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2392 PAPIER-ZEITUNG. Mr. 76 dem flachen Auflegen nicht forderlich, weil der Draht die einzelnen Blätter zu hart aufeinander presst und die zur Beweglichkeit nöthige Elastizität nicht gewährt. Bei dickem Büchern über 15 Bogen Inhalt ist dies nicht mehr so bemerkbar, da dicke Bücher an sich grössere Neigung zeigen, aus der Decke heraus zutreten und flach aufzufallen. Leinenbände sollte man eigentlich nicht beschneiden, sondern sie wie Leinen-Broschüren behandeln. Diese Behandlungsweise wird jedoch in Deutschland schwer Eingang finden. Dagegen dürfte eine abweichende, dem Charakter des Leinenbandes mehr entsprechende Schnittverzierung durchzuführen sein, indem man sich entschliesst die Schnitte an hierfür geeigneten Büchern künftig nicht mehr zu marmoriren, sondern sie entweder ganz weiss zu lassen, oder nur die obere Schnittfläche zu färben und zu glätten, vielleicht auch zu vergolden, um das Eindringen des Staubes zu verhüten. Ungefärbte Schnitte machen, wenn die Decke eine helle Modefarbe zeigt, meist einen guten, dem Leinen bande ganz entsprechenden Eindruck. Nur zu dunkeln Decken sollte man einfach gefärbte Schnitte anwenden. Das Abpressen kann bei dünnen Büchern ganz unterbleiben. Man macht die Rücken rund, leimt sie in diesem Zustande und überklebt sie mit einem Gazestreifen, dessen überstehende Seiten streifen nach hinten umgebogen und scharf am Falz abgeschnitten werden. Dickere Bücher presst man ab, reibt aber nur einen sehr schmalen Falz von höchstens 1 mm Höhe an. Das Ueberkleben findet ebenfalls mit Gaze statt, vorausgesetzt, dass nicht schon auf durchgehende Gaze geheftet wurde, in welchem Falle selbst verständlich ein Ueberkleben unstatthaft ist. Die zum Einhängen der Decke dienende Papierhülse muss bei diesen Bänden wegfallen; sie verdickt nur den Rücken unnütz und erschwert das flache Auflegen des Buches, ohne zur Haltbarkeit beizutragen. Das Buch lässt sich auch ohne Hülse ganz gut in die Decke hängen. Glaubt man beim Einhängen die Hülse oder einen Ersatz nicht entbehren zu können, so wähle man als Ersatz am besten zwei kleine Leimtüpfchen, die man je oben und unten am Buchrücken anbringt und auf welche man den Deckenrücken leicht anklebt. Oeffnet man nach dem An pappen des Vorsatzes das Buch in der Mitte und legt es flach auf, so platzt der locker angeklebte Deckelrücken wieder vom Buchrücken ab, und man hat mit den Leimtupfen dasselbe erreicht, was man mit der an sich ganz haltlosen Papierhülse erstrebt, nämlich das Einhängen zu erleichtern. Denn dass die dünne Papierhülse nichts zum Halt beiträgt, weiss jeder Fachmann. Die Verbindung zwischen Buch und Decke beruht einzig auf den Bünden und den am Buche angehefteten Gaze- oder Leinen- falzen, deren Haltbarkeit die Dauer des Leinenbandes bedingt. Zu den Deckeln wählt man dünne, biegsame Schrenzpappe, die jedoch aus gutem, zähem Stoff bestehen muss. Beim Deckel machen ist grosse Sorgfalt nöthig, da der Kaliko infolge des Hin- und Herbiegens der geschmeidigen Deckel der Gefahr des Ab platzens mehr ausgesetzt ist als bei starken Deckeln. Die Kanten der Deckel macht man so klein, dass sie nur wenig über den Buchschnitt vorstehen. Es ist rathsam, die Ecken abzurunden, wodurch das Buch an Handlichkeit und nettem Aussehen gewinnt. Werden die Bücher mit schmiegsamen Deckeln sorgfältig gearbeitet, so besitzen sie neben ihrer handlichen, leichten Form auch grosse Haltbarkeit. Sie sind der Gefahr des Herausbrechens aus der Decke nicht annähernd so ausgesetzt wie Leinenbände mit dicken Deckeln. Stehen