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18S2 PAPIER-ZEITUNG. Mz. 74. Bei der Wahl einer Marke kommt es weniger darauf an, dass sie architektonisch, malerisch oder ästhetisch schön sei, sondern darauf, dass die Marke eigenartige einfache, in die Augen springende Merkmale enthält. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass die Marke unter Umständen gewisse Beziehungen zu der Waare, dem Namen oder dem Wohnort des Anmelders aufweisen darf; z. B. lässt sich der Name »Holzapfel« durch die Darstellung eines Stückes Holz und eines Apfels verkörpern. Eine besonders undeutliche Marke wird immer diejenige sein, die viele Merkmale enthält; so wird z. B. eine Reihe von Medaillen für das kaufende Publikum kein Merkmal sein. Für die Papierfabrikation sollten nicht, wie ich vielfach bemerkt habe, verschwommene, sondern möglichst lineare Markenbilder gewählt werden. (Redner giebt eine Reihe solcher einfacher Markenbilder zur Ansicht herum.) Wie das Gesetz wirken wird, kann man natürlich noch nicht voraussagen, ich bin aber der Ansicht, dass ein erheblich kräftigerer Schutz als früher zu erwarten steht. (Beifall.) An diesen Vortrag schloss sich eine lebhafte Besprechung. Kommerzienrath Klingenberg: Ich muss meinem Bedauern Ausdruck geben, dass seitens der Behörde eine authentische Inter pretation des Ausdrucks »Phantasiewort« bisher nicht gegeben ist. Was ist darunter zu verstehen, wo fängt die Phantasie an, wo hört sie auf! Das hat wesentlichen Einfluss auf einen Zweig des Papierfachs, auf die lithographische Industrie, soweit sie für das Tabakgewerbe arbeitet. Als wir im vergangenen Jahr dem Drange der Noth folgend uns vereinigten, um Stellung gegen die Tabakfabrikatsteuer zu nehmen, zeigte sich das überraschende Ergebniss, dass sehr viele Millionen in diesem lithographischen Nebengewerbe angelegt sind. Nun ist die Ansicht laut geworden, dass Cigarren-Etiketten, die bisher im allgemeinen Verkehr gewesen sind, verboten werden können, weil sie Phantasie-Namen tragen. Ob dies richtig ist, weiss ich nicht, meine aber, man müsste alle bisher offenkundigen Namen nach wie vor im all gemeinen Verkehr lassen und sie als Freizeichen betrachten. Das Wort »Krone« wird man nicht als Phantasiewort ansehen, wohl aber könnte ein fremdsprachiger Ausdruck wie »la corona« als Phantasiewort betrachtet und in der Folge für die Marke unter sagt werden. Dies würde die betreffenden lithographischen Geschäfte gewaltig berühren. Die Etikettenfabriken haben grosse Vorräthe lagern und würden vollständig festsitzen, wenn den Cigarren-Fabrikanten untersagt würde, Cigarren mit solcher Marke in den Handel zu bringen. Wir müssten daher an den Bundes- rath die Bitte um authentische Interpretation des Ausdrucks »Phantasiewort« richten. Herr Loubier: Dieselben Schmerzen sind bereits auch von andern Vereinen und Personen zum Ausdruck gebracht worden. Es giebt darauf aber nur die einzige Antwort: »Wir müssen es abwarten.« Im Gesetz selbst kommt der Ausdruck Phantasie wort garnicht vor, es sagt nur, was nicht erlaubt ist. Die Motive des Gesetzes und die Reichstags-Verhandlungen geben zwar eine gewisse Richtschnur, binden jedoch die Gerichte nicht unbedingt. Der Bundesrath kann dazu garnichts thun, und das Patentamt noch viel weniger. Die Industrie muss aufpassen, namentlich auf diejenigen Marken, die in nächster Zeit fluthartig hereinbrechen werden, nöthigenfalls Einspruch erheben und eine Entscheidung herbeiführen. Klingenberg macht darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung » Phantasiewort« in einem Schreiben des Patentamts gebraucht sei. Hofmann: Die Behörde hat an sämmtliche Handelskammern Deutschlands und sämmtliche Vereine, deren sie habhaft werden konnte, das Verlangen gerichtet, alles einzusenden, was als Frei zeichen zu gelten habe. Infolgedessen ist eine Unmenge älterer Zeichen eingegangen; diese Zeichen werden sorgfältig gesammelt, registrirt und, wenn nothwendig, zur Einsicht vorgelegt. Jeder Interessent sollte Einsicht in diese Liste nehmen. Dagegen kann das Patentamt selbst garkeine vorgreifende Entscheidung fällen, es kann nur immer über den einzelnen Fall entscheiden. Gutachten darf es an Private überhaupt nicht abgeben. Es ist aber dafür gesorgt, dass jeder Fehler beseitigt werden und jedes zu Unrecht eingetragene Zeichen auf Antrag gelöscht werden kann. Besser ist es allerdings, wenn der Interessent dafür sorgt, dass es gar nicht in die Rolle kommt. Die Zeichen, die jetzt schon, vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, offenkundig und ohne eingetragene Marken zu verletzen, benutzt werden, können nach meiner Meinung durch spätere Eintragungen nicht beeinträchtigt werden. Der Vorsitzende erklärt sich gegen eine Eingabe an den Bundesrath, die zwecklos sein würde, spricht sich aber dafür aus, dass auch in der Papier-Industrie die Zeichen gesammelt werden, die als Freizeichen zu gelten haben. Verschiedene