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Nr. 63. PAPIER-ZEITUNG. 1709 Immer neue Verbesserungen, weitere Vergrösserungen folgten. 1880 wurde die Messinglinien-Fabrik, die bis dahin vernachlässigt worden war, in neue Bahnen gelenkt und in gleicher Weise mit Arbeitsmaschinen und Präzisions-Apparaten ausgerüstet, wie vor dem die Schriftgiesserei. Die Fachtischlerei erhielt die neuesten amerikanischen Holzbearbeitungs-Maschinen. Damit noch nicht genug, wurde 1890 eine süddeutsche Holzschriften-Fabrik an gekauft und in das System des Hauses eingepasst. Die Maschinen fabrik der Firma J. G. Scheiter & Giesecke, zunächst mit dem Bau von Hilfs-Apparaten, Werkzeugen und den für eigenen Bedarf nöthigen Giess- und sonstigen Maschinen beschäftigt, wandte sich nach Erledigung dieser Aufgaben der Herstellung von Stereotyp-Apparaten, Fahrstuhl-Anlagen u. dgl. zu. Schliesslich erzeugte sie auch die Tiegeldruckmaschinen selbst, die bis dahin von Amerika her bezogen werden mussten. Aus den Erfahrungen, die in der eigenen Hausdruckerei mit der Gordon-, Gally- und Colt’s Armory-Presse geschöpft werden konnten, ging dann — ein bezeichnender Name — die Phönixpresse hervor. Die Brüder Bernhard und Carl Giesecke, welche seit 1851 das Geschäft inne hatten, starben im Jahre 1889 bez. 1893, der Letztere war schon nach dem Tode seines Bruders aus der Firma geschieden. Georg Giesecke war schon früher Theilhaber geworden und führt nun in Gemeinschaft mit seinem jüngern Bruder Walther das Geschäft weiter. Auch den Fernstehenden wird das hier aufgerollte Bild deutschen Fleisses, deutscher Unternehmungskraft und Ausdauer mit Achtung erfüllen, die Fachgenossen aber werden darin eine Vorstellung ergänzt finden, die sie sich längst schon von der Firma J. G. Scheiter & Giesecke bruchstückweise gemacht hatten. Handfertigkeits-Unterricht. Der Mangel an einer gewissen Handfertigkeit der Schrift setzer macht sich oft unliebsam geltend, wenn eine Arbeit auszuführen ist, die über das tägliche Aneinanderreihen von Buchstaben hinausgeht. In grössern Druckereien, die über Stereotypie, Galvanoplastik, Buchbinderei, Tischlerei usw. ver fügen, kommt man leichter darüber hinweg, wenn es etwas Besonderes auszuführen giebt. In kleinern und mittlern Druckereien dagegen kommt man in Verlegenheit, wenn beispielsweise eine Stereotypplatte oder ein Galvano aufzuklotzen, d. h. auf Schrift höhe zu bringen, eine Bogenzeile für ein Plakat zu setzen, ein Klischee zu durchlochen ist, einige Fächer in einem Durchschuss- oder Ausschlusskasten zu ändern oder gar Plakatbuchstaben her zustellen sind. Hier werden mitunter die sonderbarsten Ver anstaltungen getroffen, um aus den Verlegenheiten zu kommen. Man läuft bei Tischlern, Schlossern, Klempnern herum, die gewöhn lich erklären »so ein Ding noch nicht gemacht zu haben« und in neunzig von hundert Fällen die kleine Arbeit entweder garnicht oder so ausführen, dass damit nichts anzufangen ist. Es kann daher in einer Zeit der Stereotypen, Galvanos, des Tonplattendrucks und sonstiger Umständlichkeiten gewiss nichts schaden, wenn bereits die künftigen Buchdrucker, die Lehrlinge, neben ihren Satz- oder Druckarbeiten etwas in handlichen Fertigkeiten unterrichtet werden. Es soll hier nicht der vielfach geübten Satzklempnerei und Materialzerschneiderei das Wort geredet werden, aber in mancher Hinsicht drängt sich die Nothwendigkeit auf, den Lehr lingen einige in das Tischler- oder Schlosserfach übergehende Hand griffe beizubringen; derartige Arbeiten werden nie, wie vielleicht befürchtet wird, zu Spielereien und Materialverderben ausarten, wenn sie gehörig beaufsichtigt werden. Man fördert ja jetzt in Deutschland den Knaben-Handfertigkeits-Unterricht, um wie viel nöthiger ist aber gewissen Gewerbefächern ein Lehrlings- Handfertigkeits-Unterricht. Voraussetzung für eine der Buch druckerei im Besondern förderliche Handfertigkeit in oben bezeichneten Arten ist allerdings das Vorhandensein zweckdien lichen Werkzeugs; dessen Beschaffung wird aber in den meisten Fällen weniger umständlich sein, als das Herumlaufen bei einer Anzahl kleiner Handwerksmeister. Vielleicht geben diese Zeilen unsern Buchdruck-Utensilien- usw. -Fabriken Veranlassung zur Herstellung von Werkzeugkästen, die alles das enthalten, was der Buchdrucker braucht, wenn er eine der eingangs erwähnten Arbeiten auszuführen hat. Meines Erachtens dürften genügen: eine hölzerne Stosslade, eine Schraubzwinge, ein Bohrer, ein Stemm eisen, einHobel, ein Winkelmaass, eine Holz- und Metallfeile, eine kleine Säge, ein Zirkel. Es werden so viele Apparate und Apparätchen von den Fachgeschäften empfohlen, die lange nicht die Vortheile