Volltext Seite (XML)
2100 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 66. Sonntagsruhe der Luxuspapier-Industrie. Einen für die Luxuspapier-Industrie wichtigen Beitrag zu dieser Frage liefert der Jahresbericht der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft für 1893. Nachdem über die schlechte Geschäfts lage im Berichtsjahr geklagt worden, heisst es: • Um so bedauerlicher ist es, dass beim Jahresschlüsse auch dem deutschen Geschäfte eine schwere Schädigung bereitet wurde durch die Verfügung der Polizeibehörden, welche eine Freigabe des auf einen Sonntag fallenden Sylvestertages für den Verkauf von Neujahrs-Glück wunschkarten ablehnten. Diese Glückwunschkarten, welche erfahrungs gemäss vorzugsweise am Sylvestertage in den Nachmittags- und Abendstunden in Deutschland gekauft werden, bildeten einen wesentlichen Theil der in Deutschland abgesetzten Luxuspapier-Fabrikate. Der beschränkte Sonntagsverkehr am Sylvestertage hatte eine merkliche Minderung des Absatzes am Jahresschlüsse zur Folge. Das sonst bis kurz vor dem Sylvestertage lebhafte Geschäft der Fabriken und Gross handlungen war bereits Mitte Dezember fast abgeschnitten. Viele Handlungen, welche den Verkauf von Glückwunschkarten am Jahres schlüsse als lohnenden Nebenerwerb betrieben, die fliegenden Händler, welche in Hausfluren und leerstehenden Läden für die letzten Tage des Jahres Verkaufsstätten für Glückwunschkarten errichteten, und welche als Kassakäufer gern gesehene Abnehmer der Fabrikanten waren, blieben vollständig aus. Die berufsmässigen Verkäufer von Gratulations karten klagen darüber, dass sie nicht imstande gewesen seien, ihre für die Jahreswende angeschafften Vorräthe an Wunschkarten abzusetzen, und suchen diese nach Möglichkeit auf die Lieferanten wieder abzuwälzen. Das in den Händen der Fabrikanten und Händler unverkauft gebliebene Material wird auch den nächstjährigen Absatz noch schädigen.« Nach einer in Nr. 60 abgedruckten, vom Reichsanzeiger mitge- theilten Aufstellung sind für die Papier-Verarbeitung und den Handel mit deren Waaren seitens des Bundesraths keine Ausnahmen von dem Verbot der Sonntagsruhe in Aussicht genommen, d. h. die Behörde sieht keinen Zweig dieses Gewerbes als Saison-Industrie an. Es ist jedoch Thatsache, dass in den letzten Wochen vor Weihnachten und Neujahr dem Bedarf auch mit Aufbietung aller Kräfte, mit Nacht- und Sonntagsarbeit kaum entsprochen werden kann, und dass ein grosser Ausfall im Verkauf dieser papiernen Luxusgegenstände entstehen muss, wenn deren Herstellung und Verkauf an den letzten Sonntagen vor den Festen ausnahmslos verboten bleibt. Es ist daher dringend nöthig, dass der Behörde der Sachverhalt klargelegt und Einreihung verschiedener Zweige der Luxuspapier-Industrie unter die Saison-Industrie beantragt wird, damit die Arbeit an manchen Sonntagen erlaubt werden kann. Dies gilt z. B. für die Fabrikation von Wunschkarten und Papier-Ausstattung. Der Schutzverein der Papier-Industrie hält am 7. September seine Generalversammlung in Berlin ab und hat diesen Gegenstand auf die Tagesordnung gesetzt. Hoffentlich werden die betheiligten Fabrikanten und Händler ihre Wünsche bei dieser Gelegenheit und in solcher Zahl zum Ausdruck bringen, dass die Behörden denselben Beachtung schenken müssen. Wenn diese Zweige vom Bundesrath nicht als Saison - Industrie im Gesetz aufgeführt werden, wenn infolgedessen die Arbeit an Sonntagen niemals erlaubt werden kann, so haben die Betheiligten den Schaden lediglich der eigenen Lässigkeit bei Vertretung ihrer Interessen zuzuschreiben. Papierfabrikation in Amerika. Der Verein amerikanischerPapier-Fabrikanten hielt, wieinNr.64 mitgetheilt, am 25. Juli seine Jahresversammlung in Saratoga ab. Wie in jedem Jahr wurde auch diesmal ein ganz neuer Vorstand gewählt. Es ist eine eigenartige Erscheinung, dass, entsprechend den republikanischen Einrichtungen, im dortigen Verein kein Vor sitzender sein Amt zwei Jahre nacheinander führt. Jedes Jahr wird der ganze Vorstand nicht nur neu gewählt, sondern thatsächlich aus neuen Leuten zusammengesetzt. In unsern monarchischen europäischen Staaten bleiben die Vorstandsmitglieder, d. h. sie werden immer wieder gewählt, so lange kein triftiger Grund dagegen vorliegt, und behalten ihr Amt häufig auf Lebens zeit. Letzteres hat den Vorzug, dass die leitenden Mitglieder sich mit den Geschäften des Vereins innig vertraut machen, aber den Nachtheil, dass das Interesse der Nichtbetheiligten erlahmt. In Amerika kommen nach und nach viele Mitglieder in eine leitende Stellung und sind in der Lage, ihre Auffassungen zur Geltung zu bringen. Für die richtige Führung der Geschäfte