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1242 PAPIER-ZEITUNG Nr. 35 Lieferung der Fabrikanten an Verbraucher In seiner letzten Hauptversammlung beschloss der »Papierverein Rheinland-Westfalen«, von Zeit zu Zeit seinen Mitgliedern diejenigen Fabrikanten namhaft zu machen, welche sich verpflichten, nur an Händler und papierverarbeitende Firmen, also nicht unmittelbar an Verbrauchei’ zu liefern. Die erste dieser Listen, die am 15. Februar erschien, enthielt 38 Namen. Vor einiger Zeit ist eine zweite nach gefolgt (vergl. Nr. 33 S. 1166), welche 21 weitere Firmen aufführt, die alle in einem Schreiben an den Verein obige Verpflichtung eingegangen sind. Weitere Listen sollen nach Maassgabe des Beitritts anderer Fabriken herausgegeben werden. Die Absicht, welche zur Schaffung dieser Listen geführt hat, war vornehmlich, die besseren Ladengeschäfte in den grösseren Städten zu schützen gegen den überhandnehmenden Wettbewerb der Fabriken und Grosshandlungen, welche unter Umgehung des Zwischenhandels an Verbraucher liefern. Man wollte eine Richtung in dem modernen Wirthschaftsleben bekämpfen, die sich in allen Geschäftszweigen immer mehr Bahn bricht, nämlich die möglichste Beseitigung des Zwischenhandels. Ueberall ist man bestrebt, den Erzeuger und den letzten Verbraucher in unmittelbare Verbindung mit einander zu bringen. Schon seit langer Zeit haben bedeutende kapitalkräftige Grosshandlungen, verbunden mit vorzüglich eingerichteter Druckerei, erfolgreich versucht, die Vermittelung der besseren Ladengeschäfte, deren eigenste Kundschaft die grösseren gewerblichen und Handels- Unternehmungen ihrer Stadt und der nächsten Umgebung mit ihrem grossen Bedarf an Papier und Schreibwaaren bilden, nach Möglichkeit bei Seite zu schieben. Diesem Beispiel sind einige Fabriken gefolgt, und hiergegen kehren sich die Bestrebungen des Vereins. Diese Absicht ist unbedingt löblich und wird dazu beitragen, den so arg bedrängten Ladengeschäften einigermaassen zu helfen, wenigstens indem sie dieselben davor bewahrt, Geschäftsverbindungen mit Firmen beizubehalten oder anzuknüpfen, die ihnen selbst Wettbewerb machen. Trotzdem ist nicht zu leugnen, dass sich der Ausführung dieses Planes grosse Schwierigkeiten in den Weg stellen, und dass die Absicht bis her nur in geringem Maasse erreicht wurde. Die Gefahr ist nicht so gross, wie man glauben möchte. Betrachtet man z. B. die fran zösischen Verhältnisse, so findet man, dass fast alle grösseren Fabriken Lager und Zentralbureau in der Hauptstadt haben, die den grossen Banken, Fabriken usw. Papier und was sonst im Betriebe gebraucht wird, liefern. Davon sind wir glücklicherweise noch weit entfernt. Wollte man nach den bereits erschienenen Listen urtheilen, so müsste man die Gefahr der Unterdrückung des Kleinhandels für ausserordentlich gross halten, denn was wollen bis jetzt 59 Firmen bedeuten bei der grossen Zahl der in unserem Fach thätigen? Viele Papierfabriken müssen eo ipso in der Liste fehlen, da ihre Geschäftsgrundsätze den Bestrebungen des Vereins direkt entgegen stehen, nämlich die Normalpapier fertigenden Fabriken. Sie sind geradezu gezwungen, den Behörden ihre Erzeugnisse direkt abzu geben, weil diese nicht vom Zwischenhändler kaufen wollen. Selbst ganz kleine Posten Normalpapier werden von den Fabriken verlangt, Posten so klein, dass man sie am liebsten verweigerte, wenn man nicht fürchtete, dadurch auch die grösseren zu verlieren. Viel wichtiger ist eine andere Klasse von Papierfabriken, die ich auch vergeblich in der Liste suche, nämlich die rheinischen Feinpapier fabriken, die doch gerade vor allen anderen versucht sein könnten, den grösseren Verbrauchern Postpapier, Zeichenpapier