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Holzdeckeln, und wenn er in weitgehender Vorsicht trachtete, diese gegen Abstossen durch Metallecken zu schützen, so war das oft berechtigt. Ferner band er Bücher aus Pergament oder ungeglättetem Druckpapier, deren Blätter aufbauschten und die Deckel zum Sperren brachten. Um das zu vermeiden, brachte er Schliessen an. Heute sind die Verhältnisse anders geworden. Die Formate sind kleiner, die Bücher leichter, die Deckel bestehen aus dünner Pappe, die Druckpapiere sind stark geglättet, sie zeigen keine Neigung zum Aufbauschen, und die Bücher liegen auch ohne Schliessen fest zu. Warum also verwenden unsere Buchbinder nicht dazu bestimmt seien, in das Bücherregal gestellt oder über haupt viel gelesen zu werden. Sie sind nur zum Ansehen, nur zum Zimmerschmuck da. Jeder Gegenstand, gleichgiltig ob Gebrauchsgegenstand oder Kunstwerk, soll vor allen Dingen seiner Bestimmung gerecht werden. Ist das nicht der Fall, so verfehlt der Gegenstand seinen Zweck. Ein Buch ist vorhanden, um benutzt zu werden, d. h. es muss den Bedingungen entsprechen, die vom Nützlichkeits standpunkte aus an dasselbe gestellt werden. Es muss also hand lich sein, es muss sich leicht öffnen lassen, es muss glatte Deckel besitzen, die weder den Schreibtisch noch die Hände des Lesers Erfüllt ein Buch diese Bedingungen nicht, so Fig. 3. drei Bücher mit Metallbeschlägen neben Man sollte endlich mit diesem veralteten Schlendrian brechen, man sollte zeigen, dass der heutige Buchbinder nicht nöthig hat, die Hilfe fremder Kunsthandwerker zu suchen. Für den Preis, beschädigen, es muss sich auch an den üblichen Aufbewahrungs ort, also in das Bücherregal, ohne Schwierigkeit einstellen lassen. einander in ein Regal zu stellen. Man wird hierbei auf die widrigsten Hindernisse stossen. Will man ein drittes Buch zwischen zwei andere noch Metallecken, warum Metallschliessen? Aus alter Gewohnheit! Denn unsere heutigen Bücher, mindestens die in Leder gebundenen, erfordern derartige Metallverstärkungen in der Regel nicht mehr. ist es — wenn auch noch so kostbar ver ziert — eben kein Kunstwerk; denn ihm fehlt die Harmo nie zwischen seiner Form und seiner Be stimmung. Leder - Einbände mit Metallbe schlägen, die nicht in das Leder einge lassen sind, sondern über dasselbe her vorragen, ent sprechen diesen Be dingungen nicht. Man sollte daher, wenn es sich um Herstellung von Kunst - Einbänden handelt, von den Metallbeschlägen absehen, um so mehr, da sie auch in künstlerischer Hinsicht nicht zu empfehlen sind. Wir verzieren heut die Lederbände mit Blinddruck, Gold druck, Mosaik oder Lederschnitt. Diese V erzierungstechni- ken gestatten dem Kunstbuchbinder so freie Bewegung, die Hervorbringung so vielseitiger Kunst wirkungen, dass er wahrlich nicht nöthig hat, eine An leihe beim Gold schmied zu machen. Ausnahmen giebt es freilich auch hier. Zu diesen ge hören die Sammet decken, zu welchen Metallbeschläge gut geeignet sind. Fer ner ist es berechtigt, die Ecken vonKonto- büchern und ande ren schweren Ge brauchsbüchern mit Metallecken zu ver stärken, sofern man nicht vorziht, diese Verstärkung mit dem weicheren und daher zweckent sprechenderen Juchtenleder vorzu nehmen. Damit sollte jedoch auch das Gebiet der Metallbeschläge be grenzt sein. Auf jeden Fall sind die selben an Leder bänden, die Blind oder Golddruck- Verzierung tragen, überflüssig. Jedermann, der metallbeschlagene Leder-Einbände im Gebrauch hat, wird wissen, wie störend die Metallbeschläge sich geltend machen. Wir bewahren unsere Bücher nicht einzeln auf, sondern wir stellen sie neben einander in Regale. Nun versuche man, schieben, so bleiben die Beschläge an einander hängen, will man es herausziehen, gleichfalls, stehen die Bücher neben einander und sind von verschiedener Grösse, so haben sie wegen der erhöhten Metall beschläge keinen festen Stand. Will man das Buch lesen und legt es auf einen tuchbedeckten Tisch, so sind die Beschläge auch hinderlich. Nicht ohne Grund hat man in der Geschäftsbücherfabrikation schon längst begonnen, die unzweckmässigen Metallbeschläge durch Juchtenbesatz zu ersetzen. Viele Kaufleute wollen nichts mehr von metallbeschlagenen Kontobüchern wissen, weil die Metallecken die Pulte beschädigen. Wenn man aber da, wo die Metallbeschläge als Schutzmittel gegen das Verstossen der Ecken wirklich am Platze sind, dieselben wegen ihrer schädlichen Eigen schaften ausmerzt, so sollte man doch meinen, dass sie da, wo sie ganz zwecklos nur als Verzierung angewendet werden, wegen ihrer Schattenseiten erst recht über Bord geworfen würden. Leider ist dem nicht so. Man kann sich nicht von diesen verkümmerten Ueberbleibseln einer andersgearteten Technik trennen. Auf die oben erwähnten Anklagen gegen die Metall- ecken erwidern manche Buchbinder, dass ihre »Prachtbände« gar- den nach bestimmten Zeichnungen getriebene Silberbeschläge ver schlingen, könnte der Buchbinder in seinen Techniken ganz Erspriessliches liefern. Oft hat man Gelegenheit, sehr saubere, mit Blinddruck, Gold druck oder Lederschnitt verzierte Einbände oder Mappen zu sehen, die in diesem Gewände wahrhaft befriedigend wirken würden. Doch der deutsche Buchbinder hat die Untugend, gern über das Ziel hinaus zu schiessen, und so lässt er sich an seinen eigenen Techniken nicht genügen, er nagelt auf seine Arbeit noch Metallecken und verdirbt damit die vorher günstige Wirkung. Die Metallbeschläge sitzen, selbst wenn sie sich dem Stile der Deckenverzierung anpassen, meist als etwas Fremdes auf der Decke; sie sprechen zu prahlerisch zum Beschauer, sie drängen die andern Verzierungstechniken in den Hintergrund und zer stören die Harmonie. Unsere neuere Buchbinderei wandelt doch sonst andere Wege. Sie zeigt nach der einen Richtung hin das Bestreben zum Hand lichen, Weichen, Geschmeidigen und Anmuthigen. Aus diesem Bestreben gingen die abgeschrägten oder abgerundeten Deckel kanten, die weichen, wattirten Lederdecken, die biegsamen,