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1632 Feine Drucksachen und ihr Preis Von Carl Kempe in Nürnberg Alle Rechte Vorbehalten Fortsetzung zu Nr’ 42 Der Theilhaber Der Theilhaber eines Ge schäftes gehört in vielen Fällen zu den ständigen Ein richtungen eines Betriebes, darum rechne ich mit ihm auch an dieser Stelle. Man sieht grosse Betriebe empor wachsen, man sieht sie sich gut entwickeln und das Feld behaupten. Wird die Sache rein ge schäftlich angefasst und nur geschäftlich, so klappt das Geschäft, der Betrieb entwickelt sich gedeihlich, die Gesellschafter finden ihr Brod, und beide Theile fahren gut dabei; greift die Theilhaberschaft aber auf das Persönliche hin über, gerathen sonst sehr tüchtige Geschäfts leute aus persönlichen Gründen in Händel, dann ist es leider nur zu bald mit der Blüthe des Geschäftes vorbei. Ein tüchtiger Geschäftsmann braucht nicht immer ein sogenannter »Kaufmann« zu sein. Geschäfts talent ist an eine kaufmännische Vorbildung nicht gebunden, darum ist es auch ziemlich gleichgiltig, wie sich zwei Theilhaber finden. Sind sie beide ge wandte Leute, die Markt und Waare kennen, so machen sie auch Geld, sie verdienen so lange, wie sie einträchtig Hand in Hand arbeiten. Ein gewandter Fachmann für das Innere und ein tüchtiger Geschäftsmann für das Aeussere ergänzen sich meist in befriedigender Weise. Ist der Geschäftsmann Kaufmann in dem Sinne, dass er alle Vortheile, die zum Be triebe gehören, gelten lässt, und Alles verwerthet, was in den Bereich des Geschäftes fällt, so ist er unser Mann, selbst verständlich Alles in ehrenwerthen Grenzen, getreu nach dem alten Schweizer Sprichwort: »Die Wahrheit ist die grösste List.« Wir brauchen für den III. Theil die vorstehende Einleitung, um den Buchdruckereibesitzer, der die in vielen Geschäften markt gängige Berechnung der Drucksachen nicht begreifen kann, darüber aufzuklären, dass nicht jeder billige Preis Schwindel, und jedes Untergebot unlauterer Wettbewerb ist. Feine Drucksachen werden dort immer am billigsten hergestellt, wo sie den ausschliesslichen Gegenstand des Geschäftsbetriebes bilden. Wer heute den Massendruck pflegt und mit allen Maschinen darauf eingerichtet ist, womöglich mit einem billigen Schwarz jede beliebige Drucksache druckt, und seine Pressen nach Kräften ausnützt und laufen lässt, der kann unmöglich sofort zum feinsten Accidenzdruck übergehen. Wie machen es denn die sogenannten Papierwaarenfabriken, deren Feld doch im eigentlichen Sinne des Wortes der Massendruck ist? Sie drucken doch auch feine Köpfe, farbige Kataloge und viele andere Accidenzen, die garnicht in ihr Gebiet gehören. Die Papierwaarenfabrik macht es genau so, wie dies weiter unten im Allgemeinen ausgeführt wird, sie wird nicht den Feindruck mit dem Massendruck vermengen und ihre im Massendruck ausgelaufenen Schnellpressen für feine Arbeiten verwenden wollen. Das ginge einfach nicht. Die für den Massenbuntdruck noch ein leidliches Register liefernde Schnellpresse würde nicht mehr einen einzeiligen Briefkopf ohne Schmitz herauswerfen. Die Papierwaarenfabrik hat für gewöhnliche Sachen in der Regel auch gewöhnliche Maschinen, für feine Arbeiten hält sie sich ihre besondere Abtheilung, die in vielen Betrieben mit dem Massendruck garnicht in Berührung kommt. Dass die Papierwaarenfabriken billige Drucker sind, ist bekannt, ebenso, dass die meisten trotzdem mit befriedigendem Nutzen arbeiten. Bei dem Wort »Kataloge« kann man allerdings recht oft ein Fragezeichen machen, weil diese Arbeiten bereits ein Sonder feld bestimmter Geschäfte zu werden beginnen, und zwar sollen sie mit Recht als Besonderheit gepflegt