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Nr. 50 PAPIER-ZEITUNG 1759 den Zellstofffabriken 50 pCt. Wasser als Holzzellstoff verfrachtet und bezahlt werden müssen. Durch Gewährung eines entsprechend niedrigen Frachtsatzes würden die inländischen Holzzellstoff-Fabriken in die Lage kommen, den grössten Theil ihrer Produktion für den inländischen Verkehr als »feuchten Stoff« zu versenden. Diese nur gepresste und ohne Anwendung von Dampf bis auf 50 pCt. Trockensubstanz entwässerte Qualität wird von den inländi schen Papierfabriken mit Vorliebe verarbeitet, und da es den Aus- ländern wegen der sich bei Versendung 50 Stoffes ver doppelnden Seefrachten und Eingangszöllen nicht möglich sein würde, diese Waare einzuführen, so kann in dieser erbetenen Frachtermässi gung ein wirksames Schutzmittel gegen das weitere Eindringen fremd ländischer Waare erblickt werden. Der Gewährung eines ermässigten Tarifsatzes für 50prozentigen »feuchten Holzzellstoff« würden aber auch in finanzieller Beziehung ernstliche Bedenken nicht gegenüber gestellt werden können, da die Menge der zum Versand kommenden Güter sich für diese Erzeugnisse verdoppeln würde! So würde eine Fabrik mittlerer Grösse, welche z. B. jetzt monatlich 30 Waggons mit Dampf getrockneten Holzzellstoff an inländische Fabriken ver sendet, bei entsprechender Ermässigung des Frachtsatzes für abge pressten Stoff zukünftig 60 Waggons fertigen Fabrikats abliefern. Durch Erfüllung unserer ehrerbietigsten Bitte, den Frachtsatz für Holzzellstoffe, besonders aber für halbtrockene abgepresste Zellstoffe wesentlich zu ermässigen, würde den inländischen Zellstofffabriken nicht nur ein grosser Vortheil gegen den bisherigen Zustand zugeführt werden, sondern dieselben würden auch in die Lage kommen, den Wettkampf mit dem Auslande weiter erfolgreich aufnehmen zu können. Der Verein Deutscher Zellstoff-Fabriken giebt sich ferner der zuversichtlichen Hoffnung hin, dass die jetzigen Berathungen betreffend Ermässigung der Rohstofftarife zu einer Herabsetzung der Tarife für Brennholz und für Zellstoffhölzer führen werden. Dringend nothwendig erscheint uns die hochgeneigte Gewährung eines Ausnahmetarifes für Zellstoffholz und die Herabsetzung des Frachtsatzes mindestens auf diejenige Stufe, welche die bayerischen Staatsbahnen seit langer Zeit für gleiche Hölzer gewähren. Für die zur Zellstofffabrikation bestimmten Hölzer wird auf den preussischen Staatsbahnen für Knüppelhölzer eine Fracht nach Spezial tarif 3 mit 21/2 Pf. per km und 100 kg-Gewicht erhoben, während im Königreich Bayern die gleichen Hölzer nach Spezialtarif 4 mit 2 Pf. per km und 100 kg-Gewicht verfrachtet werden können. Durch den hohen bei den preussischen Staatsbahnen giltigen Tarifsatz werden die preussischen Zellstofffabrikanten besonders empfindlich benachtheiligt und dies um so mehr, als die Wassergesetz gebung gerade im Königreich Preussen sehr streng ist, und die Zellstofffabriken immer mehr von den Gebirgsbächen ab und an grosse Flüsse gedrängt werden, sodass die Bedeutung des Fracht satzes für die aus den entfernt gelegenen Wäldern heranzuschaffenden Hölzer eine immer grössere Rolle spielt. Die deutsche Zellstofffabrikation befindet sich dem Auslande gegenüber in einer sehr schwierigen Stellung, da die billigen Holz preise, sowie die vorhandenen bedeutenden Wasserkräfte der skan dinavischen und amerikanischen Konkurrenzfabriken es dem Auslande möglich machen, in