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Berichte unserer Korrespondenten. Aus Argentinien. Buenos Aires, 15. Februar 1895. Weshalb wird nach Argentinien kein Packpapier und kein farbiges Papier exportirt? Argentinien, ein Land, welches jährlich enorme Quantitäten Pack- und farbiges Papier (farbig Umschlag, farbig Affichen usw.) verbraucht, bezieht nur ganz verschwindend wenig dieser Papiere vom Ausland, da das meiste hier im Lande fabrizirt wird. Dieser Umstand könnte den Anschein erwecken, dass die Nationalindustrie sehr leistungsfähig sei, und gegen die europäischen und nord amerikanischen Fabrikate erfolgreich konkurrire. Dies ist in Wirklichkeit durchaus nicht der Fall, denn die hiesige Papier fabrikation ist eine Treibhausindustrie, die nur dadurch existiren kann, dass sie durch geradezu prohibitive Zölle geschützt wird. Trotzdem liefert die hiesige Fabrik (denn es giebt nur eine Papierfabrik hier zu Lande) zu dem enormen Preise von etwa 70 Pf. das Kilogramm nach deutscher Reichswährung gerechnet nur ganz minderwerthiges Packpapier, welches überdies nicht unter 80 Gramm Gewicht auf das Quadratmeter geliefert werden kann. — Zum Preise von etwa 80 Pf. erhält man Einwickelpapier für Kolonialwaaren, für 1 Mark das Kilo farbiges satinirtes Papier. (Muster aller dieser Papiere liegen in der Redaktion dieses Blattes aus). Diese minderwertige Waare würde sich hier über haupt nicht absetzen lassen, wenn die auf solchen Sorten ruhenden ungeheuren Zölle nicht einem Einfuhrverbot gleichkämen. Für jedes Kilo Packpapier musste nämlich bis Ende 1894 noch die Kleinigkeit von etwa 65 Pf. das Kilogramm (nach deutschem Geld gerechnet) bezahlt werden. Da nun ein Kilo Packpapier, z. B. satinirtes Lederpapier, welches jedenfalls dem hiesigen Papier vorzuziehen ist, hier im Hafen auf etwa 24 Pf. zu stehen kommen würde (Fracht, Assekuranz usw. von Hamburg nach Buenos-Aires beträgt etwa 2—3 Pf. das Kilogramm), so stellt sich der zu entrichtende Eingangszoll der Packpapiere auf etwa 275% vom Werthe der Waare. Aehnlich verhält es sich mit Einwickelpapier und farbigem Papier und nebenbei erwähnt auch mit Düten. Alle diese Papiere bezahlten also bis Ende 1894 etwa 65 Pf. das Kilogramm Zoll. Diese unsinnige Zollpolitik hat dem argentinischen Fiskus jährlich kolossales Geld gekostet; denn die hiesige Fabrik bezieht beinahe alle ihre Rohstoffe, Zellstoff, Chemikalien usw., von Europa und führt dieselben zollfrei ein. Das Land hat von dieser Industrie infolgedessen auch keinen Nutzen, namentlich wenn man in Rechnung zieht, dass die Kohlen aus dem Ausland kommen, und dass die Frachten, die an die ausländischen Compagnien für den Transport der Rohstoffe bezahlt werden, ungleich höher sind als für das fertige Papier. Der bisherige Finanzminister Dr. Terry, ein sehr fortschritt licher Mann, der vor 3 Wochen infolge des Präsidentschaft wechsels ebenfalls demissionirte, hat denn auch eingesehen, dass die argentinische Zollgesetzgebung einer durchgreifenden Reform bedarf. Er hatte zu diesem Zwecke im vorigen Jahre eine Kommission zur Revidirung des Zolltarifs ernannt, welcher auch mehrere Ausländer angehörten, darunter auch der Eigenthümer der »Buenos Aires Handelszeitung«, der bei Diskussion des von mir eingereichten Gesuches, bezüglich Herabsetzung des Papier zolles für Pack- und farbiges Papier von 65 Pf. auf 18 Pf. in anerkennenswerther Weise eine Lanze für die deutsche Papier industrie gebrochen hat. Allerdings ist infolge der grossen Opposition die Zollermässigung auf obige Papiere nur gering, 12 Pf., gewesen und in diesem Jahre zahlen diese Papiere 53 Pf. anstatt 65 Pf. im Vorjahre. Immerhin aber bedeutet dies schon einen grossen Fortschritt, und da sich die Zollkommission unter dem neuen Finanzminister Dr. Romero auch in diesem Jahre vielleicht wieder konstituiren wird, so werde ich natürlich alles aufbieten, um Zollermässigung auf Packpapiere, farbige Papiere und Düten auch in diesem Jahre noch zu erlangen. Um diese Bestrebungen zu unterstützen, würde es gerade, jetzt, wo man im deutschen Reichstag über Kündigung des deutsch-argentinischen Handelsvertrages diskutirt, an der Zeit sein, dass die deutschen Papierfabrikanten an maassgebender Stelle Vorstellungen machen, um sich auf diese Weise ein grosses Absatzgebiet, welches der deutschen Papierindustrie seit etwa 10 Jahren infolge der prohibitiven Zölle verschlossen war, wieder zu öffnen, zumal beinahe der ganze Bedarf dann in Deutschland gedeckt werden würde, da andere Länder in diesen Papieren nicht mit Deutschland konkurriren können. Sch. Anm. d. Red.: Die erwähnten Papiere sind nicht schlecht, zum Theil sogar recht gut gearbeitet und werden in unseren Geschäfts räumen gern zur Ansicht vorgelegt. Es sind Sorten im Werth von