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1732 PAPIER-ZEITUNG Nr. 49 durch bald schwächer, bald stärker erscheinende Umrisse, was durch schwarze Lederstreifen erzielt wird. Sehr oft ist aber auch das nicht einmal nöthig, denn die schroffe Gegenüber stellung von Ton zu Ton allein genügt zumeist, die gewünschte Lichtwirkung hervorzubringen. Neben solchen, eine ganz bestimmte Richtung in der Buch bindekunst Frankreichs darstellenden Kerbschnitteinbänden ist eine andere Art der technischen Behandlung des Leders zu bemerken. Sie besteht darin, dass das Muster mit der glühenden Nadel in hellgefärbtes oder naturfarbiges Leder eingebrannt wird. Die Zeichnungen erinnern an die be sonders in Süddeutschland und den Alpenländern gebräuchlichen Holz brandbilder, mit denen sie vielfach auch die Technik gemein haben, d. h. man zieht holzschnittartig gestrichelte Schatten und Halbschatten den sonst so beliebten Umriss-Schatten vor, wenigstens von Seiten der Verfertiger, da sie eben besser zeigen, ob diese genügende Sicherheit in der Führung der Nadel haben, als es bei ein facheren Aufgaben der Fall wäre. Als Vorlagen werden landschaftliche Bilder, daneben bewegte, dem Texte ent nommene Szenen und dem Pflanzen oder Thierreiche entstammende Muster verwendet. Wie bei den Kerbschnitt- arbeiten ist auch bei den in Lederbrandtechnik keine bestimmte Vorschrift, wie und wo der Schmuck anzubringen ist, vorhanden. Die einen wählen bald nur die Ecken oder nur den oberen oder mittleren oder unteren Theil des vorderen Deckels, andere nehmen äusser diesem auch noch den Rücken zur Vertheilung der Zeichnung und bei anderen legt sich diese über die ganze Decke. Alle aber wollen nicht nur durch die getreue Wieder gabe der Formen, sondern auch durch eigenthümliche Anordnung des Schmuckes, durch auffällige Zusammenstellung mehrerer Gegenstände wirken. So zeigt z. B. ein Einband im linken oberen Theile einen Adler, der auf einem Todtenschädel derart sitzt, dass sich seine Fänge in die hohlen Augen und das Nasen loch eingekrallt haben, während er mit seinem scharfen Schnabel in der Zahnpartie herumpickt, die bereits eine grosse Lücke aufweist. In dem auf dem Bilde festgehaltenen Augenblick lässt das Thier gerade einen ausge pickten Backen zahn fallen. So schaurig, ab stossend und un wahrscheinlich auch dieses sym bolische Bild ist, so sehr zieht es doch den Fach mann durch seine peinlich saubere Ausführung an. Ein anderer Ein band in Brand technik führt uns eine, gestürzt am Boden liegende Statue der Diana vor, auf der sich eine Anzahl grosser ekliger Kröten tummelt. Anziehender ist schon eine andere Decke mit dem Bilde eines büssenden Kapuziners; Mienenspiel, Bewegung und Farbengebung sind dabei genau wiedergegeben. Es sei noch auf eine Neuerung in der Buchtechnik hingewiesen, die in diesem Jahre zum ersten Mal in grösserem Umfange auf dem Champ de Mars vorgeführt wurde, die Schabe technik. Man wählt für diese Einbände eine stärkere Ledersorte, am liebsten Schweinsleder, und hebt alle nicht un mittelbar zur Zeichnung gehörenden Theile heraus, jedoch so, dass immer noch eine bald dickere, bald dünnere Lederschicht übrig bleibt, auf der das Muster zu liegen scheint. Dieses selbst wird mit dem Messer ebenso bearbeitet, wie man Holz schnitzt. Das jeweilig dargestellte Bild erscheint wie ge- meisselt, seine dunkleren Partien werden mit Farbe geschwärzt oder gebrannt, farbige Theile matt bronzirt, so dass sie wie mit Patina überzogen aussehen. Plakat-Vordrucke Die grosse Bedeutung der heutigen Plakatkunst und ihre Entwickelung in Deutschland ist in der Papier-Zeitung mehrfach behandelt worden. Wirhaben dabei in Nr. 104, Jahrg. 1896, bereits darüber berichtet, dass die Papier handlung von Ricliard Klippgen & Co. in Ih-esden und Chemnitz sich eifrig bemüht, auch die früher meist wenig gefälligen Plakat-Vordrucke in künstlerisch befriedigender Weise zu schmücken, damit der später einzudruckende Text zu günstiger Wirkung gelangt. Ein soeben erschienenes Musterheft zeigt weitere Fortschritte in dieser Richtung, es enthält mehrere moderne, von ersten Künstlern entworfene Zeichnungen. Wir geben beistehend einige Nachbildungen dieser Vordrucke, die besser als Worte ihre gute Verwend barkeit beweisen. Die etwa 70 Sorten umfassende Auswahl enthält neben billigen auch recht gute Ausführungen. Das folgende Schreiben der Bibliothek des Königlichen Kunst gewerbe-Museums in Berlin ist ein guter Geleitbrief für diese Plakate von Richard Klippgen & Co. »Wir bestätigen Ihnen mit verbindlichem Dank den Empfang Ihrer beiden trefflichen Plakate, die wir mit Vergnügen in unserer Ausstellung haben aufhängen lassen. Sie gehören sowohl ihrer Erfindung wie ihrer technischen Ausführung nach zu den echt künstlerischen Arbeiten, die in unserer deutschen Plakatkunst bisher noch so selten sind. Wir werden jeden weiteren Schritt auf diesem Wege mit Genugthuung begrüssen und gern nach unseren Kräften fördern. Es würde uns interessiren, seiner Zeit auch ein Exemplar mit eingedrucktem Text zu erhalten. In vorzüglicher Hochachtung Bibliothek des Königl. Kunstgewerbe-Museuins Dr. P. Jessen, Direktor« Einigungs-Aemter im französischen Buchdruckgewerbe. Die Buchdrucker und Verleger in Frankreich hatten auf ihrem Kongresse in Marseille 1895 eine aus neun Unternehmern be stehende Kommission gewählt, die beauftragt wurde, mit Arbeiter- Vertretern gemeinsam über Regelung von Arbeitsfragen zu unterhandeln. Die gemischte Kommission tagte, wie das Ge werbe-Gericht mittheilt, bereits verschiedene Male und ihre Arbeit war allseits befriedigend. Sie trat Mitte Mai anlässlich des Fach- Kongresses der Unternehmer in Paris wieder zusammen und be schäftigte sich mit der Frage der Streikverhütung. Arbeiter und Unternehmer entwarfen im vollen Einverständniss die Grundzüge einer Verordnung, die alle Differenzen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern vorsieht und für die Erledigung fast eines jeden Streit- falles Bestimmungen giebt, sodass es kaum zum Streik kommen dürfte. Es wurde bestimmt, dass in den wichtigsten Mittelpunkten der Industrie gemischte Kommissionen geschaffen werden sollen, die als Einigungs-Aemter und Schiedsgerichte nach dem Muster thätig sein sollen, das sich in Belgischen Kohlen-Revieren be währt hat.