Volltext Seite (XML)
Nr. 55. PAPIER-ZEITUNG. 1778 aus Memphis, und eine solche aus Chicago aus prächtig blauem Marokko-Leder, roth eingelegt und reich mit Gold verziert. Unter den weniger stilvollen Einbänden ist ein solcher aus Ceylon aus Indigo-Kalbleder, ungemein reich mit getriebenen Silber-Ver zierungen geschmückt, zu erwähnen. Ferner einer aus Hirsch leder, den man von Montreal in Kanada sandte, und an dem ein Lesezeichen angebracht ist, zu welchem man die Perlentroddeln eines Mocassins verwendete. Unter den Erzeugnissen der Meister ferner Zonen, wie denen von Algier, Ceylon, China, Egypten, Indien, Siam, Japan, Java, Persien und Tunis, befinden sich natürlich sehr schöne und eigenartige Sachen, aber sie werden entschieden durch die Leistungen der Buchbinder des Abendlandes übertroffen. Der japanische »Florus« in zitronengelber Seide mit eingestickten Schmetterlingen, ebenso ein anderer in braunem, recht kunstvoll angewendetem Bambusrohr macht einen zwar eigenartigen, aber zugleich recht fremdartigen Eindruck. Der persische Band hat ein Papiermächd-Gewand in geschmackvoller Ausführung und der türkische ein solches in arabischem Stil. Bemerkenswerth ist ein Einband aus Burma aus geschnitztem und durchbrochenem sogenannten Schwarzholz, ein singalesischer mit Silber -Ver zierungen en relief, und ein siamesischer mit einem Palm blattbelage, den Prinz Damron lieferte. Ein merkwürdiges Ge misch orientalischen und occidentalen Stils kam aus Tunis und ist recht charakteristisch für dieses halbzivilisirte Land. Indien, jene Heimstätte der Künste, sandte drei wundervolle Einbände aus Madras und Delhi, glitzernde goldene Gemmen und Silber stickerei, und aus Ulwar ein Stück Arbeit der Hofbuchbinder, welches das alte Muster der berühmten Familie Abdul Rahman aufweist, aber nicht so prunkend wie die modernem Erzeugnisse Ulwars ist. Immerhin aber ist es die interessante und lehrreiche Probe einer Kunst, die in wenigen Jahren vollständig ver schwinden dürfte, und fast das einzige Stück, das Europa jemals als Handelsprodukt erreichte. Was die europäischen gestickten Einbände betrifft, so sind viele von ihnen gewiss sehr schön und sehr kostbar, verfehlen aber wie gewöhnlich ihren Zweck. In dem Ausstellungs-Katalog sind acht der hervorragendsten Arbeiten in Buntdruck vervielfältigt, und zwar die von Fritzsche in Leipzig, Staderini in Rom, Zahn in Memphis, Weeraratue in Colombo, Ceylon, Tout und Morrell, London, Kasi Abdul Rahman’s Sons, Ulwar, Indien, und Hedberg, Stockholm. Die 74 Einbände stellen einen Gesammtwerth dar von mehr als 9000 Mark. Unthätigkeit des deutschen Sortiments- Buchhandels. Der Artikel in Nr. 45 der Papier-Zeitung hat die Lässigkeit des deutschen Sortiments-Buchhandels vollständig richtig geschildert. Der Sortimenter glaubt genug gethan zu haben, wenn er sich vom Verleger Bücher in Kommission schicken lässt, die er dann unverkauft nach Jahr und Tag angeschmutzt usw. zurücksendet, wobei er es als sein Recht erachtet, die verkauften Exemplare nach weiterem Jahr und Tag vielleicht zu bezahlen. Dies ist wahrscheinlich die »andere, höhere Aufgabe«, von welcher ein Buchhändler in Nr. 51 Folgendes schreibt: »Allerdings berücksichtigt der Buchhandel Produkte wie eine 15 Pf.- Tages-Broschüre über den Gummischlauch-Prozess und einen „Normal- Kalender“ für 10 Pf. nicht; und zwar nicht deshalb, weil er sich etwa über einen so geringen Verkaufspreis zu erhaben dünkt, sondern weil er sich — Gott sei Dank — noch bewusst bleibt, dass ihm eine andere, höhere Aufgabe gestellt ist.« Ich verlege auch Schriften, habe es aber — mit dem Verfasser der Einsendung in Nr. 51 zu reden — »Gott sei Dank« nicht nöthig, dieselben dem »soliden und pflicht getreuen Sortiments-Buchhandel« in Kommission zu geben. Ich ver kaufe die Sachen nur an feste Abnehmer und gegen Bezahlung. Beides geht dem mit Idealismus behafteten Sortimenter ab. A. Kleine Mittheilungen. Unter dieser Rubrik werden Eingänge besprochen und technische Anfragen beantwortet, die sich auf das Buchgewerbe beziehen. Wir bitten um Einsendung von Accidenzen, die sich zur Besprechung eignen, unter Angabe, ob Anftihrung der Firma erwtinsebt ist, oder nicht. Eingänge. Hoffmann & Co., Berlin SW., haben an ihre Kundschaft ein Reise- Avis verschickt, welches vor der sonst beliebten Form dieser viel gebrauchten Drucksache wesentliche Vorzüge hat. Das Avis ist ein kleines, geschmackvoll