werden, das liegt in der Eigenthümlichkeit dieses Gebietes, das besonders' in Deutschland ganz hervorragende Förderer und Pfleger findet. Ich bleibe bei den besseren Arbeiten allgemeiner Natur, bei den Accidenzen. Ich habe bereits früher darauf hingewiesen, dass zwei Namen — Schleicher & Schüll — mit dem Aufkommen des feinen Accidenzdruckes in Deutschland eng verknüpft sind. Hier waren es also zwei Grosskaufleute, die durch ihre umfassende Kenntniss des Marktes der feinsten Papiere er kannten, wo der deutsche Buchdrucker einzusetzen hatte, wenn er gute Arbeiten im modernen Sinne des Wortes liefern wollte. Zunächst musste die deutsche Geschäftswelt an feine Papiere gewöhnt werden. Das elende Zeug der Briefpapiere aus den siebenziger Jahren musste beseitigt werden. Der Kaufmann sollte sich an bessere Waare gewöhnen, auch dem Buch drucker musste Besseres geboten werden, es sollte nicht mehr nach der Billigkeit gefragt werden, sondern nach der Güte. Die »Buchdrucker-Kaufleute« waren es, die hier mit einer er- staunlichen Umsicht Wandel schafften. Das genannte Geschäft hat gewiss in einem Jahre mehr für Postgebühren ausgegeben, als ein kleineres Geschäft Einnahmen hat. Und dabei wollten diese Herren nicht einmal »Buchdrucker« sein, sie wollten nur ihre guten Papiererzeugnisse an den Mann bringen, und das haben sie mit bestem Erfolge erreicht, sie haben nicht nur in grossartiger Weise Wandel geschaffen hinsichtlich der Papier wahl, sie haben auch die Abnehmer an richtige Preise gewöhnt. Dem Buchdrucker wäre es gewiss schwer gefallen, hier allein eine Umkehr herbeizuführen, der Papiermann musste helfend zur Seite stehen und dieser Papiermann bleibt auch heute noch und höchst wahrscheinlich für alle Zeit im Buch druckereigewerbe die wichtigste Person. Das Papier ist der wunde Punkt; ich werde im nächsten, dem Schluss-Aufsatz, auf ihn zurückkommen. Der Theilhaber eines Buchdruckers soll zunächst der Rechner sein. Ohne Rechnen keine Lösung, kein Gewinn. Wie viele Unternehmungslustige gingen mit Kraft und Muth ins Zeug, und wie viele dieser tüchtigen Leute erlitten Schiff bruch. Warum? Bei aller Tüchtigkeit für den inneren Betrieb, bei allem Können in ihrer Technik hatten sie keinen Rechner zur Seite. Ich war vor vielen Jahren Pächter einer Buch- Druckerei in P. Was war ich für V. ein fleissiger Mann. Ich re- digirte eine demokratische Tageszeitung selbst, ja ich verbrach sogar den eigenen Roman, um das Honorar zu ersparen, ich stand von früh bis spät am Kasten, und des Abends, wenn alle Leutefort waren, legte meine Frau an der Schnellpresse auf, und ich drehte das Rad; wir druckten die feinen Accidenzen nach Feierabend! Am Sonntag stand ich in der Setzerei und räumte die Bretter auf, und legte ab, was die Herren Setzer von der Woche her übrig gelassen hatten. Während dieser meiner Thätigkeit am Sonntage überraschte mich der Besuch eines reichen Kunden. »Ja, Herr K., was machen Sie denn da? Sie verrichten solche Arbeit? Können Sie dafür keine Leute haben? Ein Geschäftsmann gehört auf die Strasse, der muss laufen und Arbeit holen, für das Uebrige bekommen Sie immer Leute.« Mir war das Weinen näher als das Lachen. Ich trieb mein Geschäft als rechter, echter Buchdrucker, rackerte mich ab bis zur Schwindsucht und hatte meine liebe Noth, die Pacht und das Brod für Weib und Kinder zusammen zu bringen. Aber der Rath des Sonntagsmannes kam mir nie mehr aus dem Gedächtniss. Ich liess bald Pacht Pacht sein und fing »das Laufen« an, lief aber nicht mehr den Druckerkunden nach, sondern dem Buchdrucker, und das war dann doch das Richtige. • Damals hatte ich auch das Rechnen noch nicht