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e 1023 Nr. 20 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung e I Buchbinderei * * Buchdruck *** * * * Buchhandel *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung 30000 Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Die Kunst im Buchdruck Vorträge von Direktor Dr. P. Jessen Schluss statt Fortsetzung Wenn ich aus den eminenten Fortschritten der modernen Technik für das Ornamentmaterial und den Satz gewisse Bedenken herleitete, so muss dasselbe hinsichtlich der Farbe gelten. Wir wissen, dass der typographische Farbendruck älterer Zeit selten mehr als zwei Farben verwendete: neben dem Schwarz das Roth als Auszeichnung. Welch unendliche Fülle von Farben, Mischungen und Tönen steht dagegen dem heutigen Drucker zu Gebote! Und doch hatte die alte Zeit Eines voraus. Ihr Schwarz und Roth steht kräftig, voll und ungebrochen auf dem warm- tonigen, weichen Papier, und ein guter alter Druck erfrischt uns noch heute durch eine Art von männlicher Entschiedenheit. Die Farbenfreude der Alten ward bekanntlich am Anfang unseres Jahrhunderts durch eine Farbenscheu abgelöst, die in der Dekoration äusser Weiss und Go'd nur noch einige ganz verblasste Töne zuliess. Als unser Kunstgewerbe sich dann endlich an den Vorbildern der Renaissance erholte und auch das Kolorit der Alten sich zum Muster nahm, waren es doch überwiegend die durch das Alter veränderten, gebrochenen oder nachgedunkelten Farben, denen man nachstrebte. So kommt es, dass unser koloristisches Empfinden sich nur so langsam zu voller Frische, zu der kräftigen und entschiedenen Farben gebung aufzuschwingen vermag, welche die Natur uns tausend fach vor Augen stellt. Gerade hier ist ein Hauptarbeitsfeld, ein Kampfplatz der heutigen Kunst. Nun will mir scheinen, als ob unser deutscher Buchdruck noch stark unter dem Banne der flauen Farbenauffassung älterer Zeiten stehe. Von wenigen muthigen Ansätzen abgesehen, die wir wiederum namentlich dem Münchener Kreise verdanken, neigen unsere Drucker noch sehr dazu, die Farben abzustumpfen und zu brechen, alles Kräftige durch untergelegte Töne einzu schränken, als sei die Farbe eine Sünde; es ist, als kränkele unser ganzes Farbenempfinden, als sei das farblose Grau unser eigentliches Element. Das wird meist um so trostloser, je mehr Farben und Töne verwendet, je mehr Setzerkunst vergeudet wird; die Mehrzahl der Kalender z. B., mit denen unsere Buchdruckereien sich ihren Kunden zu empfehlen suchen, sind beredte Beispiele dieser im besten Falle süsslichen, meist aber geradezu färbenfeindlichen Gesinnung. Es ist an der Zeit, dass hier neue Bahnen eingeschlagen werden. Unsere neue Malerei, die farbenfrohe Plakatkunst, die graphischen Originalarbeiten unserer jungen Künstler und leider wiederum die farbenfrischen typographischen Ueberraschungen unserer überseeischen Freunde reden laut genug. Auch hier gilt es, den Staub auszukehren, frische koloristische Kräfte zur Typographie heranzuziehen und sich nicht hinter der angeb lichen Farbenscheu der Besteller zu verstecken, sondern das Publikum muthig mit sich fortzureissen. Als letzten und gewaltigsten aller modernen Fortschritte haben wir die Illustration zu prüfen. Wir haben gesehen, wie früher ausschliesslich der Holzschnitt, wie dann der Kupferstich dem Buchdruck dienten, beide aus Linien gefügt. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts kommt ein neues Ideal in die graphische Kunst: nicht mehr durch Linien, sondern ausschliess lich durch Töne zu wirken. Die Schabkunst und die Aquatinta- Manier im Kupferstich bereiten den Weg. Die neue Lithographie siegt gerade durch ihre Tonwirkungen. Auch der Holzschnitt ändert sich und wird zum Ton-Holzstich. Nun kommt die Photographie; ihr Helldunkel wird zunächst im Lichtdruck und in der Kupferätzung für die graphische Vervielfältigung verwendet und dringt endlich, nachdem die Strichätzung die Bahn gebrochen, durch das Netzverfahren auch in den Buchdruck ein. Schritt für Schritt folgt auch die Kunst des Farbendruckes allen diesen Wandlungen; was der farbige Steindruck, der Farbenlichtdruck, der