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1456 PAPIER-ZEITUNG Nr. 41 Mangelhafte Bedienung von Dampfkesseln In kleineren Dampfbetrieben kommt es nicht selten vor, dass kein eigentlicher Kesselwärter aufgestellt ist, sondern die in der Nähe des Kessels beschäftigten oder verkehrenden Arbeiter sich in das Geschäft der Kesselbedienung zu theilen haben, indem bald der eine, bald der andere »damit das Feuer nicht ausgeht« im Vorübergehen ein paar Schaufeln Kohlen auf den Rost wirft und, wenn’s hoch kommt, auch einmal nach dem Manometer sieht; ja ein besonders Eifriger bekümmert sich gelegentlich auch um den Wasserstand im Kessel und rückt, wenn er im Glase fast kein Wasser mehr sieht, die Speisepumpe ein. Die Sicherheitsvorrichtungen des Kessels genau zu beobachten und in gangbarem Zustande zu erhalten, dazu hat Keiner Zeit und auch keine besondere Veranlassung, denn »der Kessel geht ihn ja eigentlich nichts an«. Welch schlimme Folgen ein solcher Schlendrian nach sich ziehen kann, und welcher Gefahr sich die Betheiligten dabei aussetzen, lässt sich aus dem nachstehend beschriebenen, in einer Malzfabrik vorgekommenen Explosionsfall ersehen. Der Kessel, um den es sich handelt, ist in seinen Haupt- Abmessungen beistehend dargestellt (Maasse in mm). Er war 1876 gebaut, seine Heizfläche betrug 9 qm und seine fest gesetzte höchste Dampfspannung 5 Atm. Zur Speisung dienten eine Exzenterpumpe an der Dampfmaschine und eine Hand- Pumpe. Die letzte amtliche Revision des Kessels war eine innere und erfolgte zehn Monate vor der Explosion ohne Be anstandung. Zur Wartung des Kessels war keine eigene Person aufgestellt, sondern die beiden in der Nähe beschäftigten Arbeiter, von denen der eine erst drei Wochen im Geschäfte und mit der Bedienung von Kesseln nicht vertraut war, ver sahen dieses Geschäft abwechselnd, wie es eben der Zufall brachte. Am Tage der Explosion morgens 4 Uhr wurde von einem dieser Arbeiter der Kessel angeheizt und eine Viertelstunde später die Dampfmaschine in Gang gesetzt. Die Dampfspannung soll dabei 1 Atm. betragen haben, was bei dem um diese Zeit eingeschränkten Betriebe stets genügte. Gegen 8/,7 Uhr öffnete der andere, ältere Arbeiter, vielleicht um nachzuschüren, die Feuerthür und bemerkte, dass die Feuertafel glühend war. Nichts Gutes ahnend, forderte er durch Zurufe seinen Kameraden auf, den Kesselraum zu verlassen, und kaum waren die beiden in den anstossenden Raum getreten, als mit einem dumpfen Knall die Explosion des Kessels erfolgte. Das Kesselmauerwerk wurde fast vollständig zerstört und lag als Schutthaufen unter und neben dem Kessel, nur die hintere Stirnmauer blieb stehen. Mehrere Theile des Kesselhaus- Daches waren verschoben und verschiedene Fensterscheiben eingedrückt. Der ganze Kessel wurde vorn um etwa 60 cm gehoben und um etwa 12 cm vom Heizerstande nach rechts verschoben. Die Feuertafel war, wie die mit Fig. 3 bezeichnete photo graphische Wiedergabe zeigt, auf der Unken Seite der Länge nach aufgerissen und nach der anderen Seite hin aufgeklappt, wobei von der Börtelflansche des vorderen Verbindungsstutzens ein Stück mitgerissen wurde. Das gusseiserne Speise- und Ablass- Rohr war beim Aufsteigen des Kessels abgebrochen und erwies sieh als theilweise mit Kesselstein verlegt. Die Feuertafel zeigte in hohem Maasse die deutlichen Merk male des Ausglühens; auch die untere Hälfte