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No. 50. PAPIER-ZEITUNG. 1695 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Eck-Vignetten und Eck-Briefköpfe. Maass, in ihren Accidenzarbeiten oft kühne Eckdispositionen, wie oder Pfauenwedel verwendeten und auch zuerst die fächer förmige Viertelkreis-Ecke einführten, welche jetzt Bürgerrecht in der typographischen Ornamentik erworben hat. Die weitere Verfolgung dieser Idee führte zur Einordnung von Allegorie en und Emblemen, welche meist mit konsolförmigem Abschluss sich der Innenecke des Hauptrahmens einfügten Im modernen Buchdruck macht sich ein merkwürdiges Drängen der Ornamentik nach der Ecke bemerkbar. Bisher hatte man in der typo graphischen Zierform meist die Mitte betont und die Ecke als einen Ort betrachtet, der durch einige schwache Ranken schon hinlänglich gefüllt ist. etwa 2 Cicero, nicht überschreiten. Sie muss auch sehr zart gehalten sein, damit sie das Gleichgewicht nicht stört, zumal meist nur die linke oder rechte obere Ecke derartig verzieit werden kann. Hieraus ergiebt sich ganz von selbst die Wahl sehr kleiner Figuren. Man nimmt meist Blümchen, welche durch die Ecke hindurch gesteckt werden, oder Vögelchen, welche auf dem umgebogenen Rande sitzen. Der Rand wird in diesem Falle als Umrisslinie einer zweiten aufgelegten Karte betrachtet und kann naturge mäss nur aus einer feinen Linie bestehen, welche in dem Eckstück ihre Fortsetzung findet. Hinter dem Blatt hervorlugende Kinderköpfchen in zarter Ausführung können ebenfalls noch als zulässig gelten- Wir haben in No. 29, Seite 1004. einige solcher Ecken gezeigt. Unerträglich wird es aber, wenn man hinter einer zurückgebogenen oder eingerissenen Ecke ganze Scenen darstellt mit aller Kraft und Tiefe des Tons wie bei malerischen Darstellungen der Wirklichkeit. Es giebt eine Sammlung solcher Bilder-Ecken, bei welchen z. B. auf dem oberen scheinbar aufgerollten Rande des Blattes ein kleiner Knabe, oder ein Mädchen sitzt, das ein Vögelchen lockt. Bei einer andern Vignette ist scheinbar aus dem Blatt ein winkliges Stück ausgeschnitten, und auf dem scharfen Papierrand sitzt eine fächelnde Dame; wieder bei einer andern läuft auf dem untern, schwach vorgebogenen Rand ein Hündchen. Wenn alle diese Gestalten als Luftgebilde gezeichnet wären, könnte man sichs noch gefallen lassen; aber sie sind derb und körperhaft dargestellt; und noch dazu gräulich verzeichnet. Wir geben nachstehend einige sehr hübsche Beispiele aus -Sammlung der Firma Meyer & Schleicher in Wien. Die hier durchgeführte Anfügung eines Winkels, welcher nach dem Hauptrahmen über leitet, ist nicht durchaus erforderlich. Die Ecken würden sich dem Rahmen noch natürlicher an schliessen, wenn die Darstellungen unvermittelt an denselben gerückt würden. Die hier gezeigten Sinnbilder sind zur Eck-Füllung bei Eintrittskarten zu Bä Konzerten, für kleine Programme und Titel ähnlichen bestimmt. In ihrer geschmackvoll-bescheidenen Ausfül gereichen sie derartigen Arbeiten stets zur Zierde. Sie s einen ziemlich reichlich vorhandenen Raum voraus, ind daher nur bei gut gesperrtem Titelsatz, keines- alls bei füllendem Satz zu verwenden. Weniger glücklich sind die Versuche ausgefallen, auch die Aussenecken von Karten u dgl. durch ähnliche Darstellungen zu beleben. Dort muss Rücksicht auf den nicht sehr grossen Papier genommen werden, die Zeichnung darf also ein Diese Anschauung wurde zuerst von den Amerikanern durchbrochen, welche Schilfbüschel Diese Art der Verlegung des dekorativen Schwerpunkts in die Ecke wird daher als Verirrung zu betrachten sein. Sehr viel ansprechender ist dagegen die ebenfalls den Amerikanern abgesehene Anordnung des Briefkopfs als Füllung der linken oberen Ecke. Der sogenannte „kleine“ Oktav-Briefkopf steht bekanntlich immer an dieser Stelle, er ist aber als Titel-Abart symmetrisch gebildet und hat keine formale Beziehung zur Ecke. Der stets ornamentirte Briefkopf der besprochenen Art ist dagegen in die Ecke hineinkomponirt, und da er die Ausdehnung des „grossen“ Oktavbriefkopfes behalten hat, bildet er eine hübsche und stilistisch berechtigte Zwischenform. Ein wichtiger Vorzug ist es, dass er nur einen von Aufschrift oder Text des Briefes nie in Anspruch genommenen Platz einnimmt. Er ist raumsparender als der .grosse* Briefkopf von voller Breite, da er gestattet, die Datumzeile höher hinauf zu rücken. Aus diesen Gründen hat sich der Eck-Briefkopf sehr gut eingeführt, und eine ganze Anzahl von Giessereien hat Muster dieser Art herausgegeben. Wir zeigen vor- und nachstehend einige der besten mit Angabe der Bezugs quellen. Am verwendbarsten sind die leicht gehaltenen Muster, welche den Er fordernissen der Schwebeform gut entsprechen. Ein solcher Briefkopf sieht namentlich bei Mehrfarbendruck ungemein vornehm und zierlich aus. Faibendruck empfiehlt sich überhaupt sehr für diese Art von Brief köpfen, namentlich wirkt ein gebrochenes Grün oder Braun s ihr gut. Bei manchen Mustern würde sich auch die Herstellung einer Unterdruckplatte empfehlen. *1 ‘ Die Schriftgiesserei Emil Berger in Reudnitz-Leipzig hat der Farben- Ausführung vorgearbeitet, indem sie auf Wunsch steghohe Holzblöcke mit liefert, deren Ausschnitte genau mit den Band- und Schild-Oeffnungen der Vignette übereinstimmen. Damit ist in sehr praktischer Weise das um ständliche und namentlich bei' Bogenzeilen schwierige Einpassen des Satzes erleichtert. Da gegenwärtig allgemein nach Vereinfachung der Satz- herstellnng gestrebt wird, mitunter sogar nur hierdurch der Wettbewerb ermöglicht ist, werden praktische Buchdrucker die Neuerung zweifellos willkommen heissen. Albert Hoffmann