrocknete) Sulfitstoff-Papier eine Festigkeit und Zähigkeit, welche nach den von mir früher aufgestellten Normen (Papier-Zeitung 1881, Nr. 3) die entsprechenden Eigenschaften des besten harzgeleimten Ur kundenpapiers noch übertreffen; die Zerreissungsfestigkeit erfährt sogar im Laufe der Zeit eine geringe Zunahme (im Betrage von 12,3 pCt. in zehn Monaten), welche jedoch durch die gleichzeitige, sehr viel stärkere Abnahme der Zähigkeit (78,6 pCt.) mehr als ausgeglichen wird, sodass schliesslich die auf die Gewichtseinheit bezogene Zerreissungsarbeit von 0,151 mkg auf 0,036 mkg zurückgeht, also in zehn Monaten auf 24 pCt. des Anfangwerthes sich abmindert; das Papier wird fester, aber zugleich spröder, seine in Arbeitseinheiten gemessene Widerstands fähigkeit gegen Zerreissen sinkt von derjenigen eines guten Urkunden- papieres unter die eines guten Konzeptpapieres herab. Von demselben Sulfit-Zellstoff waren auch einige Bogen geschöpft worden, nachdem man in die Bütte einen Zusatz von Gips (14,2 pCt. des lufttrocken gedachten fertigen Papiers) hinzugefügt hatte, sodass der Aschengehalt von 2,22 auf 16,4 pCt. sich erhöhte. Dieser Zusatz von mineralischem Füllstoff verminderte an dem frischen, jedoch luft trockenen, ungeleimten Papier (Gewicht das qm 161 g): die Reisslänge (Festigkeit) von 3,25 auf 2,47 km, also um 24,0 pCt.; die Bruchdehnung (Zähigkeit) von 6,21 auf 5,15 pCt., also um 17,1 pCt; den Arbeitsmodul von 0,151 auf 0,095 mkg das g, also um 37,1 pCt., womit sich die schon früher in diesem Blatte (Nr. 11. 1883) mitge- theilten Wahrnehmungen neuerdings bestätigen. Auch hier machte sich der Einfluss der Zeit durch eine mässige Zunahme der spezifischen Festigkeit und eine stärkere Abminderung der Zähigkeit bemerklich, wie die folgende Zusammenstellung der ge wonnenen Mittelwerthe erkennen lässt: Nach 1 Mon. Reisslänge 2,47 Bruchdehnung 5,15 Arbeitsmodul der Zerreissung . 0,095 7 Mon. 10 Mon. 2,91 2,99 km 4,96 1,55 pCt. 0,108 0,035 mkg auf 1 g. Es zeigt hier die letzte Zahlenreihe insofern eine Abweichung, als die spezifische Zerreissungsarbeit einen Maximalwerth durchläuft, um nach weiterem Liegen des Papiers bis unter den für das frische Papier giltigen Anfangswerth herabzusinken. Doch will ich nicht die Mög lichkeit eines Irrthums an dieser Stelle bestreiten: man operirt bei solchen Versuchen, deren Vollendung die gänzliche Zerstörung jeder Probe bedingt, nicht mit dem gleichen Versuchs-Individuum, und bei mehreren nacheinander geschöpften Bogen können wohl merkliche Ab weichungen in der Struktur, dem Verfilzungsgrade usw. auftreten. Gleichwohl halte ich die vorgeführten Zahlenwerthe für zuverlässig genug, dass man von der zeitlichen Zunahme der Zerreissungsfestigkeit und der gleichzeitigen stärkeren Abnahme der Zähigkeit auch bei Gegen wart mineralischer Füllstoffe überzeugt sein darf. Man wird sich vor zustellen haben, dass im Laufe der Zeit (vielleicht unter dem Einflüsse einer noch weiter vorschreitenden, wenn auch langsamen Austrocknung) die Zellstoff-Fäserchen dichter aneinander rücken und damit deren Adhäsion, also Molekular-Attraktion, zunimmt, womit denn (etwa wie beim Hartschlagen des Messings) die Abnahme der Zähigkeit Hand in Hand zu gehen pflegt; auch chemische Vorgänge im Innern und an der Oberfläche der Fasern mögen mitwirken. Es