der zweiten Blech rolle des Hauptkessels war roth gefärbt. Die Bruchränder der Feuertafel fand man theilweise verbrannt, was darauf schliessen liess, dass diese Tafel zur Zeit der Explosion weissglühend war. Die Ausrüstungstheile des Kessels waren nicht beschädigt und wurden bei der vorgenommenen Untersuchung „durchweg in Ordnung befunden. Selbst das Wasserstandsglas war un beschädigt, jedoch ziemlich stark beschmutzt. Der Kolben der Handpumpe sass fest, was jedoch mit der Explosion nichts zu thun hat, sondern nur beweist, dass die Handpumpe als soge nannte zweite Speisevorrichtung nie oder nur selten benutzt wurde. Die Beschaffenheit der zerstörten Kesseltheile, insbesondere der Feuerplatte, wies zweifellos darauf hin, dass Wassermangel die Ursache der Explosion war. Dieser hatte Erglühen, Weich werden und Aufreissen der Feuertafel zur Folge. Der Wassermangel muss der fehlerhaften Einrichtung der Kesselbedienung zugeschrieben werden, indem von den beiden Arbeitern, welche den Kessel gemeinsam zu bedienen pflegten, sich einer auf den andern verliess. Infolgedessen wurde das rechtzeitige Speisen des Kessels versäumt. Ausserdem mag die Beschmutzung des Wasserstandsglases mitgewirkt haben, indem sie eine Täuschung über den Stand des Wassers im Kessel hervorrief, was einen weiteren Beweis dafür bildete, dass der Kessel nicht ordnungsmässig bedient war. Obwohl diese Explosion — zufälliger Weise! — keine Menschenleben gefährdete und auch keinen sehr grossen Schaden an Eigenthum verursachte, so ist sie doch insofern bemerkens- werth, als sie zeigt, wohin es führen kann, wenn die Besorgung eines so wichtigen Geschäftes, wie es die Wartung eines Dampf- Kessels ist, nicht einer verantwortlichen Person anvertraut ist. Es muss ja eingeräumt werden, dass es sich in kleinen Dampfbetrieben nicht lohnt, einen eigenen Heizer anzustellen, nichtsdestoweniger muss zum Schutze von Menschenleben und Eigenthum ausnahmslos gefordert werden, dass nicht zwei oder noch mehr Personen, von denen gegebenenfalles keine zur Rechenschaft gezogen werden will und kann, sich in die Be dienung des Dampfkessels theilen, sondern dass diese nur einer Person, und zwar einer dafür geeigneten, übertragen werde, welche für die gewissenhafte Ausübung des Dienstes ausdrücklich in Pflicht und Verantwortung zu nehmen ist. Etwaige Nebenbeschäftigungen sind, wo sie nicht ganz vermieden werden können, nur insoweit zulässig, als durch sie die Bedienung des Kessels — welche das Hauptgeschäft des Kesselwärters bleiben muss — nicht beeinträchtigt wird, und müssen vor Allem so eingerichtet werden, dass sie den Mann nicht zu lange und insbesondere nicht zu weit vom Kesselraum fernhalten. (Zeitschrift des Bayerischen Dampfkessel-Revisions- Vereins.) Sieg der deutschen Sprache Im österreichischen Abgeordnetenhause sagte Dr. Peez, Besitzer der Weissenbacher Sulfitstofffabrik, am Schluss einer Rede zum Handelsvertrag mit Bulgarien Folgendes: Die Verkehrssprache mit der Balkan-Halbinsel hat sich geändert. Vor 30 Jahren war die Handelssprache griechisch, später französisch und seit etwa 15 Jahren ist sie deutsch. Im Verkehr mit Rumänien, Serbien, Bulgarien und der Türkei wird über wiegend deutsch gesprochen. Während im Nordosten Europas die deutsche Sprache eingeschränkt wird, gewinnt sie im Süd- Osten neue Ausdehnung, und darin ist ein Fortschritt der Kultur zu erblicken.