bieten, wie ein zweckmässig eingerichteter Werkzeugkasten. H. E. Kleine Mittheilungen. Unter dieser Rubrik werden Einglinge besprochen und technische Anfragen beantwortet, die sich auf das Buchgewerbe beziehen. Wir bitten um Einsendung von Accidenzen, die sich zur Besprechung eignen, unter Angabe, ob Anführung der Firma erwünscht ist, oder nicht. Eingänge. Moritz Wieprecht in Plauen i. V. Herr Ernst Grosser, Geschäfts führer dieser im modernen Accidenzdruck hervorragenden Druckerei, sendet uns eine Anzahl der von ihm entworfenen Arbeiten zur Begutachtung. Die Sachen sind im allgemeinen vorzüglich, d. h. geschickt entworfen, gut gesetzt und sehr sauber und klar gedruckt. Wir haben nicht oft so viele tüchtige Accidenzdrucke beisammen gesehen. Wenn auch manche Arbeiten recht viel Mühe im Satz gemacht haben müssen und bei einfacherer Ausführung sicher nichts verloren hätten, so ist es doch eine sehr maassvolle und darum berechtigte Freimanier, die hier zu Tage tritt. Sehr wohl- thuend wirkt die Selbstbeschränkung, die sich bei der Anwendung von Ornamenten und »Schwänzen« zeigt, auch von dem sonst in Freimanier-Arbeiten üblichen Gethier ist hier kaum etwas zu sehen. Die Ausläufer der Linien sind häufig gerade und an gespitzt, nur ab und zu zeigt sich eine Spirale oder ein englischer Gabelzinken. Wo Töne verlaufen, da geschieht es vernünftiger weise von einem Punkte aus, nicht einander entgegen. Zu den besten Arbeiten rechnen wir zwei Drucksachen für den Englischen Klub in Plauen, durchaus nicht gefallen will uns der Rechnungs kopf der Firma, bei welchem die hübsche Grund-Anlage in klein lichem Beiwerk untergeht und fürchterlich mit dem Material umgegangen ist, höchst überflüssiger Bogen- und Balkenbauten wegen. Die Farbengebung ist bei den meisten Arbeiten zart und harmonisch. Anfragen. Ich betreibe hierselbst seit Langem eine Steindruckerei, vor kommende Buchbinder-Arbeiten gebe ich aus dem Hause. So hatte ich letzthin etwa 400 Bogen sechsfarbige Etiketten zu lackiren und liess bei meinem Buchbinder anfragen, ob er imstande sei, diese Arbeit sauber auszuführen. Auf die bejahende Ant wort gab ich die Etiketten ohne Bedenken hin, bekam sie aber total verdorben zurück. Es war so gut wie gar kein Lack darauf zu sehen, und die Abdrücke waren durch Auflösen der Farbe auch noch ganz verschmiert, sodass es unmöglich ist, solche Arbeit abzuliefern. Ich war der Meinung, dass zu starke Ver wendung von Sprit beim Lackiren die Schuld hieran trug. Der Buchbinder antwortete mir aber auf meine Vorstellung: Er nehme überhaupt keinen Sprit-, sondern Terpentinlack zum Lackiren. Ich bemerke noch, dass ich früher nie Kalamitäten hatte. Die Etiketten waren auf Chromopapier gedruckt. Da ich die Sachen zum bestimmten Zeitpunkt abliefern muss, so ist mir hierdurch ein nicht unbedeutender Schaden erwachsen, nicht allein, dass die Sachen verdorben sind, sondern ich verliere womöglich auch noch einen sehr guten Kunden. Ich habe den betreffenden Buch binder für den Betrag der verdorbenen Etiketten abzüglich des Lackirens sofort verantwortlich gemacht, und bitte mir zu sagen, ob ich dazu berechtigt bin. Antwort: Der Buchbinder durfte die Arbeit nicht über nehmen, wenn er sie nicht auszuführen verstand. Gleichviel, auf welche Art er lackirte, musste er die Sachen entweder gut abliefern, oder sie unlackirt bez. unverdorben zurückgeben. Empfindliche Farben, die bei Verwendung von Spirituslack aus laufen, können mit Gummi oder mit Oellack lackirt werden; vielfach verwendet man Gelatine. Das Auslaufen der Farben kann auch daher rühren, dass sie noch nicht trocken waren, als sie lackirt wurden. Da Sie sagen, es sei kein Lack zu sehen, so scheint es, dass derselbe durch das Papier geschlagen ist; in diesem Falle war vorheriges Grundiren der Bogen nöthig. Dies Alles hätte der Buchbinder ap einigen Bogen feststellen und danach seine Maassnahmen treffen können. Da er dies unterliess, so ist er für allen Schaden verantwortlich, der Ihnen aus dieser Sache erwächst. Ist es gestattet, von einer gekauften Photographie Verviel fältigungen in Lichtdruck machen zu lassen? Hat der Photo graph, welcher die Photographie gefertigt hat (wie öffentliche Gebäude, Strassen, Plätze usw.), das Recht, die Vervielfältigung zu verbieten? Bedarf es dessen Genehmigung dazu? Antwort: Photographische Aufnahmen dürfen ohne Genehmi gung des Verfertigers nicht mechanisch nachgebildet werden. Diesen Schutz geniessen photographische Bilder aber nur dann, wenn sie auf der Abbildung oder auf dem Karton Firma und Wohnort des Verfertigers oder Verlegers, sowie das Jahr ent halten, in welchem die rechtmässige Abbildung zuerst erschienen ist.