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Nr. 73 PAPIER-ZEITUNG. 2823 gerade solche Sachen ihren Lesern durch Wort und Bild vorzuführen, und neue Namen und Ideen mit kräftiger Hand auf den Markt zu werfen. Dass dabei in erster Linie auswärtige Schöpfungen in Frage kommen, darf nach den oben geschilderten klassizistischen Neigungen der Mehrzahl aller deutschen Autoritäten nicht eben Wunder nehmen. Dazu kommt noch, dass in jüngster Zeit in Amerika und besonders in England gerade auf dem Gebiete der äussern Buch-Dekoration künstlerische Kräfte in bahnbrechender Weise hervorgetreten sind. Mit schöpferischer Kraft und praktischem Scharfblick haben diese Leute die Wege gewiesen und thatkräftig betreten, welche unsere Zierkunst aus den gegenwärtigen verworrenen Zuständen heraus es hat auch in Deutschland nicht an Stimmen und an berufenen Leuten gefehlt, welche wohl imstande gewesen wären, die deutsche Liebhaber-Buchbinderei (und nur von dieser ist hier die Rede) in die richtigen Wege zu leiten. Ich erinnere hier nur an Schwindrazlieim’s »Beiträge zu einer deutschen Volkskunst«. Es hat auch nicht an Versuchen Einzelner gefehlt, und auch ein Theil der Fachpresse ist von der Nothwendigkeit eines Front wechsels durchdrungen. Noch fehlt es aber an der ziel- und zweckbewussten Zusammenfassung dieser zerstreuten Kräfte und Bestrebungen, an der Zuweisung würdiger Aufgaben nach dieser Richtung hin. Die Erkenntniss, dass eine neue Zeit zu Fig. 1. Fig. 2. führen kann. Und wie in den Tagen, Maioli’s Grolier’s, de Thou's , sind es auch heute wieder Liebhaber und Künstler, welche, weil sie in den Kreisen der zunftmässig geschulten Fachleute kein Verständniss für ihre Ideen fanden, selbst Goldmesser und Stempel zur Hand nahmen. Betrachten wir die vorstehenden Abbildungen zweier Original bände, welche dem Wettbinden der Firma »At the Caxton Head« (s. Nr. 57) ihre Entstehung verdanken. Der erste ist englischen, der zweite schwedischen Ursprungs, bei beiden zeigt sich reizvolle Eigenart, und beide sind ein Beweis für die Wahrheit des oben Gesagten. Die gewiss sorgsam abgestimmte Farbengebung der Decke lässt sich aus diesen Abbildungen allerdings nicht erkennen, umso mehr kann man sich an der Einfachheit und Klarheit der Zeichnung erfreuen, welche den Inhalt des Buches in trefflicher Weise charak- terisirt. Da ist nichts von jener Motiven-Anhäufung unserermodernen Kompositionsdecken, in denen das Auge hilflos umherirrt, auch nichts von jenen ängstlich abgezirkelten Rankenfüllungen, deren ursprünglich freier Linienfluss zu leblosem Zierwerk versteinert ist, zwanglos und harmonisch fügt sich Blatt an Blatt, ohne des wegen eine gewisse Ordnung- vermissen zu lassen, welche die Förderung einer gleichmässigen Raum-Ausnutzung erheischt. Ebenso klar und übersichtlich wie die Anordnung des Ganzen ist der Hinweis auf den Inhalt, den man auch ohne das Schrift band auf dem schwedischen, und ohne die rebusartig eingestreuten Buchstaben auf dem englischen Bande beinahe aus dem Aeussern allein zu errathen vermag. Dieser Hinweis auf den Inhalt des Buches, welcher im Aeussern der Decke erkennbar sein soll, ist eine oft aufgestellte und oft missverstandene Forderung. Es liegt doch auf der Hand, dass er bei einem Werke, dessen Besitz einen feinen Geschmack und dessen Lektüre eine gewisse Sammlung voraussetzt, nicht so handgreiflich zu sein braucht, wie beim Geschäftsbuch, dessen Charakter auf 10 Meter Entfernung erkennbar sein muss. Aber bei einigem Nachdenken über Inhalt und Zweck bestimmung eines Buches lassen sich wohl in jedem Falle geeignete Momente herausgreifen, deren Bezeichnung und Wiedergabe auf der Decke im Verein mit geeigneter Farbenwahl und Material verwendung die gewünschte Harmonie zwischen Inhalt und Um hüllung hervorbringt. Es ist ja zweifellos, dass die hier besprochenen vollendeten Erzeugnisse nicht möglich gewesen wären, wenn ihren Schöpfern nicht seitens der oben erwähnten Künstler und Bibliophilen die Richtung gezeigt und die Pfade geebnet worden wären. Allein lebenskräftigem Schaffen eigener und neuer Formen bedarf, wie sie nur aus einem verständnissvollen Zurückgehen auf die Natur zu gewinnen sind, ist noch nicht völlig ausgereift. Schliess lich fehlt es auch dem deutschen Buchbinder an dem nöthigen Wagemuth und der Spannkraft, um aus den ausgefahrenen Geleisen plattester Alltäglichkeit abzulenken und neue Wege einzuschlagen. Dass eine solche System-Aenderung kommen muss und kommen wird, darüber sind sich alle Einsichtigen längst klar. z. Büchertisch. Gesetz zum Schutz derWaarenbezeichnungen vom 12. Mai 1894, mit Erläuterungen vom Patentanwalt C. Gronert, Berlin, Verlag von Fischer & Heilmann. Geheftet 60 Pf. Die klaren und sachlichen Erläuterungen sind namentlich für Die jenigen von Interesse, welche ältere Zeichen nach dem am 1. Oktober in Kraft tretenden Gesetze beim Patentamt anzumelden oder Zeichen ein zutragen haben, die früher nicht geschützt werden konnten. Specimens of Artistic Letterpress Printing. Herausgegeben und gedruckt von Henry Bandle, Hastings. Kommissions-Verlag von G. Hedeler, Leipzig. Preis 3 M. 50 Pf. Nach dem Vorgänge der Druckerei des British Printer hat auch die Firma Randle ein Musterbuch ihrer Erzeugnisse herausgegeben, das aus 30 und etlichen Blättern besteht und in einen auf Effekt bearbeiteten Umschlag geheftet ist. Was hier vorliegt, ist ein Niederschlag dessen, was die Druckerei des British Printer erstrebt und verfochten hat, und kann als Probe dafür angesehen werden, wie jene Bestrebungen in England gewirkt haben. Die Blätter sind mit vielem Fleiss zusammen gestellt, doch ist weder von dem Anordnungs-Geschick noch von dem feinen Farbengefühl, noch von der musterhaften Satz- und Druck-Aus führung, die bei den Arbeiten aus Leicester anerkannt werden mussten, hier etwas zu merken. Der Satz ist überladen, Schriften und Ornamente sind schlecht angewendet, die Farbenstellung lässt kalt — während sie bei den Arbeiten aus Leicester sehr oft entzückte, häufig ist sie misslich. Der Druck ist im allgemeinen gut, erreicht aber sein Vorbild gleichfalls nicht. In Hastings und Umgebung mögen solche Arbeiten, wie sie hier gezeigt werden, Anerkennung finden — auf den europäischen Markt durfte sich die Firma Randle damit nicht wagen.