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2260 PAPIER-ZEITUNG. Mr. 71 Satzkunststück des 17. Jahrhunderts. Im 17. Jahrhundert, als alle graphischen Künste in Deutsch land sich auf abschüssigen Bahnen bewegten, begegnen uns als eine Ausartung und Geschmacksverirrung mancherlei sogenannte Satzkunststücke, die Portale, Tempel oder andere Figuren, ganz in Typensatz ausgeführt, zeigen. Namentlich bei feierlichen Gelegen heiten wurden Glückwunsch-Gedichte in die Form solcher Kunst werke gebracht, die allerdings sehr geschickte Setzer erforderten, die aber den Beschauer nicht recht ansprachen und oft so schwierig zu lesen sind, dass man sich gern von ihnen abwendet. Das grösste Stück dieser Art, das sich in den Sammlungen des Germanischen Museums in Nürnberg befindet, ist ein Ein blattdruck von 64 cm Höhe und 24 cm Breite. Es hat folgende, etwas lange und schwulstigem Roth- und Schwarzdruck ausgeführte Ueberschrift: »Labirinthus Gryphologicus, in laudem celebratissimae cass iterographorum artis: Der Edle Greiff, Poetisc vnd in Sabyrinthischer delineation fürgestellt, u Ehrn der fobwürdigen Bochberümbten Kunst Sud? Eruckerey. Darrinnen nicht allein die Xatur vnd Beschaffenbeit dieses Wunderthiers, sonderu auc die Erfindung, Bestellung, gantze Bereitschafft, Zut vnd «gebrauch dieser föblichen kunst, bey allen vnd jeden Stäuben, auc Sprachen, Kiinsten, uni» professionen unter den (gelehrten, gant artig erFläret vnd fürgetragen wirbt. Denen Edlen, Ehrnvesten, Sürsichtigen, Boch- vnd Wohigelebrten, auch Ersamen, Bochweifen Eerren Burgermeistern vnd Saht des 5. Römischen Reichs, Statt Nürnberg, 2c. Seinen Grosgünstigen Boch- geehrten Herrn, 3u Srosgünstigem Wolgefallen gestellet, vnd mit Underthäniger reverenz Offerirt, Don Jona Saurio, ulmischen Bestellten Typographo, Anno CID. CID. C. XXVIII.« Entsprechend dieser Ueberschrift, nach deren Lesen man erleichtert aufathmet, findet sich nun unter derselben ein aufrecht stehender Greif von 52 cm Höhe, dessen Auge, Schnabel, Zunge und Krallen in Holzschnitt ausgeführt sind, während der ganze übrige Theil mit Typen, und zwar sehr kleinen, gesetzt ist. Es hat dem Schreiber dieser Zeilen viele Mühe gekostet, festzustellen, wo denn eigentlich dieses Gedicht seinen Anfang nimmt, und bis er gefunden hat, dass dies bei der Zunge der Fall ist, somit das Thier als redend erscheint. Es beginnt: „Der gflügelt Greiff bin ich genant, Xit f’dma (edermann) aufs beft befant Weil man von mir fo viel gedicht. Das mancherr mein noch achtet nicht, Dnd schwördt ich sey nie gweft auf erb mein gstalt auch nie gesehen werbt, usw. usw. Der Leser wird es gern entschuldigen, wenn ich dieses Gedicht nicht weiterführe. Zur Entzifferung dieser wenigen Verse habe ich beinahe eine halbe Stunde gebraucht, um sie herauszufinden. Der Greif besteht aber noch aus mindestens 200 mal soviel Versen, sodass es ein grosses Opfer an Zeit erfordern würde, um das ganze Gedicht zu entziffern. Die Augen greift dieses Schriftenlabyrinth so an, man muss dabei fortwährend das Blatt nach allen vier Seiten drehen, dass man Gefahr läuft, halb oder ganz blind zu werden, und soviel ist das Stück doch nicht werth. Um einen Begriff zu geben, wie angenehm dieser Greif zu lesen ist, lasse ich die vorstehend mitgetheilten Verse in der ungefähren Anordnung des Originals folgen, doch lesen sich hier die Verse noch viel besser als dort, wo die Zeilen vielfach von andern gekreuzt werden. po= 9ve ‘alpiga 'S &85 geil man o # W& quv* 8 ‘ 8 * mir tq sjn e ifliigelt (Sr e- gen g.-P A- # bin # nit q» = = 8 5. pari 2 a ic sey M F Q aa aqu w - 6 gaa Die Leute, welche solche Arbeiten dem Nürnberger Rathe widmeten und zum Präsent machten, hofften auf ein Geschenk, das ihnen in der Regel auch zu theil wurde. Mehr in Schwung noch als solche Satzspielereien waren früher Schreibkunststücke, derart, dass die Porträts berühmter Personen, wie Luther, Melanchthon, Friedrich der Grosse, Napoleon usw., lediglich durch Schriftzüge hergestellt wurden. Der Inhalt dieser Schrift stand meist in Beziehung zu der dargestellten Person. Viele dieser Schreibkunststücke sind mit der Feder direkt auf Papier oder Pergament geschrieben, andere sind in Kupfer gestochen und vervielfältigt worden. Heute noch finden sich solche in ziemlicher Anzahl im Besitze von Privaten, die sich meist als Eigenthümer eines Schatzes ansehen und bitter enttäuscht sind, wenn sie des Gegentheils belehrt werden. Hans Bösch. Schriftgiesserei-Neuheiten. Linien-Ornamente von Emil Gursch, Berlin. Die genannteSchriftgiesserei bietet mit ihrenLinien-Ornamenten Serie IX den Buchdruckern eine grosse Zahl brauchbarer Figuren. Die meisten davon sind für neuzeitliche Ausstattung bestimmt, viele aber eignen sich auch für streng ornamentirte Arbeiten und für Reihen-Einfassungen. Die Serie ist aus bereits vorhandenen Mustern mit Geschick zusammengestellt und durch eine Anzahl neuer Originale ergänzt worden. Dabei lässt sich erkennen, dass die Bedürfnisse der Durchschnitts-Druckereien zweckmässige Berücksichtigung fanden, sowohl in der Wahl der Figuren wie in ihrer körperlichen Gestaltung, denn die grössern Stücke sind systematisch ausgeklinkt. Infolgedessen ist diese Ornament-Serie praktisch recht verwendbar und wird strebsamen Accidenzlern bei einem Fluge in das Reich der Phantasie-Ausstattung nicht hinderlich sein. Wir lassen einen Theil der Ornamente hier im Abdruck folgen: 52 4 — g--8 ge - s - — — 10 — G) o ♦ .&L t, ce . S cg, Ä • -- Von den grössern Figuren — Mittel- und Eckstücken — geben wir einige der bemerkenswerthesten wieder: Zur Bildung von Untergrundmustern, schrägen Bändern und dergl. mehr eignen sich namentlich diese Figuren auf Ein- und Zwei-Cicerokegel: Zum Ansetzen an halbfette und fette Linien ist die nach stehende Abtheilung bestimmt, welcher halbfette Achtelpetit-Linien beigegeben werden: es ••A9®c.9 ,@AA—A9 J,. Die von der genannten Giesserei herausgegebenen Proben blätter bieten in einfarbigem Druck viele gute Anwendungen dieser Ornamente. Dabei ist eine mässige Art von Freimanier beobachtet worden, die gegen die vielen unvernünftigen Arbeiten gleicher Art angenehm absticht. Die sehr hübsch ausgeführte Adresskarte der Firma wirkt ebenfalls empfehlend.