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Nr. 89. PAPIER-ZEITUNG. 2191 Erfindung des Sulfitstoffs. Ich versuchte schon im Jahre 1866, Holzschliff durch Kochen mit schwefligsaurem Natron unter Druck zu bleichen. Diese Versuche wurden unter Beihilfe des Herrn Otto Fahnehjelm gemacht, der später die Glüh-Brenner für Wassergas erfand. Der erzielte Stoff war hübsch weiss, aber ich verliess die Sache zur Zeit, weil ich mit andern Dingen beschäftigt war; später setzte ich die Fabrik zu Bergvik in Betrieb, die für das Fry’sche Verfahren gebaut war und leitete dieselbe. Nach diesem Verfahren wurde das Abfallholz einer am Platze befindlichen Sägemühle in kleine Stücke geschnitten und unter hohem Druck in Wasser gekocht. Die auf solche Weise erzielten Fasern waren sehr grob, von brauner Farbe und liessen sich nicht bleichen. Da ich hiermit nicht zufrieden war, so versuchte ich die oxydirenden und färbenden Wirkungen von Wasser bei hoher Temperatur durch Zusatz von Reduktions- Mitteln zu verhindern und kam bald zu dem Schluss, dass die Sulfite vom praktischen und geschäftlichen Standpunkt aus am geeignetsten seien. Ich beschränkte deshalb meine Versuche bald auf dieselben und wandte schweflige Säure in Verbindung mit verschiedenen Basen wie Kali, Natron, Ammonium, Kalk, Mag nesia usw. an. Ich erhielt mit Magnesia sehr günstige Ergebnisse, und da ich mich stets für Geologie und Mine ralogie interessirt hatte, wusste ich, dass es grosse Lager von Magnesit giebt. Ich arbeitete dieses Verfahren aus, weil mir schon damals bekannt war, dass Magnesia grosse Vorzüge gegen über von Kalk hat, und dass Natron und Kali für den Grossbetrieb zu theuer sind. Diese Versuche wurden im Jahre 1872 beendet, und das Verfahren, so weit es möglich war, im kleinen Maassstabe in meinem Laboratorium in demselben Jahr ausgearbeitet. Ehe das Jahr 1872 zu Ende ging, reiste ich nach England, nahm die fabrizirten Proben mit, welche sehr günstig beurtheilt wurden, sodass ich im Februar 1873 mit den Herren J. Thomson, T. Bonar & Co. in London, den Eigenthümern der Fabrik in Berg vik, einen Vertrag schliessen konnte, wonach diese Fabrik für mein Verfahren umgeändert werden sollte. Infolgedessen wurden 1873 Versuche im Grossen in der Fabrik gemacht und die Neu-Ein richtung begonnen. Der erste Nichtbetheiligte, welchem Proben des hier angefertigten Sulfitstoffs gezeigt wurden, war König Oskar von Schweden, der im Juni 1873 die Fabrik besuchte. 1874 wurde die Neu-Einrichtung beendet und die Fabrik am 3. Oktober neu in Betrieb gesetzt. Alles ging so gut, dass das Verfahren im grossen Ganzen jetzt noch wie damals in der Fabrik ausgeführt wird, obwohl ich seitdem einige wichtige Verbesserungen der Einzelheiten eingeführt habe. Acht kleine, gemantelte, senk rechte Kocher mit innerer Blei-Auskleidung waren aufgestellt worden, und dieselbe Art von Kochern ist heute noch in Benutzung und leistet sehr gute Dienste, obwohl Kocher neuerer Art vor zuziehen wären. Es war selbstverständlich anfangs mit vielen Schwierigkeiten verknüpft, gute Zellstoffe herzustellen und die innere Blei-Auskleidung in Ordnung zu halten, aber trotzdem war die Leistung der Fabrik ganz gut, bis ein Brand Ende Februar 1875 die chemische und andere Abtheilungen zerstörte, sodass die Fabrik stillstehen musste und erst am 8. Mai 1876 wieder in Betrieb kam. Herr C. F. Liljewalch jun. aus Stockholm, Vertreter der Herren J. Thomson, T. Bonar & Co. in Schweden, theilte mir freundlichst mit, dass bis zum 1. Januar 1876 nicht weniger als 5658 Ballen = 10175 Centner Zellstoff erzeugt waren. Der erste nach England gesandte Sulfitstoff bestand aus 61 Ballen bester Sorte, ging am 25. November 1874 ab, und am 1. Februar 1875 wurde in einer englischen Fabrik, ohne Beifügung von Lumpen oder anderen Fasern, Druckpapier daraus gemacht. Beweisfähige Proben dieser ersten Papier-Erzeugung aus Sulfit stoff in grossem Maassstab sind noch in meinem Besitz. Im Juli 1875 wurde eine Probe von 677 Ballen besten Sulfit stoffs nach England gesandt, einige kleinere Ladungen gingen in demselben Jahr nach England, Russland, Lübeck, Rotterdam, und grosse Mengen wurden in Schweden verkauft, der Stoff wurde somit auf dem üblichen Handelswege 1875 auf den deutschen Markt gebracht. 