etwa 10 bis 30 Pf. das Kilogramm. Die Eingangszölle werden in Argentinien in Gold erhoben, und unser geschätzter Berichterstatter hat auch offenbar alle Preise in Gold gerechnet. Die ungewöhnliche Höhe der Zölle wird wahrscheinlich von den Gesetzgebern durch den beabsich- sichtigten Schutz der heimischen Industrie begründet. Die Be gründung von Papierfabriken in einem Lande, wo Köhlen und alle anderen Vorbedingungen fehlen, wird nur durch die unge heuren Zölle ermöglicht und legt den Verbrauchern unverhältniss- mässige Opfer auf. Es ist deshalb zu hoffen, dass die Zölle herabgesetzt werden, sobald die Entscheidung einsichtsvollen Männern unterliegt. Eine Vorstellung der deutschen Papier- Fabrikanten beim Reichskanzler würde jedenfalls dessen Aufmerk samkeit auf diese Verhältnisse lenken und könnte bei Abschluss eines Handelsvertrags oder bei diplomatischer Einwirkung Nutzen bringen. Eine Erschwerung der Einfuhr liegt übrigens auch in der schwankenden Valuta, die alle Vorberechnungen über den Haufen werfen kann. Das Goldagio war nämlich in der schlimmsten Zeit schon etwa 500 und steht jetzt auf etwa 250 Prozent, d. h. man erhält für 100 Pesos (4 M. 5 Pf.) 350 Pesos Papiergeld. Rechte der Geschäftsreisenden. Zu Frage 896 in Nr. 18 erhielten wir folgende Aeusserungen, die im wesentlichen mit unserer Antwort übereinstimmen. .... 4. März 1895. Reisespesen bedeuten zwar nur Auslagen für Fahrscheine, Kost und Logis während der Reise - Thätigkeit eines Reisenden, aber immerhin wird eine anständige Firma bereit sein, die Auslagen ihres Reisenden zu erstatten, welche er am fremden Orte während Krankheit — welche ihn auf der Reise überraschte — effektiv hatte. Darüber hinaus etwas zu beanspruchen wird auch wohl keinem anständig denkenden Reisenden einfallen, noch weniger hat die Firma die Pflicht, Reise spesen, überhaupt Kosten während der Reise zu tragen, die über die effektive Auslagen-Höhe hinaus gehen. • r. .... 5. März 1895. Die Redaktion beruft sich auf einen alten Brauch, wonach der Kunde an den Reisenden Zahlung leisten kann. Aber je weniger man im Rechtsstreite sich auf Gebräuche zu stützen nöthig hat, desto besser ist es; man kann häufig nicht wissen, was irgend ein »Sach verständigere aussagt. Makorer citirt bei Artikel 47 D. H. G. aller dings eine Ober-Tribunal-Entscheidung, wonach für den Umfang der gesetzlichen Befugnisse des Handlungsbevollmächtigten der Geschäfts betrieb in Handelsgewerben derselben Gattung maassgebend sei. Aber Gesetz geht über Rechtsprechung, und der Artikel 49 sagt aus drücklich : • Handlungsbevollmächtigte, welche ihr Prinzipal als Handlungsreisende zu Geschäften an auswärtigen Orten ver wendet . . . gelten insbesondere für ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihnen (!) abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen . . . Also fragt sich nur im Einzelfalle, ob der Reisende als Handlungs bevollmächtigter anzusehen ist. Makorer sagt, dies treffe nicht zu bei Reisenden, welche nicht im Dienste des Prinzipals, nicht in einem dauernden Verhältniss zu dessen Handelsgewerbe stehen, er schliesst besonders Provisionsreisende, Reisende für verschiedene Häuser usw. aus. Und der Artikel 47 erblickt den Handlungsbevollmächtigten in Jemandem, den der Prinzipal zu einer bestimmten Art von Geschäften oder zu einzelnen Geschäften in seinem Handelsgewerbe »bestellt«, er bedingt eine Spezialvollmacht nicht. Nach all’ Diesem ist daher dem Schlüsse der Redaktion beizu pflichten, wonach der Kunde dem Reisenden ohne weiteres Zahlung nicht vorzuenthalten braucht. —e— .... 4. März 1895. Die Frage 896 ad 1 beantwortet sich durch den § 49 des Deutschen Handelsgesetzbuches dahin gehend, dass dieselben (Handelsreisende) insbesondere für ermächtigt gelten, den Kaufpreis aus den von ihnen abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen oder dafür Zahlungsfristen zu bewilligen; ad 2 dürfte § 60 ebenfalls unzweideutig darlegen, dass der Prinzipal neben dem vollen Gehalt auch die Reisespesen, d. h. den Unterhalt, allerdings nur für 6 Wochen zu bezahlen hat. Wegen eventueller Aufhebung des Dienstverhältnisses kämen die §§ 61 und 64 Absatz 4 in Anwendung. X. Unser rechtskundiger Mitarbeiter äussert sich hierzu wie folgt: 1. Ein Reisender ist nach Artikel 49 des Handelsgesetzbuchs auch ohne ausdrückliche Vollmacht ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihm abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen. Liefert der Reisende das Geld nicht ab, so trägt der Chef den Verlust. Diese Gesetzesbestimmung bezieht sich zwar nur auf solche Reisende, welche zugleich Handlungsbevollmächtigte sind, also z. B. nicht auf selbständige Gewerbetreibende, welche 'licht dauernd angestellt sind, auf Agenten und dergl. Doch sir 1 der-