Aufrufe in der Papier-Zeitung seien bisher auf grosse Gleichgiltigkeit gestossen. Auf eine Anfrage des Herrn Qoldschmidt, ob es nach dem neuen Gesetz gestattet sein würde, in Berlin fabrizirte Cigaretten in den Handel zu bringen, welche die Aufschrift » Egypte « führen, erwidert Kommerzienrath Klingenberg, dass dies nach den Motiven des Gesetzes gestattet sein würde, da Bezeichnungen wie »Egypte« oder »Ture« weniger die Herkunft als eine bestimmte Art der Waare bezeichnen sollen. Die Versammlung beschliesst, den Vorstand zu ermächtigen, wenn erforderlich, eine Eingabe an das Patentamt zu machen, worin die Freizeichen der Papier-Industrie aufgeführt sind. Der Vorsitzende spricht Herrn Loubier für seinen interessanten Vortrag den Dank der Versammlung aus. 5. Gemeinsame Vertretung der Mitglieder durch den vom Verein angestellten Rechtsanwalt. Rechtsanwalt von Holtzendorff: Die Theil- nähme an dem Rechtsschutz hat sich von Jahr zu Jahr wesentlich vermehrt. Während in den ersten Jahren im Durchschnitt 100 bis 400 Klagesachen von Mitgliedern an mich kamen, die sich auf 50 bis 100 Firmen vertheilten, kann ich heute mittheilen, dass die Zahl der mir zugehenden Sachen seit der letzten Generalversammlung aut 974 gestiegen ist, an denen 200 Firmen betheiligt sind. Von diesen 974 Fällen sind durch Urtheil 550, durch Vergleich 20 erledigt, und 306 schweben noch. In 54 Fällen wurde Rath ertheilt, ohne Beschreitung des Rechtsweges wurden durch gütliche Vermittelung beigelegt 23 Fälle, Auslandssachen wurden in 21 Fällen über wiesen. Von den Prozessen entfielen auf Amtsgerichts-Sachen (bis zu 300 M.) 3/4, auf Landgerichts-Sachen */ 4 ; auf Berlin 1/3, auf das übrige Deutsche Reich 2/3. In der abgelaufenen Geschäfts periode sind unter Abzug der an das Gericht zu stellenden Anträge, nach unten abgerundet, 10000 Briefe geschrieben worden. Seit kurzem ist zur dauernd schnellen und prompten Abwickelung für die Vereinssachen eine besondere Registratur eingerichtet worden. Ich habe mich auch mit einem Kollegen associirt, und glaube hoffen zu dürfen, dass durch diese Neuerungen den Vereins- Angelegenheiten eine weitere Förderung zu theil wird. Ein Mitglied beklagt sich über mangelhafte Prozess-Vertretung durch den Vorredner. Hofmann hat eine Umfrage an alle Mitglieder gerichtet, welche die Rechtshilfe benutzten und bringt das zusammen gestellte Ergebniss zur Kenntniss: Von etwa 100 eingegangenen Briefen, die zur Einsicht vorliegen, drücken 72 ihre Zufrieden heit über die rasche und kräftige Erledigung der Prozesse aus; 6 sind zum Theil unbestimmt, zum Theil lobend. Einer schlägt vor, den Mitgliedern die Benutzung der Rechtshilfe als Pflicht aufzuerlegen, damit der Rechtsanwalt durch die Konzen tration in seiner Hand die Schuldner kennen lerne und mehr Einfluss auf dieselben gewinne. Ein anderes Mitglied ist entgegen gesetzter Ansicht und hält die Vereinigung der Klagen in einer Hand für schädlich. 8 Mitglieder klagen über zu wenig energische Betreibung und darüber, dass sich der Vereins-Rechtsanwalt zu häufig vertreten lasse. Einer beschwert sich, dass Herr von Holtzen dorff die Klage gegen ein anderes Mitglied (welches schon sein Mandant war) nicht annehmen wollte. Einer war zufrieden, beklagt sich aber, dass er als Mitglied Kostenvorschuss erlegen musste. (Wer sollte denselben aber für ihn bezahlen? Dem Anwalt und der Vereinskasse kann es nicht zugemuthet werden.) Nur zwei wollen den Anwalt fernerhin nicht mehr benutzen. Da die Zahlen so sehr zu Gunsten der Rechtshilfe sprechen, so beschliesst die Versammlung, keine Aenderung daran vor zunehmen. 6. Vertretung bei Konkursen durch den deutschen Kreditoren- Verband. Der Direktor des deutschen Kreditoren-Verbands, Herr Max Gottschalk führt dazu aus: Die Betheiligung der Mitglieder an unserer Einrichtung hat in den letzten Jahren wesentlich abgenommen; die Benutzung unseres Instituts durch den Verein ist gegenwärtig verschwindend gering. Im Jahre 1893 haben wir 71 Anmeldungen gehabt, die bei 65 Konkursen betheiligt waren, im Jahre 1894 34 Anmeldungen bei 28 Konkursen. Durch Einsicht in die Gläubiger-Listen habe ich häufig feststellen können, dass Vereins mitglieder an Konkursen betheiligt waren, sich aber nicht gemeldet haben. Die Benutzung unseres Instituts liegt im Interesse jedes Mitgliedes, denn der einzelne Gläubiger ist im Konkurse machtlos, in vielen Fällen kann gegenüber den Forderungen von Verwandten und Freunden nur der Verband durch die Summe von Vertretungen mit Erfolg auftreten. Unser Verband kann in dieser Beziehung grosse Erfolge aufweisen, er hat im vergangenen Jahr etwa 2400 Angelegenheiten erledigt. Er übt auch nach andern Richtungen weitgehenden Einfluss und hat z. B. den Erlass einer Novelle zur Konkurs-Ordnung betreffend das Miethsrecht des Vermiethers veranlasst. Die Regierung hat sich für die Revision der Konkurs- Ordnung wiederholt mit dem Verband in Verbindung gesetzt.