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2044 PAPIER-ZEITUNG. Ur. «4. Accidenz -Ausstattung. Eine Sammlung Accidenz-Arbeiten, welche uns kürzlich zuging, giebt uns Anlass zu folgenden Bemerkungen. Viele unserer Accidenzsetzer scheinen ihrer Kraft nicht zu trauen, sonst würden sie mehr auf grosse Wirkungen hin- in kleinlichen Dingen auszugeben. Wir manchen Arbeiten eine Fülle verschiedener Motive angewendet, die nicht zueinander passen, die sich gegenseitig stören, weil das eine Grosse fehlt, an das sich die kleinen Dinge ankrystallisiren könnten. In jeder Acci- denzarbeit muss aber ein Leitmotiv vorhanden sein, von dem alles abhängt, was sonst noch an Ausstat tungstheilen gebraucht wird. Der Blick darf nicht im Zweifel sein, auf welchen Punkt einer Drucksache er sich zuerst zu wenden habe. In einer Arbeit ist ein kleines Schildchen ange wendet, welches im Ori ginal zwischen Linien bauten verschiedenster Art eingebettet ist. Gerade aber durch die Anwesenheit anderer Theile, die jeder für sich wirken wollen, verliert dies Schild an Eindruck. Dass es garnicht nöthig ist, so vielerlei Dinge nebeneinander zur Ausschmückung einer Druck sache zu gebrauchen, zeigt die mit demselben Schildchen getroffene, aufs Aeusserste einfache Anordnung in Fig. 1. Auf einem andern Blatte ist neben vielen sonstigen Zierstücken ein herabhängendes Band mit einem Buchdrucker-Wappen im Kreise zur Anwendung gebracht (Fig. 2). Auch hier ist ein Gegeneinanderwirken von Motiven zu bemerken. Die Tendenz des Bandes ist aber abwärtsstrebend, alles, was diese sichtliche Laufrichtung stört, wie z. B. die Quer- und Schräg striche, von denen in Fig. 2 Stücke zu sehen sind, musste vermieden werden. Wir haben in Fig. 3 versucht, dasselbe Band ohne die widerstrebenden Elemente, die soviel Mühe gemacht haben, in An wendung zu zeigen. Sollte wohl Jemand im Zweifel sein, welche Ausstattungsart vorzuziehen ist? Schon oft haben wir betont, dass der üble Gebrauch von Zierstücken einer Zeit krankheit entspringt, einer Schwäche, von welcher manche unserer besten Accidenz setzer sich nicht frei zu halten wissen. Dieselbe Freude am Unechten, am Uebermaass von Zierrath, finden wir heute gleichmässig in allen Volksschichten: Die Gebäude werden von aussen und von innen mit Ornamenten beklebt, die weder zu der Bauart des Hauses noch zu dem Bildungsgrade ihrer Bewohner passen, die Möbel sind aus schlechtem Holze billig gemacht, aussen aber mit feinen Hölzern überzogen, und an allen Enden mit Ornamenten versehen, die keinen Zweck haben und die so mangel haft befestigt sind, dass sie beim Anstossen abspringen. Unsere Arbeiterfrauen tragen unechten Schmuck und die Dienstmädchen Pariser Moden, aus geringen Stoffen billig gemacht. Wenn man einen Buchdrucker fragt, was er ist, so sagt er: »Typograph«, und sein Einkommen giebt er sicher auf das Doppelte dessen an, was er wirklich verdient. Als getreues Spiegelbild dieser Zeit, in der Jeder sich über hebt, Jeder mehr scheinen will, als er ist, tritt uns die Leipziger Freimanier im Accidenzsatz mit ihrem falschen Schmuck und ihrem Wust sinnlos angebrachter Ornamente entgegen. Der Mangel an grossen Gedanken und wirklichem Inhalt wird mit Zierrath verklebt, wie man es liebt, an einem modernen Hause die rohe Backstein-Wand mit Putz zu bewerfen und diesem das Aussehen von Quadersteinen oder Marmor zu geben. Pflicht aller Derjenigen, die noch ein offenes Auge für diese Schäden behalten haben, ist es, unablässig dagegen anzukämpfen und immer von neuem darauf hinzuweisen, dass auch im Accidenzsatz strenge Auffassung, Selbstbeschränkung und das Streben nach Fig- 1. grossen Zielen die Grundlage der Verzierungskunst sein und bleiben muss. Verwendung von Schriftkästen. Kleine Schriftkistchen, wie solche von den Schriftgiessereien für die Postversendung ihrer Erzeugnisse verwendet werden, sollte man nicht, wie es vielfach geschieht, wegwerfen oder verbrennen. Diese Kistchen eignen sich vorzüglich zur Aufbewahrung kleiner Schriftsätze, Initial - Garnituren, Ornamente, Monogramme, Vignetten usw. Man schneidet sich zu diesem Behufe Leisten, wie sie in den Steckschriftkästen vorhanden sind, oder man benutzt starke Pappstreifen. Die Leisten können durch an beiden Längs seiten der Kistchen angebrachte Stäbchen vor dem Herausziehen geschützt werden. Das auf diese Art untergebrachte Material versperrt den Platz in den eigentlichen Steckschriftkästen nicht für grössere Schriftminimas; es empfiehlt sich dies besonders für Druckereien mit beengten Raumverhältnissen. E. arbeiten, statt finden nämlich bei Fig. 2. ZUR ANFERTIGUNG HEINRICH MÜLLER SCHNEIDERMEISTER HANNOVER Bitte aufbewahren! BADSTR. 10. ELEGANTER HERRENKLEIDER EMPFIEHLT SICH Hochachtungsvoll Fig. 3. TELEGRAMM-ADRESSE TYPOGRAPHIA. Ich mache Ihnen die höfliche Mittheilung t dass mein Vertreterj Herr Eduard Reuter, in Kurzem das Vergnügen haben wird, Ihnen meine Muster vorzulegen. Ich bitte, sich von der Leistungsfähigkeit meiner graphischen Anstalt zu überzeugen und bei Gelegenheit sich dessen zu erinnern. BERLIN, Datum des Poststempels. W., Kleiststrasse igo. Hans Werther Buch- und Kunstdruckerei, Lithographische Anstalt, Buchbinderei.