Volltext Seite (XML)
1498 PAPIER-ZEITUNG Nr 42 keinerlei Ventilationsvorrichtung; der Maschinensetzer ist ge zwungen, die verbrannten Gasdünste fortgesetzt einzuathmen, und schweres körperliches Leiden dürfte ihn in kurzer Zeit be fallen. Aus rein menschlichen Gründen bitte ich das Kaiserliche Reichs-Gesundheitsamt, ahordnen zu wollen, dass die Setz- Maschinen, gleichviel wer sie baut, in sämmtlichen Buch druckereien mit Abzugsventilation für Gase aller Art versehen werden. Diese Ventilation ist ohne jede technische Schwierig keit an jeder Setz- oder Zeilengiessmaschine anzubringen, und es bleibt sich auch vollkommen gleich, welche Ventilationsart angewendet wird. Ich selbst habe nach einstündiger Arbeit an einer solchen unventilirten Zeilengiessmaschine derartige Halsschmerzen bekommen, dass ich zwei Tage lang leidend war und den trockenen, brennenden Geschmack nach ver dorbenem Gas nicht los werden konnte. Diese an mir selbst beobachtete Erscheinung ist auch der Grund, weshalb ich das Kaiserliche Reichs-Gesundheitsamt auf die Gefahren der Setz- Maschinen aufmerksam mache, Gefahren, die leicht und ohne erhebliche Kosten zu beseitigen sind.« Der Nürnberger Fachmann bemerkt in seiner Zuschrift, dass ihn lediglich Mitgefühl für die Setzmaschinensetzer zu dieser Eingabe veranlasste. Hoffentlich kommen die Setzmaschinen- Fabriken der gegebenen Anregung nach, um so mehr als die Gefahren leicht zu beseitigen sind. Mündliche Mittheilungen nutzen nichts, das hat Herr Kempe selbst erfahren, darum fährt er das grobe Geschütz der öffentlichen Besprechung auf. * ♦ * Auf diese Eingabe hin erhielt Herr Kempe folgenden Bescheid: Der Direktor des Kaiserl. Gesundheitsamtes Berlin, 5. April 1897 Euer Wohlgeboren theile ich auf das gefällige Schreiben vom 27. v. M. ergebenst mit, dass ich Schritte gethan habe, um Kenntniss von etwaigen, anderwärts gemachten Erfahrungen über gesundheitliche Schädigungen durch die neuerdings zur Einführung gelangte Zeilengiessmaschine »Typograph« zu erlangen. Betreffs der von Ihnen in Nürnberg beobachteten Schädlichkeiten der gedachten Art gebe ich Euer Wohl geboren anheim, bei der dort zuständigen Behörde vor stellig zu werden. gez. Köhler Wirkl. Geh. Ober-Regierungsrath. An den Buchdrucker und Fabrikbesitzer Herrn Karl Kempe, Nürnberg Diese Zuschrift des Reichsgesundheitsamtes veranlasste Herrn Kempe zu folgender Aufklärung: Nürnberg, 10. April 1897 An den Herrn Direktor des Kaiserl. Gesundheitsamtes Die Beobachtungen an den Zeilengiessmaschinen habe ich auf meinen Reisen gesammelt. Ich nahm die gefährlichen Gas dünste zuerst in England wahr, wo ich 26 solcher Maschinen in einem beschränkten Raume arbeiten sah. Die Leute arbeiteten im Winter bei offenen Fenstern, um. nur frische Luft zu er halten. Alle Arbeiter waren leichenblass und meist skelett artig abgemagert. Auf der Berliner Ausstellung sah ich alsdann den Löweschen »Typograph«, ebenfalls mit offenen Bunsen- Brennern arbeitend und jene penetrante Luft verbreitend, die man tagelang nicht aus der Nase verliert. Vor 14 Tagen war ich in Zürich in der Offizin Frey, dort war ein »Typograph« kurz vorher zur Aufstellung gelangt, und auch er arbeitete mit offenem Gasfeuer. Ich persönlich habe kein Interesse daran, ob das Reichsgesundheitsamt der Löwe-Kompagnie Auflagen macht oder nicht, mich treiben nur rein menschliche Motive. Millionen von Mark wendet die Technik daran, neue Werkzeuge zu ersinnen, welche die Hand des Setzers verdrängen sollen, aber die Hygiene beachtet kein Konstrukteur. Ich bin Erfinder