12 Ballen gingen am 20. September 1875 an Herrn R. G. Griberts in Stettin. Der Stoff wurde deutschen Fabrikanten in beliebigen Mengen zugeführt, aber das Vorurtheil war so gross, dass man nur wenig verkaufen konnte und viele Mühe davon hatte. Im Mai 1878 ging ich deshalb nach Deutsch land, um den Stoff mehr einzuführen und hatte einigen Erfolg. Im August 1875 wurde solcher Stoff für mehr als 20 Lstr. (400 M.) die Tonne verkauft, aber es war nicht möglich, alles abzusetzen, was die Fabrik zu Bergvik erzeugen konnte, wegen des erwähnten Vorurtheils, und weil der Unterschied zwischen diesem neuen Stoff und Holzschliff zu wenig Verständniss fand. Ich liess deshalb 1876 allgemeine Mittheilungen darüber in ver schiedenen Sprachen drucken und darin den Unterschied zwischen Holzschliff und dieser »Wood Cellulose«, wie ich sie damals nannte, auseinandersetzen. Ich wies darauf hin, dass die Fasern sehr fein und lang seien und deshalb in den Holländern mit grösserer Sorgfalt als Lumpen behandelt werden müssten. Der Bergviker Zellstoff von 1874 war nach demselben Ver fahren erzeugt, welches dort heute noch benutzt wird, und es ist bekannt, dass der Stoff dieser Fabrik vorzüglich und besonders zum Ersatz leinener Lumpen in feinen Papieren geeignet ist. Als ich im Mai 1878 Papierfabriken in verschiedenen Landes theilen Deutschland besuchte, war anderer Holzzellstoff, soweit meine Kenntniss reicht, ganz unbekannt. Um den Absatz zu ver- grössern, wurde den Herren Ernst Kratzenstein & Co. in Hamburg die Agentur für Deutschland übertragen. Trotz aller Schwierigkeiten und Vorurtheile war die Berg viker Fabrik geschäftlich von Erfolg. Nach amtlicher Feststellung eines vereideten Londoner Bücherrevisors zeigte die Summe der Ergebnisse der Jahre 1880 bis 1887, dass, obwohl die kleine Fabrik im Jahr nur 1200 Tonnen trockenen prima Stoff lieferte, ein jährlicher Nutzen von 3401 Lstr. (61000 M.) erzielt wurde. Dies ist wahrscheinlich das beste Ergebniss, welches eine so kleine Fabrik je erzielte. Ich will auch hier einschalten, dass ich von Tilghman’s Patent und Versuchen erst Kenntniss erhielt, nachdem ich die Fabrik zu Bergvik schon mehrere Jahre betrieben hatte. Die Dokumente, welche vorstehende Mittheilungen bestätigen, habe ich Herrn Carl Hofmann im Juni dieses Jahres in London vorgelegt und bin gern bereit, sie ihm nochmals oder sonst Jemand, über den wir uns verständigen, zur Einsicht zu unter breiten, möchte aber nicht von Fremden belästigt werden. Die wichtigsten dieser Papiere sind: 1. Ein Brief von Herrn C. F. Liljewalch jr. in Stockholm, worin festgestellt wird, wann die Fabrik zuerst in Gang gesetzt wurde, und welche Sendungen in den ersten Jahren abgingen. 2. Ein Brief von dem Londoner Haus vom 4. Februar 1875 mit Papierproben vom 1. Februar, worin gesagt ist, dass diese Proben aus meiner Cellulose allein, ohne Zusatz von Lumpen angefertigt sind. 3. Ein Brief vom 30. April 1874 von Graf Sten Lewenhaupt, der soviel für die Einführung der Zellstoff-Fabrikation in Schweden gethan hat, worin er sagt, dass er die Proben des neuen Stoffes gebleicht und ungebleicht gesehen habe. 4. Einige Vorschriften für die Verwendung von Holzzellstoff in schwedischer Sprache, gedruckt 1876. 5. Zusammenstellung des Nutzens, welchen die Bergviker Fabrik in den erwähnten Jahren erzielte. Um Nachforschungen zu erleichtern, habe ich sorgfältig Daten, Mengen und Namen der betheiligten Personen mitgetheilt, war aber nicht imstande, alle über diesen Gegenstand etwa an mich gelangenden Briefe zu beantworten. Ich musste auch einen von Prof. Mitscherlich im vorigen Jahre veröffentlichten Artikel un erwidert lassen, weil ich damals von einem Unfall betroffen wurde, viel zu reisen und wichtige Arbeit auszuführen hatte, die alle meine Zeit in Anspruch nahm. Ich hoffe jedoch bald imstande zu sein, Herrn Prof. Mitscherlich ausführlich zu antworten. Die Leser der Papier-Zeitung werden, wie ich hoffe, nach obigen Darlegungen entscheiden können, ob er oder ich zuerst guten Sulfitzellstoff in Handelsmengen erzeugte. Northfleet, Kent, England, 11. August 1894. C. D. Ekman. Schwefel- und Soda-Rückstände. Wir haben schon verschiedentlich mitgetheilt, dass in England grössere Mengen von Schwefel nach dem Chance-Claus’schen Verfahren aus den früher unbenutzten Soda-Rückständen gewonnen werden. Seit seiner Einführung im Jahr 1889 ist dasselbe in vielen Einzelheiten verbessert worden, es ist namentlich gelungen die Belästigung der Nachbarschaft durch entweichendes Schwefelwasser stoffgas beinahe gänzlich zu beseitigen. Im vergangenen Jahr wurden schon 31 350 Tonnen Schwefel auf diese Art erzeugt, das Ergebniss kann jedoch noch um mehrere tausend Tonnen erhöht werden. Die zum Schluss entweichenden Gase enthalten immer noch schweflige Säure und Schwefelwasserstoffgas und verursachen einen Verlust von 15 pCt. des in den Rückständen enthaltenen Schwefels. Die Gase werden durch Feuer oder erhitzte Röhren geführt, wo sie mit genügender Luft zusammenkommen, um allen Schwefelwasserstoff zu verbrennen, ehe die Gase in die Luft gelangen.