usw. direkt abzu geben. Äusser einer weitentlegenen sächsischen Feinpapierfabrik stehen in der Liste fast nur Fabriken von Pack- und Druckpapier, denen es wohl schwer fallen würde, ihre Erzeugnisse an eine Bank oder ein Hochofenwerk abzusetzen. Die Mitglieder des Vereins, denen in einem Rundschreiben nahegelegt wird, nur die aufgeführten Fabri kanten bei Einkäufen und Bestellungen zu berücksichtigen, wären also in grosser Verlegenheit, wenn sie ihren Bedarf in feineren Papieren zu decken haben. Grundsätzlich liefern die rheinischen Papierfabrikanten nicht an Verbraucher direkt, sie wollen sich aus schliesslich der Vermittelung durch ihre Kundschaft, d. s. die besseren Gross- und Kleinhändler, bedienen. Jedei’ bessere Papierhändler wird bestätigen, dass er schon manchmal Anfragen von Verbrauchern, die an die Papierfabrik gerichtet waren, von diesen zur eigenen Er ledigung überwiesen erhielt, und manches schöne Geschäft, das ihm sonst nicht geglückt wäre,ist ihm dadurch gleichsam in denSchooss gefallen. Noch kürzlich hatte ich Gelegenheit, bei einer rheinischen Feinpapier- Fabrik den Brief eines Kunden, dem in obengeschilderter Weise eine Anfrage üb erwiesen war, mit dem Hinweis, dass an Verbraucher grundsätzlich nicht geliefert würde, zu sehen. Es hiess darin: »Es freut mich jedoch, von Ihnen zu hören, dass Sie Ihrem festgesetzten Grundsatz, nur an Wiederverkäufer zu liefern, treu bleiben. Es wäre für alle deutschen Firmen sehr empfehlenswerth, wenn sie ebenso handeln würden, wie Sie es thun«. Man wird fragen: Warum haben sich denn diese Firmen trotzdem nicht in die Liste aufnehmen lassen? Nicht, wie wohl gesagt worden ist, weil sie allen Bestrebungen, die nicht von ihnen selbst ausgehen, ablehnend und feindlich gegenüberstehen, nicht weil sie einem leisen Zwange gegenüber, der hier von ihrer Kundschaft auf sie aus geübt wird, sich unzugänglich zeigen wollten, sondern es geschah nur aus Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit, So sehr es Regel ist in allen diesen Fabriken, nicht mit Verbrauchern zu arbeiten, so hat doch jede von ihnen einige wenige allererste Häuser zu Kunden, die nicht dem Papierfach angehören, jedoch beruhen diese Verbindungen stets auf ganz besonderen Ursachen. Entweder sind sie durch persönliche Bekanntschaft der Firmeninhaber zufällig entstanden, oder es sind Versicherungsgesellschaften, bei denen die Fabrikanten ihre Anlagen versichert haben, oder was sonst die Gründe sein mögen. Bei den Versicherungsgesellschaften sind es stets Gegenseitigkeitsgeschäfte, indem diese sich gleichsam erkenntlich zeigen wollen für den mit ihnen gemachten Abschluss. Stets sind es aber Häuser von so hervorragender Bedeutung und mit so grossem Papierbedarf, dass sie diesen auf keinen Fall beim Händler decken würden. Sie wenden sich deshalb an eine Fabrik — aufgesucht werden sie von den Fabriken nie — und erhalten die gewünschte Waare. Wenn auch die meisten Fabriken derartige Aufträge grundsätzlich ablehnen wollten, würde sich doch stets eine finden, die das Geschäft machte, und so käme es den Händlern doch nicht zu Gute. Diese Geschäftsverbindungen fügen aber, so unwahrscheinlich es auch klingt, den Händlern aus folgendem Grunde keinen Schaden zu: Verlangt eine solche Verbraucher-Firma Angebot, so wird der Fabrikant in der meist richtigen Annahme, dass der Anfragende vom Papier doch nichts versteht, nur die besten Sorten bemustern, weil er an diesen am meisten verdient und damit wirklich Ehre einlegen kann, auch keine Reklamation zu befürchten hat. Desgleichen wird er sich einen guten Preis für seine gute Waare bezahlen lassen, der jedenfalls viel höher ist als der dem Händler berechnete, bei dem die