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2008 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 68. nämlich die Leute nur soda- oder glaubersalzhaltiges Reh zu sammengetragen haben, — die Haufen liegen ja da zur Besichtigung — so ist es sehr ungerecht sie zu bestrafen, wenn auf einmal einige Gentner Kochsalz über Nacht bei ihrer Arbeit herausgenommen sind. Sie haben ja auch das Salz sorgfältig verpackt auf einen Büffel geladen und nach der nächsten Polizei station geschickt; sie wählten die Nacht dazu, weil der arme gute Büffel bei dem heissen Wetter am Tag gar zu sehr geschwitzt hätte. Als dann unterwegs ganz unerwartet ein Beamter zu ihrer grossen Freude auftauchte, wurde das dumme Thier vor der Hoheit der Regierung scheu und lief davon, so sehr auch der Treiber drauf loshieb, um es zum Stehen zu bringen. »Hoheit haben es ja mit eigenen Augen gesehen, wah! Ich lüge niemals und der Sirkar (Regierung) ist ja mein Mä-Bäp (Mutter-Vater).« Eine solche Geschichte bringen die Leute mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt vor, und auch der kleinste Junge verzieht keine Muskel. Dabei macht die ganze Bande so treuherzige, lammfromme Augen, dass einem Missionär ordentlich warm ums Herz würde. Der allgemeinste Gebrauch, der von sodahaltigem Reh gemacht wird, ist zum Waschen der Kleider; es wird daher auch allgemein »Wäscher-Erde« genannt. Jedes Dorf hat seine eigene Wäscher- Familie, die der Dhoby-Kaste angehört, und die für das ganze Dorf waschen muss. Ist sodahaltiges Reh im Umkreis von 10 engl. Meilen vorhanden, so sammeln sich die Dhobies einen Vorrath in den heissen Monaten. Sie bereiten sich daraus eine schwache Lauge, tragen die Wäschestücke ein und erhitzen zum Sieden. Die Wäsche bleibt über Nacht eingebäucht, und wird dann am nächsten Bach oder Teich gewaschen, d. h. aus Leibes kräften auf einen grossen, mehr oder weniger runden Stein geschlagen. Dabei fliegen natürlich Knöpfe ab, entstehen Risse und leidet überhaupt das Zeug derart, dass z. B. ein Dutzend weisse Hemden nur etwa ein Jahr aushält. Die Dhobies sind eine der grössten Plackereien des indischen Lebens, namentlich für Hausfrauen, welche auf schöne Leinwand halten. »Die Milch der frommen Denkungsart« wird selbst im sanftesten weiblichen Gemüth leicht sauer, wenn schon nach der dritten oder vierten Wäsche statt des grossen neuen Tischtuches aus bester Leinwand ein Bündel schneeweisser Fetzen zurückkommt. Zwischen dem Dhoby und seinen Kunden herrscht daher immer Fehde, aber da beide Theile ohne einander nicht leben könnten, lässt man es selten zum offenen Krieg kommen. Der Einzige, der meines Wissens mit seinem Dhoby immer auf gutem Fusse stand, war ein alter schottischer Indigopflanzer. Er vertraute mir einst in einem Anfall von Offenheit sein Geheimniss: »Ich bezahle meinem Dhoby nominell doppelt so viel als Ihr Andern, und er freut sich riesig, dass er einen solchen Dummkopf wie mich gefunden hat; aber ich ziehe ihm regelmässig soviel von seinem Gehalt für Risse usw. ab, dass ich in Wirklichkeit eher weniger bezahle als Ihr. Der Doby lässt sich das ruhig gefallen, weil er immer glaubt, mich das nächste Mal dran zu kriegen!