und Patentinhaber einer Schutzvorrichtung gegen die Blei dämpfe an Stereotypieheerden, ich spreche also gewissermaassen als Fachmann, wenn ich sage, dass die Gasfeuerung an den Zeilengiessmaschinen sich leicht fangen lässt, um ins Freie die schädlichen Dünste zu leiten. Hier in Bayern stehen noch keine Zeilengiessmaschinen. Ergreift das Kaiserliche Reichs- Gesundheitsamt hier die Initiative, so ist ihm der Dank der ge summten Buchdruckerwelt gewiss. Hochachtungsvoll Carl Kempe, Direktor des Kempewerks Nürnberg Unser Mitarbeiter bemerkt noch in einer Zuschrift an die »Papier-Zeitung«, dass er auf seinerStudienreise im Jahre 1896 sämmtliche Systeme der Setzmaschinen kennen lernte, solche auch sämmtlich im Betriebe sah und die Werkleiter der be treffenden Fabriken darauf aufmerksam machte, die Feuerung an den Zeilengiessmaschinen, ebenso die Bleidämpfe zu fangen und abzuleiten. Die Fabriken werden nunmehr wohl die Ein mischung des Reichsgesundheitsamtes nicht erst abwarten, um Wandel zu schaffen. Jedenfalls wird diese Behörde mit Weiterem nicht auf sich warten lassen, wie aus der nachfolgenden Schluss- Antwort an Herrn Kempe zu ersehen ist. Der Direktor des Kaiserl. Gesundheitsamtes Berlin, 23. April 1897 Euer Wohlgeboren beehre ich mich für die mir mittels gefälliger Zuschrift vom 10. d. M. gemachten weiteren Mittheilungen über die bei der Handhabung von Zeilen- Giessmaschinen (Typograph) von Ihnen beobachteten ge sundheitlichen Schädigungen meinen verbindlichsten Dank auszudrücken. Die weiteren Entschliessungen werden sich erst nach Eingang der sonst noch eingeleiteten Er hebungen fassen lassen. Unterschrift An den Direktor des Kempewerks Herrn Karl Kempe, Nürnberg Ludwig Löwe & Co., Akt.-Ges., Typograph-Abtheilung, theilen uns auf unsere Anfrage am 17. d. M. mit, dass sich am 13. d. M. Sachverständige im Auftrage des Reichsgesundheits- Amtes über den gerügten Mangel unterrichtet haben. Die Herren überzeugten sich davon, dass die Ableitung der Gase in vollkommen genügender Weise erfolgt, sodass keinerlei Grund zum amtlichen Einschreiten vorliegt. Als Herr Kempe die Maschine im vorigen Sommer be sichtigte, war allerdings die Ableitung der Gase, obgleich sie von vornherein vorgesehen war, noch nicht angebracht, da die zur Besichtigung im Kontor aufgestellte Maschine nur kurze Zeit täglich im Betriebe war. Ein Ableitungsrohr in der Berliner Gewerbe-Ausstellung anzubringen, war wegen der grossen Höhe der Maschinenhalle und des Mangels eines dazu verfügbaren Schornsteines nicht möglich. Routing-Maschine mit direktem Deckenantrieb Kenner der amerikanischen Routings werden schon oft einen Uebelstand beklagt haben, der selbst den beliebtesten überseeischen Fräsmaschinen eigen ist: das ist der Antrieb durch senkrechte Wand- Wellenleitung. Die ser Antrieb wurde früher auch den Routing -Maschinen desKempewerks ge geben. Neuerdings ist er in einer an deren Form ange ordnet worden, es hat sich dabei er geben, dass die Ma schinen die gleiche Geschwindigkeit und ebenso leichten Gang mit unmittel barem Deckenan trieb wie bei Antrieb durch senkrechte Welle erreichen. Das Bild lässt die neue Art des An triebes genau er kennen. Er gestattet die Verbindung mit einer Dynamo ohne besondere Vorrich tung, eine Neuheit, die den chemigraphischen Werkstätten mit elektrischem Betrieb zweifelsohne willkommen sein wird. Bisher war die Ein schaltung einer Kraftdynamo nur mit erheblichem Kostenaufwand zu erreichen, während die jetzige Bauart jeden Antrieb zulässt, ohne besondere Kosten zu verursachen.