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Nr. 57. PAPIER-ZEITUNG. 1835 Diese Konstruktion hat unleugbar grosse Vorzüge, das gefähr liche Hantiren unter dem Messer fällt fort, und man kann von jeder noch so dünnen Lage ohne Umstände so schmale Streifen abschneiden wie man will. Der Apparat lässt sich auch benutzen, wenn man grosse Bogen in Streifen von gleicher Breite zertrennen will. In diesem Falle wird das Papier wie üblich gegen den Sattel gestossen und etwas weiter vorgedreht, als der Streifen breit werden soll; dann kurbelt man den Sattel etwas zurück, sodass das Papier frei liegt, schiebt dieses mit dem eingestellten Schmalschneider zurück und macht den Schnitt wie angegeben. Hierauf wird wieder vor gekurbelt, wieder mit dem Schmalschneider zurückgeschoben usw. Büchertisch. Meine Reise nach Chicago und die Kolumbische Welt ausstellung. Von Professor Hermann Götz, Direktor der Gross- herzogl. Kunstgewerbeschule Karlsruhe. Verlag von Alexander Koch in Darmstadt. Preis 1 M. 50 Pf. Das kleine Heft giebt in anziehender Sprache die Reise-Eindrücke wieder, die Professor Götz auf seiner Amerika-Fahrt gehabt hat. Im Plauderton werden uns Land und Leute in Amerika und die dortigen Einrichtungen geschildert, vor allem aber kommt der Aesthetiker zum Wort, dessen Urtheil uns in all der Chicago-Literatur doch noch gefehlt hat. Der Verfasser versteht es ungemein, nicht nur das Schöne, sondern auch das Nützliche aufzufinden und als solches darzustellen, und Punkte, an denen andere Berichterstatter achtlos vorbeigingen, geben Herrn Professor Götz Gelegenheit zu höchst beherzigenswerthen Auseinander setzungen. Warme Liebe für das grosse deutsche Vaterland spricht aus jeder Zeile des Buches, und wenn der Verfasser, eine Autorität auf kunstgewerblichem Gebiete, mit der innern Anlage der «verwinkelten« deutschen Ausstellung nicht einverstanden ist, sondern einen eigenen Plan abbildet und beschreibt, so dürfen wir dies nicht als Krittelsucht, sondern nur als wohlmeinenden Rath eines erfahrenen Mannes für künftige Fälle auffassen. Professor Götz beklagt, dass die Deutschen in Amerika auch da, wo sie die Mehrheit haben, nicht ihr Deutsch thum in ähnlicher Weise zur Geltung bringen, wie die jederzeit selbst bewussten Britten. Sie amerikanisiren sich allzuleicht, wenn sie auch im Herzen dem alten Vaterlande anhängen. Export-Hand-Adressbuch von Oesterreich-Ungarn 1894. Her ausgegeben von W. J. Schmidt, Fiume. Preis geb. 10 M. Das Buch enthält die Adressen von mehr als 10 000 österreichisch ungarischen Export-Fabrikanten mit Angabe der von diesen zur Aus fuhr gefertigten Waaren. Die innere Einrichtung ist praktisch: Ein alphabetisches Namen-Verzeichniss bildet den ersten Theil und hinter den Firmen ist eine Zahl angegeben, unter welcher im zweiten Theil die Firma zu finden ist. Hier sind denn die nähern Angaben nieder gelegt. Die Firmen sind im zweiten Theil nach der Art ihrer Fabrikation geordnet und innerhalb jeder Abtheilung wieder alphabetisch aufgeführt. Den Schlüssel dazu bildet ein ausführlicher Bezugsquellen-Nachweis. Das Buch, welches nun im zweiten Jahrgang vorliegt, scheint sehr gründlich und gewissenhaft bearbeitet zu sein. Deutsche Kunstgewerbe-Zeichner. Ein Adressbuch deutscher Künstler, die sich mit Entwerfen kunstgewerblicher Gegenstände befassen. Nebst beigegebenen Probe-Entwürfen. Herausgegeben und im Verlage von Artur Seemann, Leipzig. Zweite Reihe. Wie wir seiner Zeit bei Besprechung des ersten Bandes dieses originellen Unternehmens mittheilten, beabsichtigte die Verlagshandlung, eine zweite Reihe sehr bald folgen zu lassen. Diese liegt nun vor, und wieder sind es 100 Zeichnungen, mit denen hundert in Deutschland verstreut wohnende Künstler, auch einige Ausländer, ihre Adresskarte und zugleich eine Probe ihres Könnens geben. Wenn auch viel Minder- werthiges Aufnahme fand, so macht uns doch auch dieser Band mit einer Reihe tüchtiger Zeichner bekannt. Die Kunstgewerbetreibenden sollten es der Verlagshandlung zu Dank wissen, dass sie eine sehr zeitgemässe Idee in so trefflicher Weise zum Ausdruck brachte. Schmalschneider. Die bisherigen Konstruktionen in Schmalschneidern beruhten auf dem Grundsatz, dass ein irgendwie gestalteter Apparat an den Sattel der Papier-Schneidemaschine, also zwischen Papier und Sattel, geschoben werden müsse. O. Schwinger in Ruhla i. Th. schlägt den umgekehrten Weg ein, indem er den in der Abbildung dargestellten Schmalschneider vor das Papier legt und ihn sammt diesem soweit in die Maschine schiebt, bis die oben auf dem Apparat angebrachten verstellbaren Schnitt-Andeuter gegen den Pressbalken stossen. Dann wird der Balken herabgedreht, der Schmalschneider zurückgezogen und der Schnitt gemacht. Deutsche Buchbindekunst. In der »Allg. Buchhändlerzeitung« sagt W. v. Knoblauch den deutschen Buchbindern anlässlich der Ausstellung in der Buch- ‘ handlung »At the Caxton Head« (s. Nr. 55 S. 1772) in London ' folgende bitteren Worte: »Die Bemerkung einiger englischer Blätter, dass die deutschen Buchbinder gute, handwerksmässige Arbeit lieferten, dass es ihnen aber an Erfindungsgabe, genialer Auffassung fehle, und dass sie nur nachahmen könnten, schien mir vom Neid eingegeben zu sein. Ich wollte mich selbst überzeugen, dass die gemachten Behauptungen grundlos seien. Doch o weh! Von den sechs deutschen Ausstellern machte nur einer, Otto v. Holten, den Versuch, etwas Originales zu schaffen. Im ganzen ist die deutsche Arbeit gut, reich und dauerhaft ausgeführt, aber ohne allen künstlerischen Werth! Die englischen Einbände zeichnen sich mehr oder minder durch künstlerische Auffassung des Entwurfes aus, meist sind sie von bekannten Malern oder Malerinnen entworfen. Von den Einbänden anderer Nationen heben wir noch als besonders eigenartig die dänischen und schwedischen Bände hervor, ferner den Einband, den Japan lieferte, gelbliche Seide mit farbig gestickten Schmetterlingen. Indien, Australien, Java, Holland, Belgien, Italien usw. sandten charakteristische Einbände, die alle mehr oder minder mit künstlerischem Auge ausgeführt sind. Nur Deutschland sandte Einbände mit schablonenhaften Mustern, die an die in Schul zeichensälen ausgestellten Vorlagen erinnern. Mehr und mehr bildet sich bei den fremden Nationen die Ansicht aus, dass die Deutschen weder Geschmack noch Erfindungsgabe besitzen. Es ist nöthig, ihnen die Dessins mit Angabe der Farben usw. hinüber zusenden, wenn man etwas Vollkommenes haben will! Dies wird oft in den Läden behauptet. Die Deutschen sind gut genug zum Kopiren, aber man muss von ihnen nichts Originales erwarten, „they have got no originality“. Ein Jeder preist die deutsche Arbeit als solche und rühmt die gute und gewissenhafte Ausführung. Der Deutsche im Aus land hat schwerlich das Recht, seine Landsleute gegen den Vorwurf, nur imitativ zu sein, in Schutz zu nehmen, wenn er die charakteristische und künstlerische Entwickelung, die unter andern Nationen vor sich geht, mit dem uniformen, stillosen, seibzufriedenen Stillstand vergleicht, der während der letzten zehn Jahre im Kunsthandwerk Deutsch lands um sich gegriffen hat. — Nach dem Verlassen der Ausstellung „At the Caxton Head“ kann der Deutsche, der es wohl mit seinem Lande meint, nur seufzend den Engländern Recht geben.« Diese Abfertigung ist wohl etwas zu derb gehalten, so schlimm, wie er hier geschildert wird, ist der deutsche Buchbinder nicht. Die Veranstalter der Ausstellung haben den Fehler gemacht, sich nicht an die rechte Adresse zu wenden. Von Buchbinde-Fabriken kann man nichts Anderes erwarten als Fabrikbände. Wir kennen verschiedene Kunstbuchbinder in Deutschland, die wohl in der Lage gewesen wären, es mit den Engländern aufzunehmen, diese Leute hat man nicht gefunden — oder nicht gesucht? Der Auftrag, der den Theilnehmern an diesem merkwürdigen Wettbewerb gegeben wurde, liess in keiner Beziehung erkennen, dass es sich um eine Ausstellung handele, sogar um eine Ausstellung, welche die Leistungsfähigkeit der betreffenden Länder in Parallele stellen sollte. Da man dies verschwiegen hat, so ist das Ergebniss der Konkurrenz falsch und höchstens geeignet, zu zeigen, wie man in Deutschland oder Italien oder sonstwo einen Einband für den ersten besten Kunden herstellt. Dass in England und Amerika Bibliophilen für einen Band bis 2000 M. zahlen, während in Deutschland 20 bis 50 M. schon ungern bewilligt werden, mag vom Standpunkte der Kunst in der deutschen Buchbinderei bedauernswerth sein, ein Zeichen für die geringe Leistungsfähigkeit unserer Buchbinderei ist es nicht. Wenn nun die Klagen, soweit sie auf Grund der erwähnten Ausstellung erhoben werden, nur zum Theil berechtigt sind, so kann doch nicht in Abrede gestellt werden, dass die Buchbinderei in Deutschland zu wenig Fühlung mit der zeichnenden Kunst sucht. Aber die Engländer sollen sich nur nicht überheben, denn so erbärmlich wie im Durchschnitt dort gedruckt und gebunden wird, arbeitet der Deutsche doch nicht. Unsere Leipziger Fabrik bände mögen schablonenhaft sein, aber sie sind sauber und gefällig. Wenn in England einzelne Künstler Leben und Ver mögen daran wenden, dem Buchgewerbe aufzuhelfen, wenn diese wenigen Leute, wie Walter Crane und William Morris, ihre Bücher selbst schreiben, zeichnen, setzen, drucken, binden, kurz Alles liefern, äusser dem Papier, so ist dies grossartig und muss eine mächtige Anregung auf das Buchgewerbe in England üben. Aber welches Ver dienst will sich hieraus die englische Buchbinderei zuschreiben? Man soll nur nicht sagen, dass die Engländer mehr Kunstsinn hätten, als die Deutschen, länger als 20 Jahre haben jene wenigen Künstler für ihre Ideen ohne Erfolg gewirkt, und erst jetzt fangen einige Verleger dort an, nach den gegebenen Beispielen zu arbeiten.