« Der Mann kannte die Natur der Indier gründlich. Sehr ausgedehnte Verwendung findet sodahaltiges Reh auch zur Vermischung mit Tabak, den es kräftiger zu machen scheint. Jeder Indier, auch die Frau der niedere Stände raucht Tabak, und in vielen Distrikten hat fast jedes Dorf seine Tabakgärten. Wieviel Soda dem Tabak beigemischt wird, weiss ich nicht, aber so klein der Prozentsatz auch sein mag, so ist doch der Gesammt- verbrauch bei der ungemein grossen Bevölkerungszahl sehr beträchtlich. Die Pfeife oder » hookah « spielt eine der wichtigsten Rollen im gesellschaftlichen Leben der Indier. Sie besteht aus einem Pfeifenkopf aus gebranntem Thon mit einem etwas ver längerten hohlen Ansatz unten, welcher auf ein senkrecht in einem kleinen, verschlossenen Wasser-Gefäss steckendes Rohr gesetzt wird. Ueber dem Wasserspiegel hat das Wasser-Gefäss, das beispielsweise eine leere Kokusnuss ist, ein seitliches etwa 2 Fuss langes Rohr, durch welches geraucht wird. Der Pfeifen kopf wird mit dem präparirten feuchten Tabak — einer fein zerriebenen hauptsächlich aus Tabak und Rohzucker bestehenden Masse — gefüllt und eine glühende Kohle darauf gelegt. Wird nun an der schiefstehenden, seitlichen Röhre gesogen, so entsteht in dem Gefäss ein luftverdünnter Raum und aus dem Pfeifenkopf tritt durch das kürzere, senkrechte Rohr Rauch ein, welcher das Wasser durchstreichen muss. Sind Leute verschiedener Kaste zugegen, wie auf Märkten, in Fabriken, auf dem Felde, auf Reisen, so wird der Pfeifenkopf einfach zwischen beide gut geschlossene Hände genommen und der Rauch durch eine Spalte zwischen den Daumen angesogen. Die Pfeife auf diese Art benutzt, heisst »chilam«. Jeder nimmt ein paar lange Züge und reicht dann den Pfeifenkopf seinem Nachbarn, wenn dieser nicht selbst einen bei sich hat. Ganz anders aber steht es mit der hookah. Nur Leute der gleichen Kaste können die gleiche Pfeife benutzen; rührt sie ein Mann nie drigerer Kaste an, so muss sie als unrein weggeworfen werden. Alle häuslichen Festlichkeiten und Kasten-Versammlungen beginnen mit dem Herumreichen der hookah. Liegt gegen Jemand etwas vor, was gegen die Kaste verstösst, so wird er beim Herumreichen der hookah stillschweigend übergangen. Dann weiss der Betreffende, dass er aus der Kaste gestossen ist und entfernt sich stillschweigend, ein geächteter Mann. Seine Familie wird zu keinen Festlichkeiten eingeladen, Niemand kommt zu ihm, seine Söhne finden keine Frauen, seine Töchter keine Männer, nicht einmal ihre Leichen werden bestattet, denn seinehookah ist »band« ihm abgeschnitten. Etwas Entsetzlicheres kennt der Indier nicht: Geldverlust, Todes fälle, Zuchthaus, alles ist zu ertragen, aber wenn »hookah bänd« über ihn verhängt ist, so ist er ein moralisch todter Mann. Er setzt alle Hebel in Bewegung, bis er herausfindet, wessen er, oder gewöhnlicher seine Frau, angeklagt ist, bittet und bettelt, bis endlich ein Kastengericht, das bekannte »Panchayat« oder Gericht der Fünf Aeltesten, sich versammelt, an dem oft einige hundert Personen theilnehmen. Hier werden die Ankläger auf gefordert zu sagen, was sie gegen den Mann oder seine Familie wissen, und seine Vertheidigung gehört. Schliesslich wird das Urtheil, fast immer Geldbusse, gesprochen und dann als Zeichen, dass er wieder in die Kaste aufgenommen ist, dem