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No. 30. PAPIER-ZEITUNG. 1037 Buchgewerbe. Druckindustrie, Buchbinderei, Buchhandel. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter und Korrespondenten erhalten angemessenes Honorar. Eingesandte Werke finden Besprechung. Die moderne Buchbinderei. Von Eduard Grosse. Zu den Geschäften, welche in den letzten Dezennien durch äusserste Vervollkommnung der ihr dienenden Hilfsmaschinen und durch die Aus beutung jedes technischen Vortheils einen grossartigen Aufschwung, man könnte wohl sagen, eine vollständige Umgestaltung, erfahren haben, gehört besonders auch die Buchbinderei. Es gewährt desshalb auch besonderes Interesse, einen Blick auf die moderne Buchbinderei mit ihren grossartigen Einrichtungen und demzufolge auch entsprechenden Leistungen zu werfen, was der Zweck diese Aufsatzes ist. Dass es bei Verfolgung dieses Zweckes nicht beabsichtigt sein kann, eine spezielle Schilderung jedes technischen Handgriffes zu geben, ist na türlich. Es soll nur in grossen Zügen ein allgemeines Bild entworfen werden, mit kritischem Eingehen auf die Zweckmässigkeit und Leistungs fähigkeit der Hilfsmaschinen, sowie der herrschenden Geschmacksrichtungen, und besonders soll eine spezielle Beschreibung der neuen, weniger bekannten, Techniken, mit kurzer Berührung der bereits bekannten Arbeitsweisen gege ben werden. Dass, ich da, wo es sich nicht speziell um Handarbeiten dreht, Fig 1. Einfache Ealz- und Heftmaschine von Martini & Co. Frauenfeld (Schweiz). den Grossbetrieb im Auge habe, ist selbstverständlich, da sich der Klein betrieb aus finanziellen Rücksichten nicht so schnell der maschinellen und technischen Vortheile bemächtigen kann, als der erstere. Zur besseren Uebersichtlichkeit des Stoffes will ich den natürlichen Weg einschlagen und, den Handgriffen des Buchbinders folgend, mit meiner Darstellung da beginnen, wo der Buchbinder mit dem Einbande des Buches beginnt und so mit diesem Schritt um Schritt bis zur Fertigstellung des Buches weitergehen. Das Falzen, d. h. das Zusammenbrechen der Bogen nach dem Maass- stabe des Formates, die erste Arbeit am Buche, wird noch jetzt, wie vor Zeiten, zum grössten Theile mit der Hand gemacht. Zwar hat der nie rastende Erfindungsgeist auch hier Abhilfe zu schaffen gesucht, und Falz maschinen erfunden, jedoch bringt man grade diesen Maschinen in Buch binderkreisen noch ein eigenes, wohl auch berechtigtes Misstrauen entgegen. Dieses Misstrauen entsprang wohl in erster Reihe der Erfahrung, dass früher konstruirte Maschinen die Bogen nicht mit der zum Zwecke des Bindens nöthigen Akkuratesse falzten, obwohl sie zum Broschürenfalzen schon zu verwenden waren. Jetzt hat man diesen Uebelstand zu beseitigen gesucht, indem die Bogen nach Punkturen eingelegt werden, was jedoch zur Folge hatte, dass die Maschine langsamer arbeiten musste, damit der Einleger die entsprechende Zeit zum Einlegen hatte. Dadurch zeigte sich der noch grössere Uebelstand, dass dieselbe im Verhältniss eben nicht billiger arbeiten konnte als Menschenhand. Eine einfache Falzmaschine von Harrild & Sons in London z. B. lie fert bei Anlagen nach Punkturen die Stunde ca. 900 bis 1000 Bogen. Zur Bedienung gehören, wenn kein Dampfbetrieb vorhanden, zwei Personen, ä Person die Stunde 20 Pfg. Lohn berechnet ist 40 Pfg., während mit der Hand zu falzen in ganz Deutschland ebenfalls 40 Pfg. pro 1000 Bogen gezahlt wird. Günstiger stellt sich das Resultat, wenn die Maschine mit Dampf getrieben wird, indem dann nur ein Arbeiter zum Einlegen nöthig ist. Rechnet man jedoch den hohen Anschaffungspreis dieser Maschine, infolgedessen man auch die Abnutzung ziemlich hoch veranschlagen-muss, so ist der Vortheil der Maschinenarbeit beim Falzen zum Zwecke des Bücherbindens ein sehr geringer. Diesen Uebelstand suchte die Firma Martini & Comp. in Frauenfeld (Schweiz) durch eine geniale Verbindung von Falz- und Heftmaschinen zu heben, was auch bis zu einem gewissen Grade gelungen ist, wie ich später zeigen werde. Die Falzmaschine ist im Grunde keine Erfindung der neuesten Zeit, indem bereits im Jahre 1851 auf der Londoner Ausstellung eine solche, von Black konstruirte, Maschine prämiirt wurde. Seitdem hat man die Falzmaschine noch vielfach vervollkommnet, obwohl das Prinzip fast bei allen im Wesentlichen das nämliche geblieben ist, indem zum Zwecke des Falzens der Bogen mittels eines Falzmessers zwischen zwei rotirende Walzen ge drückt, und so der Bruch erzeugt wird. Die bekanntesten Falzmaschinen sind die von den Firmen F.’von Har rild & Sons in London, S. C. Forsaith & Comp. in Manchester (Amerika) und Martini & Comp. in Frauenfeld (Schweiz). Fig. 2. Walzwerk zum Satiniren. Die von der letzteren Firma konstruirte Maschine ist für Buchbinder entschieden die brauchbarste und zweckmässigste, besonders schon desshalb, weil sie nicht nur falzt, sondern die Bogen auch zu gleicher Zeit zum Zwecke des Broschürens heftet (holländert), so wie auch zum Zwecke des Bindens heftet, weil diese Maschine mit einem Heftapparate versehen ist, der beliebig benützt oder abgestellt werden kann. Fig. 1 veranschaulicht eine einfache, d. h. nur für einen Anleger berech nete Falzmaschine dieser Firma. Ueber dem oben befindlichen Anlegetische bemerkt man das horizontal liegende, auf und niedergehende erste Falz messer, welches den nach Punkturen angelegten Bogen durch einen Schlitz des Tisches nach abwärts führt, so den ersten Bruch bildet und alsdann schnell wieder aufsteigt. Nun ergreift ein zweites Falzmesser den Bogen, macht den zweiten Bruch und bringt hierauf den Bogen mit seinem Bund stege genau vor das dritte Messer; dieses drängt den Bogen mit dem Bund stege voran in die Abnehmerwalzen, welche ihn den eisernen Satinirwalzen überliefern, die ihn alsdann in den Ablauf, d. h. einen schräg gestellten Kasten, fallen lassen. Die Arbeit des Heftens besorgt die Maschine sehr exakt auf die Weise, dass vor Ausführung des dritten Bruches bei Broschüren zwei Nadeln durch die Mitte des Bogens durchstechen und dabei, da sie mit Haken versehen sind, den von einer Spule sich abwickelnden Faden nach und durch den Bogen durchziehen. Der Faden wird durch eine Scheere selbstthätig abgeschnitten, und, nachdem dies geschehen, wird der Bogen sofort zum