immer stärkerem Grade die Verwerthung deutschen Zellstoffes im Auslande einzuschränken und selbst nach Deutschland zu exportiren. Für die deutschen Zellstofffabriken sind gerade die Holzfrachten von der höchsten Bedeutung, da dieselben auf den Herstellungspreis des Zellstoffes einen grossen Einfluss ausüben. In welchem Grade sich dieser Umstand bei den gegenwärtigen Geschäftsverhältnissen schädigend geltend machen muss, dürfte der Hinweis auf den Zellstoff preis genügend kennzeichnen. Während Zellstoff noch vor 10 Jahren etwa 40 M. für 100 kg Stoff kostete, stehen jetzt bessere Fabrikate, als solche damals hergestellt werden konnten, im Preise von nur 15 bis 20 M. für 100 kg, während die Preise für Holz und Kohlen, sowie die Arbeitslöhne und die Lasten der Arbeiterschutzgesetzgebung dauernd angewachsen sind. Der Einfluss der Holzfrachten wird aber für die Fabrikation bei dem erreichten niedrigen Werthstande von Zellstoff um so unerträg licher, als die Ausbeute an Zellstoff aus Holz nur 37 pCt. des ver frachteten Holzgewichtes beträgt, sodass an eine Ausnutzung des Frachtbetrages in einem Maasse, wie dies bei der Versendung von Bauhölzern und Grubenhölzern der Fall ist, bei Hölzern, welche zur Zellstoffgewinnung bestimmt sind, nicht gedacht werden kann. Eine besondere Bitte des Vereins der Zellstofffabrikanten geht ferner dahin, Ew. Exzellenz möge eine Frachtermässigung für Zellstoff holz ohne Rücksicht auf die Stärke der Hölzer für Längen bis zu 2 m eintreten lassen. — Durch die Aufhebung der in dieser Beziehung bisher bestehenden Beschränkungen würde auch einem Wunsche der Forstverwaltungen entsprochen werden, da es für den Forstbetrieb bisher sehr schwierig war, in dieser Beziehung genaue Grenzen ein zuhalten. Es würden die für andere Zwecke unverwendbaren Hölzer, welche meist im Walde Zurückbleiben, als Zellstoffholz mit zur Ablieferung gebracht werden können, während die Forstverwaltungen sich jetzt häufig gegen ihren Wunsch zur Zurückhaltung dieser Hölzer durch die z. Zt. bestehenden Tarifbestimmungen genöthigt sehen. Da s. Zt. in einem anderen Falle auch aas Ersuchen um Ge währung eines Ausnahmetarifs für Schwefelkies und Erze zum Segen der betheiligten Industrien an maassgebender Stelle Gehör gefunden hat, so giebt sich der ehrerbietigst unterzeichnete Vorstand des Vereins Deutscher Zellstofffabrikanten der Hoffnung hin, dass auch der Zell stofffabrikation für die Verfrachtung des hauptsächlichen Rohmaterials »Zellstoff holz « ein Ausnahmetarif zugestanden oder doch wenigstens die Ermässigung des bisherigen hohen preussischen Tarifsatzes zu gebilligt werden kann. Ehrerbietigst Ew. Exzellenz ganz ergebenster Vorstand d. Vereins Deutscher Zellstofffabrikanten Diese Eingabe wurde bis jetzt noch nicht erledigt, ihre Beantwortung wird erst nach der am 18. d. M. in Neuhausen stattfindenden Sitzung der Tarifkommission erfolgen. Kommerzienrath Behrend knüpft hieran Aufklärungen über die mit Tarifverhandlungen betrauten Körperschaften. Zu nächst werden Tariffragen dem Ausschuss der Verkehrs- Interessenten zur Begutachtung vorgelegt. Dieser besteht aus Vertretern kaufmännischer und industrieller Kreise, sowie von Eisenbahnbehörden. Die Gutachten dieses Ausschusses ge langen an die Tarifkommission, welche unmittelbar an den Minister der öffentlichen Arbeiten berichtet. Zu jeder wichtigen Tarifänderung ist überdies die Zustimmung des Finanzministers nothwendig. Die oben