Mann feierlich vom Gericht die hookah gereicht. An verschiedenen Orten verstehen es die Indier, aus glauber salzhaltigen Auswitterungen Glas herzustellen. Sie wählen dazu mit Vorliebe Rehfelder, welche nahe einer der über das ganze Land zerstreuten Indigo-Faktoreien liegen, da deren Abfall ihnen als Brennstoff dient. Der Indigo-Farbstoff wird bekanntlich durch Fermentation in Bütten aus der 3 bis 4 Fuss hohen Indigo-Pflanze erhalten; nachher werden die Stengel fortgeworfen. Da für jede Faktorei Hunderte von Morgen mit Indigo bepflanzt werden, so ist die Menge des Abfalles sehr bedeutend. Die beste Verwendung desselben wäre als Dünger, wie Versuche auf der Versuchs station der englischen Regierung in Cawnpore beweisen. Aber das ist dem gewöhnlichen Bauer zu umständlich, und die Abfälle sind daher meist umsonst zu haben. Die Glasmacher bauen aus Lehm einen vielleicht 10 Fuss hohen, bienenkorbförmigen Ofen, und füllen denselben so dicht als möglich mit trockenen Indigostengeln und darunter gemischten Salzkrusten. Dann wird durch ein paar Löcher unten Feuer angelegt und abgewartet bis das Ganze ausgebrannt ist. Das Ergebniss besteht aus Blöcken von hellgrünem, meist trübem Glase. Die Blöcke werden in Stücke zerschlagen und viele Hunderte von Meilen weit an die Glasverarbeiter verschickt. Da die Rehkrusten schwefelsaures Natron, Kieselsäure und Kalk, die Indigostengel Kohle enthalten, so ist leicht zu verstehen, wie das Glas sich bildet. Verblüffend bleibt aber die überaus einfache Darstellungsweise dennoch. Der Werth der Glasblöcke an Ort und Stelle ist etwa 6 M. die 100 kg. In einzelnen Gegenden haben es einige Familien zu grosser Geschicklichkeit in der Verarbeitung von Glas gebracht, namentlich in Nagina im Nordwesten, in Lucknow und Jubbulpore. Die hauptsächliche Verwendung ist für Armbänder, »chüri«, welche jedes Mädchen und jede Frau, die nicht Wittwe ist, im mittlere und nördlichen Indien trägt. Die feinere Glas perlen kommen, soviel mir bekannt ist, noch immer aus Venedig, Fensterglas, das die Indier nicht herzustellen wissen, aus Belgien. Da der Werth der jährlichen Glas-Einfuhr Indiens Millionen von Mark beträgt, und die nöthigen Rohstoffe reichlich im Lande selbst vorhanden sind, hat die englische Regierung die Glasfabrikation mehrfach untersuchen lassen und grössere Geldopfer hierfür nicht gescheut. Es ist aber nichts dabei herausgekommen, wohl weil die Sache verkehrt angefasst wurde. Eine Aktiengesellschaft reicher Indier stellt gegenwärtig in Calcutta unter deutscher Oberleitung schönes Glas nach europäischer Fabrikationsweise her; ob mit finanziellem Erfolg kann ich nicht sagen. Gewisse Orte im Innern, wo die nöthigen Rohstoffe in vorzüglicher Qualität nahe beisammen liegen, scheinen für Glasfabrikation viel besser geeignet als die Küste. Pahäri. Englands Einfuhr von Papier-Rohstoffen in 1893 vertheilte sich nach amtlichen Berichten wie folgt: Holzstoff 215 920 Tonnen Esparto und andere Pflanzenfasern . . . 185450 „ Lumpen 20750 „ Andere Stoffe und Halbstoffe 30358 „ Die Zahl der Papierfabriken in den Vereinigten Staaten beträgt nach Lockwood’s Directory 1231, gegen 1240 in 1893. Hiervon stehen 95 Fabriken still, gegen 75 im Vorjahr. 16 Fabriken sind im Bau begriffen.