ist durch einen angestellten Geschäftsführer gesorgt. Der Verein amerikanischer Papier-Fabrikanten ist nicht wie der Verein deutscher Papier-Fabrikanten nach Landestheilen in Unter- Abtheilungen geschieden, sondern in Gruppen, welche gleiche Sorten fabriziren, gleichviel in welchem Theil der Vereinigten Staaten sie wohnen. Es sind Abtheilungen gebildet für Schreib-, Bücher-, Zeitungs-, Manilla-, Stroh-Packpapier, Holzschliff, Zellstoff, Pappen. Der Vorsitzende jeder dieser Gruppen berichtet in der Versammlung über deren Geschäftslage. Da die Erzeuger gleicher Sorten viel mehr gemeinsame Interessen haben als die Bewohner gleicher Landestheile, so dürfte sich die amerikanische Gruppenbildung auch für Deutschland empfehlen. In den diesmaligen Berichten wird allgemein über die schlechten Preise und den Mangel an Aufträgen geklagt. Viele Fabrikanten arbeiten nur mit einem Theil ihrer Maschinen, und dies Verfahren wird auch allgemein als alleiniges Heilmittel empfohlen. Es erscheint den dortigen Fabrikanten für viele Sorten unmöglich, feste Vereinigungen zur Verminderung der Erzeugung zu schaffen, und sie ermahnen deshalb jeden Einzelnen, nur das zu erzeugen, woran er verdient, und lieber einen Theil seines Betriebes feiern zu lassen, als ohne Nutzen zu arbeiten. Der Vorsitzende der Zellstoffgruppe, Mr. A. G. Paine, der fürs nächste Jahr zum Vereins-Präsidenten gewählt ist, theilte unter anderem mit, dass seine Gruppe einen erfahrenen Fachmann nach Europa gesandt hatte, um den dortigen Markt zu studiren. Die Folge dieser Reise war, dass erhebliche Mengen Natron-Zellstoff aus Amerika nach Europa verkauft wurden. In den acht Monaten, welche der Versammlung vorhergingen, sollen auch monatlich 1200 Tonnen Holzschliff aus den Vereinigten Staaten ausgeführt worden sein, dies habe aber beinahe ganz aufgehört, weil die Preise in Europa heruntergegangen seien, und die Ausfuhr deshalb nicht mehr lohnend war. Nach Mittheilung des Gruppen-Vorsitzenden H. A. Frambach können die amerikanischen Zeitungs-Druckpapier-Fabriken jährlich 416400 Tonnen Papier liefern, die Erzeugung sei aber, soweit er ermitteln könne, im Monat Juli um 15 bis 25 pCt. eingeschränkt worden. Wenn dies auch während des August geschähe, so sei ein besseres Geschäft für den Herbst zu erwarten. William A. Russel, Mitglied des Kongresses in Washington, berichtete über den Stand des neuen Zolltarif-Gesetzes. Der Ausschuss hatte den Eingangszoll für Schreibpapier von 25 auf 20, für Bücherpapier von 20 auf 15, für Zeitungsdruck von 15 auf 12 und den McKinley’schen Zoll von 62 pCt. für Seiden papier auf 25 pCt. ermässigt. Das Finanz-Komitee des Senates änderte jedoch die Klassifikation dahin, dass Buch- und Zeitungs druck zusammen eine Klasse bilden, und dass diese Klasse 15 pCt. Werthzoll bezahlt. Den vorgeschlagenen Zoll von 25 pCt. auf Seidenpapier setzte es auf 35 und wandelte den Gewichtszoll auf Holzschliff in einen Werthzoll von 10 pCt. um. Nach seitdem eingegangenen telegraphischen Nachrichten hat der Kongress das Zollgesetz mit den Aenderungen des Senates angenommen, und dadurch sind obige Sätze genehmigt. Englands Papier Ein- und -Ausfuhr. Wir geben nachstehende Zahlen nach »The World’s Paper Trade Review« wieder: Einfuhr aus Deutschland: Lstr. Ausfuhr nach Lstr. 1893 . . 594505 Ctr.i.W.v 529446 1893 . . 10211 Ctr. i. W. v. 29991 1892 . . 688226 „„„„ 673940 1892 . . 10844 »»an» 28170 1891 . . 651844 611943 1891 . . 9437 » » » » 26308 1890 . . 599640 „„„„ 564564 1890 . . 11114 » » » » 27833 1889 . . 666276 » » » » 595646 1889 . . 9586 » » » n 28284 Einfuhr aus Ausfuhr nach Holland: Lstr. Lstr. 1893 . . 1225 672 Ctr.i.W.v. 667055 1893 . . 15348 Ctr. i. W. v. 26260 1892 . . 1146734 „„„„ 624791 1892 . . 12286 » » » » 22370 1891 . . 1037211 „„„„ 548853 1891 . . 12572 » » » » 21777 1890 . . 935029 „„„„ 525010 1890 . . 9281 » » » » 18399 1889 . . 802920 » » » » 468622 1889 . . 9788 » » » » 19295 Einfuhr aus Ausfuhr nach Belgien: Lstr. Lstr. 1893 . . 220022 Ctr.i.W.v. 313403 1893 . . 13471 Ctr. i. W. v. 33332 1892 . . 189762 „„„„ 284 611 1892 . . 10787 » » » » 25018 1891 . . 221593 „„„„ 311964 1891 . . 13623 » n » » 30838 1890 . . 195932 , „ „ 295052 1890 . . 12839 » » » » 30116 1889 . • 195235 „„„„ 293424 1889 . . 12552 » » » » 32230 Ein Theil der Papier - Einfuhr aus Holland ist deutsches Erzeugniss, aber wieviel lässt sich nicht ermitteln. Die Gesammt-Papier-Einfuhr Englands belief sich in 1893 auf 2313312 Lstr., wovon Deutschland, Holland und Belgien mit zwei Drittel betheiligt sind. Aus Frankreich wurde nur für 95281 Lstr. eingeführt, gegen eine Ausfuhr Englands nach diesem Lande im Werth von 108311 Lstr.