sie im Bücherregal, so findet bei dicken, schweren Büchern wegen der geringen Breite der Deckel kanten der untere Schnitt — sobald er sich etwas senkt — seinen Stützpunkt direkt auf dem Bücherbrett. Bei dicken Deckeln mit breiten Kanten dagegen schwebt der Buchblock in der Luft und zieht mit seinem ganzen Gewicht am Verbindungsfalze, der bekanntlich bei Leinenbänden nicht von allzugrosser Festigkeit ist. Auch beim Aufschlagen des Buches strengen schwere Deckel den Verbindungsfalz mehr an als leichte Deckel. Geschmeidige Lederbände werden auf dieselbe Art gearbeitet wie Leinenbände. Um eine festere Verbindung zwischen Buch und Decke zu erzielen, empfiehlt es sich jedoch, zwei dünne Schrenzdeckel, zwischen welche man die Buchbünde befestigt, zu einem Deckel zusammenzukleben und den Leder-Einschlag über beide hinwegzuschlagen. Man setzt zu diesem Zweck den untern Schrenzdeckel ebenso an wie Halbfranzbände auf tiefen Falz, macht mit den obern Schrenzdeckeln die Lederdecke, vergoldet diese und hängt dann das Buch mit den schon befestigten untern Deckeln in die Lederdecke ein. Das Einschlagen des Leders erfolgt erst nach dem Einhängen in die Decke, auch ist es nöthig, die Schrenzdeckel vorher in genauer Grösse zuzuschneiden. G, Miniaturmalerei. Die Kunstschreiber der Erfindung der Buchdruckerkunst, denen die Herstellung von Dokumenten, Erlassen und andern Schriftwerken oblag, bemühten sich, diesen durch farbig gemalte Initialen, Ornamente und Bilder Leben und Bedeutung zu verleihen. Unsere Bibliotheken bewahren viele dieser Manuskripte als Kunstschätze. Der Name »Miniaturen« wird vielfach mit Kleinmalerei übersetzt, er leitet sich aber her von der ursprünglich als einzige Auszeichnung der Schriften benutzten rothen Farbe (minium, d. i. Mennige). Unsere Abbildung ist einer Miniaturmalerei nachgezeichnet, die im Germanischen National-Museum in Nürnberg aufbewahrt wird; sie stammt aus einem Initial-Werke des 12. Jahrhunderts. Zu jener Zeit brach sich in der Buchmalerei, die ihre Motive bis dahin lediglich der Kirchengeschichte entnommen hatte, eine neue Richtung Bahn auf Grund nationaler Ueberlieferungen. Das Ornament der Miniaturen zeigt von da an häufig Thierformen, Götter- und Heldengestalten aus der deutschen Sage; unser Bild ist dafür ein Beispiel. Auch nach Erfindung der Buchdruckerkunst behielt die Miniatur malerei Platz und Rang. Im Druck wurden bei bessern Werken die Plätze für Initialen und Verzierungen frei gelassen und später von Buchmalern ausgefüllt. Noch bis ins 16. Jahrhundert hinein leiten die vorhandenen Spuren der Miniaturmalerei, dann wurden an ihrer Stelle Holzschnitte eingedruckt, später, nach Entartung des Holzschnittes, Kupfer. Heute benutzt man zu gedachtem Zwecke gegossene Initialen, klischirte Leisten und dergl., die von den Schrift giessereien in jeder Grösse und Stilart geliefert werden. Die Miniaturen waren meist Federzeichnungen, die mit lebhaften Farben ausgefüllt wurden. In der Anwendung voller, leuchtender Farben waren die Alten Meister, während ihre Epigonen nervös und schreckhaft geworden sind und mit Vorliebe die Farbe des Staubes wiedergeben, der alles Leben tödtet. Man hat mehrfach versucht, die alten Drucke zum Vorbilde zu nehmen, indem man sie kopirte mit allen Schwächen und Fehlern; eine »altdeutsche Richtung« kam vor Jahren auf und hat sich besonders in der Kunststadt München behauptet, auch in Mittel- und Nord deutschland sind einige Druckereien vorwiegend auf diese Druck ausstattung eingerichtet. Sollten nicht auch die Miniaturen Wieder belebung verdienen? H. II.