taucht die weitere Frage auf, ob und in welchem Betrage bei anderen Papier-Rohstoffen solche zeitlichen Aenderungen der Festigkeits- Eigenschaften sich einstellen. Sollten mir geeignete Proben zugestellt werden (mit genauer Angabe des Tages der Herstellung und des Ur sprungs des verwendeten Stoffes), so würde ich dieser Frage weiter nachgehen unter entsprechender (im vorliegenden Falle leider unter bliebener) Rücksichtnahme auf Dicke, relative Dichte und Wassergehalt des Papiers. Für den Werth der verschiedenen Papiermaterialien dürfte die Konstanz, die Stabilität der daraus gebildeten Faser-Aggregate, die sich schliesslich in den Festigkeits-Eigenschaften sehr schön ausspricht, von erheblichem Belang sein. Es kann dem Leser überlassen werden, zu beurtheilen, ob hier ein »schauriges Bild von dem Zurückgehen des Sulfitstoffes« oder nur der unbefangene Bericht über eine im Interesse der Wahr heit durchgeführte Untersuchung vorliegt; dass meiner Unter suchung ein Papier zu Grunde lag, das nur Sulfitstoff enthielt und zwar ungebleichten und ungeleimten, dass ich eine Zunahme der spezifischen Festigkeit im Laufe der Beobachtungszeit feststellte, hat der ungenannte Beurtheiler meiner Untersuchung anzuführen unterlassen. Der Unterzeichnete gedenkt übrigens demnächst eine über den Zeitraum von acht Jahren sich erstreckende Untersuchung über sulfitstoffhaltige Papiere zu veröffentlichen, welche die allmälig eintretende Abminderung der Zähigkeit solcher Papiere aufs Neue und für eine längere Beobachtungsdauer bestätigen. Dr. Hartig. Papierprüfung in Italien. In der Rivista delle Biblioteche e degli archivi 1895 ver- öffentlicht Dr. Ermanno Loevinson, Staatsarchivar in Rom, einen längeren Artikel über die Nothwendigkeit der Verbesserung der bei den italienischen Behörden gebrauchten Papier- und Tinten sorten. Als bestes System wird das preussische empfohlen, wobei der Verfasser noch darauf hinweist, dass auch in Frankreich die preussischen Bestimmungen Eingang gefunden haben. Etwas befremdlich klingt die Bemerkung des Verfassers, dass der Sand, welcher vielfach zum Trocknen der Schrift benutzt wird, unter Umständen sehr schädlich auf die Schriftzüge ein wirken soll; er verlangt deshalb, dass die Regierung bei Fest setzung von Tintennormalien auf diesen Punkt thunlichst Rück sicht nehmen und Gutachten über die Brauchbarkeit der ver schiedenen Sandsorten einholen soll. Auch für die Notare will Verfasser die Verwendung der Tintenklasse I vorgeschrieben und den Gebrauch schädlichen Streusandes untersagt wissen. (Nach W. Herzberg in »Mitth. a. d. K. techn. Versuchsanst«.) Norwegens Wälder sind in rascher Abnahme begriffen. Der ungeheure Verbrauch an Papier- und Bauholz hat das holz erzeugende Gebiet ungemein vermindert, sodass die Staatsmänner Norwegens um den Bestand ihrer Wälder, die Grundlage ihres Wohlstandes, besorgt sind. Es wurde unlängst eine königliche Kommission eingesetzt, um diese Umstände zu prüfen; das Ergeb niss war ziemlich traurig. Es zeigte sich nämlich, dass die Menge des gefällten Holzes die des Nachwuchses um jährlich drei Millionen Kubikmeter übersteige. Wird den Privatforsten die Raubwirthschaft nicht verboten, so werden die Wälder Norwegens, die jetzt noch 24,5 pCt. der Gesammtfläche einnehmen, in ab sehbarer Zeit ausgerottet sein.