ausgestattetes Büchelchen von 8X121/2 cm Grösse. Der Umschlag ist aus matt getontem Karton hergestellt, als Einlage dient ein Doppelblatt starken Schreib papiers. Umschlag und Einlage werden durch eine Seidenschnur zusammengehalten, die unten in Quasten endigt und oben so geknotet ist, dass eine kleine Schleife vorsteht zum Aufhängen des Bücheichens. Der Rand ist nur am Rücken glatt, an den übrigen drei Seiten zackig gestanzt. Auf dem Umschläge ist die Aufschrift durch Bronzeprägung hergestellt. Die Einlage ist in Form eines Anschreibens bedruckt, und zwar so, dass die übliche Besuchs-Anzeige vorangeht und geschäftliche Empfehlungen der Neuheiten, die der Reisende mit sich führen wird, folgen. Der Text zeichnet sich durch vornehm zurückhaltenden Ton aus, wirkt aber gerade deshalb überzeugend. Heinrich Bonbong, Würzburg (Druckerei Wilh. Wucherer), legt uns die von ihm entworfene und gesetzte Tanzkarte zur Johannis feier des Würzburger Gutenberg-Vereins zur Besprechung vor. Wir können an dieser Karte die sehr geschickte Anordnung und die gute Ornamentirung besonders der beiden Innenseiten loben. Wenn auch ziemlich viel geschnitzt wurde und die Karte bei der sehr sorgfältigen Satz-Ausführung verhältnissmässig grosse Arbeit gemacht haben muss, so ist doch der erzielte Erfolg derart, dass er einen entsprechenden Gegenwerth bietet. Die Karte ist wirklich hübsch. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass auf einfachere Weise Gleichartiges zu erreichen gewesen wäre; in einer der nächsten Nummern wollen wir Beispiele bringen, welche unsere Ansicht bekräftigen. Erwähnenswerth ist noch an vorliegender Arbeit die maassvolle, bedachtsame Anwendung von Ornamenten und die gefällige Farbengebung. Das Impressum auf der vierten Seite hätte eine Nonparel höher gestellt werden sollen; es hat diese Form: DRUCK VON WILHELM WUCHERER, WÜRZBURG. Dadurch, dass die breite Zeile nach unten schwer abschliesst, entsteht ein ungefälliges Bild; ein einfacher kleiner Strich hätte bessern Zeilenfall bewirkt: DRUCK VON WILHELM WUCHERER, WÜRZBURG. So unwesentlich diese Ausstellung erscheinen mag, so wichtig halten wir es, dass sich auch in kleinen Dingen die Tüchtigkeit des Accidenzsetzers offenbare. Eine Arbeit, die sehr viel Mühe gemacht hat, kann durch solche Kleinigkeiten im Werthe wesentlich herabgestimmt werden. Anfragen. H. B. in W. Die Grau drucke gingen Ihnen zu. Nach der eingeschickten Arbeit zu urtheilen, können Sie am Wettbewerb unbesorgt Theil nehmen, wäre es auch nur, um später ein Recht auf Zusendung der Eingänge zu haben. Unsern Accidenzsetzern fehlt die Fähigkeit, koloriren zu können, mehr als alles andere; da es aber ein Unding ist, sich die Farben nur im Kopfe auszu denken, ohne ihre Wirkung auf dem Papier zu prüfen, so sollte Farbentheorie und Kolorirpraxis eifrig geübt werden. Hoffmann’s Farbenlehre bietet Ihnen dazu die beste Handhabe. Der Gewinner des ersten Geldpreises bekommt dies Werk übrigens als besondere Ehrengabe zugelegt. Ihr gutes Urtheil über die Papier-Zeitung freut uns sehr, wie alle die ehrenden Zuschriften, die uns in letzter Zeit zugingen. Die Nummern vor März können, soweit sie noch vorhanden sind, einzeln zu 35 Pf. bezogen werden, oder das Quartal zu 2 M. 50 Pf. Wir rathen zu letzterem. Die in Aus sicht gestellte Kollektion Accidenzen soll gerechte Beurtheilung finden. + In Wien starb am 28. Juni Professor Karl Faulmann, der eben sein 59. Lebensjahr vollendet hatte. Faulmann wurde in Halle a. S. als Sohn armer Eltern geboren, hat nur gewöhnlichen Volksschul-Unterricht genossen, arbeitete sich dann aber durch fleissiges Selbststudium so empor, dass er später umfangreiche Werke über Schrift, Buchdruckerkunst, Stenographie usw. heraus geben konnte. Faulmann hat in der Schwetschke’schen Buch druckerei in Halle a. S. als Schriftsetzer gelernt, widmete sich aber später ganz seinem Lieblingsfache, der Stenographie. Professor wurde er für hervorragende Leistungen auf diesem Gebiete. Aneignung von Druckmustern ist Diebstahl! Das »Archiv f. B.« berichtet über folgenden Fall, der eine dringende Warnung sein sollte: Vor kurzem verurtheilte der Gerichtshof in Dresden einen Maschinenmeister wegen Diebstahls bez. Unterschlagung mit 14 Tagen Gefängniss. Der Betreffende hatte sich eine Anzahl Ausschnitte, Lichtdrucke und dergl. angeeignet zur gelegentlichen Verwerthung als Druckproben, Muster usw.