mitgetheilte Eingabe des V. D. Z. hat die Regierung zu Umfragen bei mehreren Handelskammern veranlasst, die von Goslar und Mannheim haben in ihrer Ant wort einen von dem des Vereins abweichenden Standpunkt ein genommen, dies sowie Missverständnisse in Bezug auf die Anwendung einzelner Tarifpositionen dürften zur Folge haben, dass die endgiltige und gründliche Erledigung dieser Tarif- Reform in nächster Zeit noch nicht zu erwarten ist. Generaldirektor Beuther: Im Gegensatz zu diesen schwebenden Verhandlungen wurden seit 1. April d. J. folgende, für die Zellstoff-Industrie nützliche Tarifermässigungen eingeführt: Auf Entfernungen bis 50 km werden Holzschliff und Zellstoff auch in den westlichen Theilen Preussens nach dem in den östlichen Theilen schon länger giltigen billigeren Satz (für aussereuropäisches Holz) verfrachtet. Für preussische Betriebs stätten wurden bedeutende Ermässigungen bei Versendung nach deutschen Ausfuhrhäfen bewilligt. Diese Ermässigung beträgt z. B. für die Strecke Hirschberg-Stettin 30 pCt. der bis herigen Fracht. Auch Zellstoffholz wird nach den neuen Roh stofftarifen billiger als bisher befördert, u. z. nimmt die Fracht- Ermässigung staffelweise zu mit der Länge der durchfahrenen Strecke. Birektor Beckmann-Königsberg berichtet über seine Be mühungen, für lose verladene Zellstoffabfälle einen billigeren Frachtsatz zu erwirken, wie solcher in mehreren Bundesstaaten besteht, und empfiehlt diese Frage dem Vorstand. Br. Müller-Altdamm und Br. Gottstein -Cosel treten warm dafür ein, dass der Verein einmüthig auf seinem bisherigen Standpunkt beharre, für feuchten Zellstoff Frachtermässigung anzustreben, da der Zoll und die erhöhte Fracht hinreichen, um die Einfuhr ausländischen feuchten Zellstoffs zu verhindern. 5. Auf Antrag des Generaldirektors Reuther-Dresden wird einstimmig beschlossen, ähnlich wie im Vorjahre mittels Frage bogen Erhebungen über die Erzeugungsverhältnisse der Zell stofffabriken anzustellen. Es wäre wünschenswerth, wenn alle Fabrikanten die Fragen ausführlich beantworten würden, der Verein wäre dadurch in die Lage gesetzt, die Interessen der Allgemeinheit wirksam zu vertreten. 6. An der Besprechung der Geschäftslage nahmen fast alle Anwesenden theil. Es ergab sich aus den sehr lehrreichen, aber nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten Mittheilungen, dass alle Fabriken vollauf beschäftigt sind, und die Preise steigende Richtung haben. Jedoch geht die Zellstoff-Industrie keiner rosigen Zukunft entgegen. In Skandinavien, Finland und Kanada werden ungeheuere Zellstofffabriken errichtet, welche die ausländischen Absatzgebiete der deutschen Zellstoff- Fabriken voraussichtlich bald erobern, jedenfalls aber den Preis drücken werden. Hierzu kommt die Schwierigkeit der Holz- Versorgung, die weniger in der Zunahme der Papierstoff- Erzeugung, als im ausserordentlich grossen Bedarf an Bau-, Nutz- und Grubenholz zu suchen ist. Zu Papierstoff werden in Deutschland nur etwa 11 pCt. des Ertrages an Weichholz verwendet. Im Gegensatz zu den vor einigen Jahren gemachten halbamtlichen Mittheilungen erwies sich, dass Ostpreussen nicht in der Lage ist, Zellstoffholz auszuführen. Allgemein wurde anerkannt, dass Neugründungen oder Vergrösserungen von Zell stofffabriken in Deutschland gegenwärtig nicht zeitgemäss sind. 7. Der Vorstand, dessen Amtsdauer abgelaufen war, wurde auf drei Jahre wiedergewählt, u. z. die Herren Kommerzienrath