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Nr 41 1458 Buchgewerbe Buchbinderei ** Buchdruck *** *** Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Serichterstattez erhalten angemessene Bezahlung Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Des Himmelfahrtstages wegen findet die nächste Sitzung erst am Donnerstag, 3. Juni, statt. Die Tagesordnung wird später veröffentlicht werden. Der Vorstand. Plakate Von Albin Maria Watzulik Schluss zu Nr. 89 Ganz verschieden von den bisher besprochenen Plakaten sind die amerikanischen. Zwar sind sie ebenso wie die europäischen mehr oder minder farbig gedruckt, aber gerade die dekorative Ausstattung ist wesentlich anders. Während die alte Welt ihre Plakate geflissentlich mit Allegorien, in der neuesten Zeit mehr mit weiblichen Gestalten, verziert, verlegen sich die Amerikaner auf die Schmückung mit Bildnissen berühmter Persönlichkeiten in Naturgrösse und auf riesengrossen Papier-Formaten. Die Bildnisse werden ge wöhnlich auf besonderes Papier gedruckt und auf das mit Text bedruckte Plakatpapier geklebt. Der Text ist meist kurz und geschmackvoll lithographisch ausgeführt, das Hauptgewicht legt man auf das Bildniss (Fig. 8). Die eigenthümliche äussere Verzierung liefert den Beweis, dass die amerikanischen Künstler verstehen, die Bildnisse wirksam hervortreten zu lassen. Die Frivolität, die sich be sonders in französischen Plakaten breit macht, habe ich mit wenigen Ausnahmen fast nirgend in Amerika wahrgenommen. Die Amerikaner hegen grosse Vorliebe für alles Grosse und Schaurige. Ihre Plakate, besonders die der Zirkusgesellschaften oder der Vergnügungshallen haben die Papiergrösse von 4:15m. SolcheRiesen- Plakate bestehen aus mehreren Bogen und sind zusammen ge klebt. Kein Land ist in der Reklame so weit gegangen, wie Amerika. Auf der Strasse erblickt mau fast überall Plakate an den Häusern und Plakatsäulen, sowie an lebenden, wandelndenMenschen und Thieren, auf den Treppen, in den Omnibussen, in allen öffentlichen Lokalen, s ogar auf demTro ttoir; die Commis drücken den Kunden zu sammengerollte oder flach eingepackte Pla kate in die Hände. Dieser in den ameri kanischen Waaren- häusern herrschende Fig. 8 benutzt, als bei uns in Europa, so werden z. B. auch die farbigen Bilder zu dem Witzblatt »Puck« ausschliesslich lithographisch ausgeführt. Die ungeheure Menge von Bildern für Reklame zwecke wird ebenfalls fast ausschliesslich lithographisch her- gestellt, was bei uns nicht immer der Fall ist. Die Amerikaner be gnügen sich aber mit papiernen Plakaten schon lange nicht mehr. Sie suchen sich die Elektrizität zu Nutze zu machen; sie lassen bei Eintritt der Dunkelheit die ganze äussere Wand eines Hauses mit elektrischem, fort während spielendem Licht- und Farbenwechsel be leuchten. Dies kann man ein elektrisches Plakat nennen. Auf der Weltaus stellung zu Chicago sah ich am dunklen Himmel riesige lichte Buchstaben umher schweben, die ebenfalls elektrisch in die Höhe ge sandtwurden. Bei der Fahrt von New York über Wa shington nach Chicago und zurück über den Niagara- Fall erblickte ich längs der Bahnwege eine in gewisser Entfernung immer wieder auf- tauchende, riesige, schwarze Tafel, die nur die Worte: »Children cry for Pitchers Castoria« (Kinder schreien nach Pitchers Castoria) in weissen, grossen Buchstaben enthielt. »The World« liess allstündlich an der äusseren Wand, nach der belebtesten Strasse zu, auf riesiger Papiertafel, von einem Schriftmaler die einlaufenden Depeschen in grossen, weithin lesbaren Buchstaben aufpinseln. Dies ist also ein Depeschenplakat, aber auch eine Reklame für die Zeitung selbst. Die Vorübereilenden konnten die Wand-Depeschen bequem lesen. Bei der Fahrt nach dem berühmten Seebad Coney Island bei New York erblickte ich auf saftigen, grünen Wiesen fast fortwährend riesige Reklameschriften, die aus weissen Kiesel steinen bestanden, und bei der Heimkehr leuchteten mir auf derselben Strecke abends wieder riesige, aus unzähligen elektri schen Flämmehen bestehende Schriften entgegen. Also Stein- und Flammenplakat! Freilich haben weder Buchdrucker noch Lithographen damit etwas zu thun, und doch sind es Plakate. Eine grossartige Fabrik von »Patentmedizinen« in Baltimore unterhält auf eigene Kosten ein Heer von Anstreichern, die alle schiffbaren Ströme der Union befahren, um Reklamen auch in den kleinsten und abgeschiedensten Flussstädtchen anzubringen. Zur Zeit arbeiten die modernen Künstler daran, alles Her kömmliche über Bord zu werfen und ganz neue Wege einzu schlagen. Vor einiger Zeit konnte man dies an den Ergebnissen der letzten Preisausschreiben für Plakatentwürfe erleben. Gebrauch ist an genehm, weil man sich kostenlos eine Sammlung der schönsten Bilder anlegen kann. Auch in der Verabfolgung von Gratis- Bildern werden wiederum die Amerikaner von keinem anderenVolk der Welt übertroffen. Die als Erinnerungszeichen dienenden Plakate, die gewöhnlich mit praktischem Abreisskalender ver sehen sind, werden häufig und gern als Zimmerschmuck verwendet. Der - Bedarf von derartigen Reklamebildern ist so gross, dass man sich davon in der alten Welt keinen Begriff machen kann. Die Lithographie wird in Amerika mehr Sonderbarerweise haben die Maler, die mit dem Pinsel vieles Andere in bewundernswerther Weise schaffen können, nicht verstanden, sich mit Plakatzeiehnungen abzufinden. Dies liegt darin, dass sie sich bisher nicht um Erwerbung von Kenntnissen des lithographischen Verfahrens bekümmert haben. Den besten Erfolg bei den Plakatausschreiben haben die Kunstgewerbe- Schüler erzielt. Die modernen Künstler müssen weder auf das Rokoko, noch auf das Mittelalter zurückschauen; sie müssen in das volle Menschenleben hineingreifen, denn wo und wie sie es packen,