Holzstich und die Autotypie in der Wiedergabe farbiger Töne schon erzielt haben, das hofft man durch den Dreifarbendruck nun vollends auf eine untrüg liche, mechanische Basis zu stellen. Es ist kein Zweifel, dass diese Entwickelung für die Zwecke der Nachbildung, der Reproduktion, des Faksimiles ein unerhörter Erfolg ist. Man hat mit Recht sagen können, dass ihr Werth für das Wissen, für die intellektuelle Kultur, nur durch den Werth der Buchdruckkunst selber übertroffen wird. Wir haben aber hier zu fragen, wie es bei dieser Entwickelung um die Kunst steht. Wer an künstlerischen Erörterungen unserer Tage Theil nimmt, weiss, dass die Fertigkeit des Faksimiles mit graphischer Kunst sich nicht deckt, ja ihr geradezu widerspricht. Es mag ein Verdienst sein, ein Oelbild durch Druck auf Papier nach zuahmen; aber es ist ein technisches Verdienst, kein Verdienst der freien Kunst. Der Farbendruck sucht dabei sein Verfahren so zu verfeinern, dass man ihn nicht mehr als Druck erkennt; er sucht seine Technik zu verbergen. Er wird zum Surrogat. Kein wahres Kunstwerk aber, das nicht auch in der Technik echt ist, das nicht gerade seine spezielle Technik zu künst lerischen Wirkungen zu verwerthen sucht und künstlerisch zur Geltung bringt. Weil man das erkennt, werden heute überall die Originallithographien der Künstler, die Plakate und Bilder bücher, die mit wenigen Farben auf künstlerische Wirkung aus gehen, und Aehnliches so freudig begrüsst. Daher wird man auch in der Buch-Illustration, soweit es sich nicht um Wissen schaft, sondern um Kunst handelt, nicht das Faksimile eines dem Buchdruck fremden Originals, sondern die künstlerische, bewusste und unverschleierte Verwerthung der neueren Techniken als Ideal ansehen müssen. Jedenfalls erwachsen dem Buchdruck durch die Tonbilder neuerer Zeit ganz neue Schwierigkeiten. Wir sahen, wie der alte Linien-Holzschnitt der Type wesensgleich war. Schon der Kupferstich liess sich schwerer zur Type stimmen. Die modernen Bilder, in denen alles Ton, nichts Linie ist, sind daher in das Typenbild, in den Satz, der doch immer als schwarze Zeichnung dasteht, künstlerisch noch schwieriger zu verarbeiten. Sie wirken meist als Masse, als Fleck; nur durch sehr vorsichtigen Druck und namentlich durch Abwechselung in den Tönen ist eine Art von Harmonie zu erreichen, wofür als Muster gewisse französische Illustrationswerke mit Heliogravüren und neuere, namentlich amerikanische Drucke mit besonders getönten Auto typien gelten können. Eine volle künstlerische Harmonie zwischen Type und gezeichneter Zuthat, sei sie Illustration oder Ornament, lässt sich aber sicherlich am besten, wenn nicht aus schliesslich durch gezeichneten, in Strichmanier nachgebildeten Buchschmuck erzielen. Das ist die Erkenntniss, die die heutigen englischen Illustratoren, Morris und Walter Crane an der Spitze, so entschlossen aufgefasst und verwerthet haben. Alle ihre Ornamente und Illustrationen sind durch den Holzschnitt oder die Strichätzung wiedergegeben und daher der Drucktype stammverwandt. Auf diesem Grundsatz beruht das unerhörte und völlig überraschende Aufblühen der englischen und amerika nischen Buchdekoration. Dazu kommt freilich ein zweiter, sachlicher Grundsatz. Es ist längst kein Geheimniss mehr, dass die sogenannte künstlerische Illustration, wie sie sich in unseren Prachtwerken, unseren illustrirten Klassikern usw. darstellt, sich von den Wegen der Kunst oft genug entfernt hat. Statt den Text zu begleiten und zu erläutern, hat sie sich häufig so breit gemacht, dass der Text zur Nebensache herabgesunken ist. Selbst bei den zartesten Dichterwerken hat sich der Illustrator oft zwischen den Dichter und den Leser gedrängt und dem Geniessenden ein Bild auf gezwängt, das dessen eigene Phantasie lähmt oder tödtet. So sind allmälig die illustrirten Ausgaben eher ein Hemmniss als eine Förderung der Literatur geworden. Auch hier setzt die moderne Bewegung ein. Wir wollen keinen Mittelsmann zwischen uns und dem Dichter. Wohl aber werden wir dem Künstler dankbar sein, wenn er durch seine Zeichnung uns den Genuss des Lesens bereichert und vertieft,