liebe Konkurrenz schon dafür sorgt, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die verhältnissmässig kleine Zahl von Verbraucher- Firmen wird dadurch an so gute Qualitäten und hohe Preise gewöhnt, dass sie ihren sonstigen Bedarf an Schreibwaaren auch nur in bester Beschaffenheit und ohne lange am Preise zu markten, bei den Hand lungen der eigenen Stadt kauft. Würden sich dagegen sämmtliche Gross- und Kleinhändler der Umgebung auf diese grossen Posten stürzen, so wäre das Geschäft bald gründlich verdorben, und Niemand hätte Vortheil davon. Jeder würde seinen Mitbewerber durch niedrigere Preise und dementsprechend geringere Güte herauszubeissen suchen. Der Verbraucher würde sich an schlechtere Waare gewöhnen und zuletzt glauben, dass die letzten Preise immer noch zu hoch seien, und die Papierpreise alle Jahr mindestens um 10 pCt. sinken müssen, dass aber dabei Händler wie Fabrikanten mühelos Millionäre werden. Leider soll es vorkommen, dass superkluge Leute, die kaum einen Bogen Schrenzpapier von einem Whatmanbogen unterscheiden können, diese Ansicht hegen. Die rheinischen Feinpapierfabrikanten denken niemals daran, der artige Verbraucherfirmen direkt zubesuchen, sondern haben solche Privat- Verb in düngen lediglich dem Zufall zu danken. Sie handeln vielmehr ebenso in Uebereinstimmung mit den Bestrebungen des »Papiervereins Rheinland-Westfalen« wie diejenigen Firmen, von denen das Rund schreiben vom 15. Februar sagte, »dass sie die Ermächtigung zur Auf nahme in die Liste nicht strikte ertheilt hätten,' dass aber aus dem Inhalt ihrer Antwort hervorginge, dass sie gemäss diesen Bestrebungen handelten.« Ist es aber trotz solcher Erklärung den erwähnten Firmen erlaubt, den Tabakfabriken das Tabakpapier direkt zu liefern, den Zucker- Raffinerien das blaue Papier für die Zuckerhüte, den Spinnereien das Papier für die Hülsen und Spulen und den Gardinenwebereien das farbige Einschlagpapier in den unendlich mannigfaltigen Nüancen usw. usw.!? Wenn derartiger Firmen zu viele in der Liste stehen, so sind von denjenigen Grosshändlern zu wenig darin, die angeblich nur an Wiederverkäufer und papierverarbeitende Geschäfte, wie Buch druckereien usw., liefern. Von diesen gehört doch sicherlich eine grosse Zahl dem Verein an. Es soll manchen aber durchaus nicht unangenehm sein, wenn ihre Reisenden ihnen einige nette Aufträge von Verbrauchern überschreiben, besonders wenn die Preise ebenso nett sind. Diesen gegenüber müsste der »Papierverein Rheinland- Westfalen« seinen berechtigten und von Niemand mehr als den rheinischen Feinpapierfabriken getheilten Standpunkt nicht minder vertreten, denn es ist ein Unding, zugleich mit Wiederverkäufern und mit Verbrauchern arbeiten zu wollen. Eins schliesst das andere aus. Diese Prinzipien wieder deutlich hervorgekehrt und zu einer ent scheidenden Frage gemacht zu haben, ist das Verdienst des »Papier vereins Rheinland-Westfalen« und seines Beschlusses. Allseitige Aus sprache der betheiligten Kreise kann nur dazu beitragen, die Ziele des Vereins noch schneller zu verwirklichen. Dieser Wunsch war es auch, der vorstehende Ausführungen veranlasste. S Verbotene Briefumschläge Die Postbehörde hat neuerdings ihre Anstalten angewiesen, Briefe und Drucksachen, welche in ihrer äusseren Form zu sammengefalteten Telegramm-Formularen nachgebildet sind, als zur Postbeförderung durchaus ungeeignet zu erklären, weil die Postbehandlung solcher Sendungen zu argen Unzuträglichkeiten Veranlassung geben würde. Es ist den Anstalten daher unter sagt worden, diese auf Täuschung und Erregung des Empfängers berechneten Umschläge oder Drucksachen zu befördern. Der artige Sendungen sind an den Absender zurückzugeben.