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& Buchgewerbe 23 Buchdruck egg Buchbinderei ® ® ® ® ® Steindruck ® ® ® Buchhandel Eingesandte werke finden Besprechung. Nr. »1 —= Sachliche Mitthellungen finden kostenfreie Aufnahme. =- 831 Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Mechanischer Schriftsatz. Die ungeheueren Fortschritte, welche der Buchdruck von der einfachen Handpresse bis zur Zwillings-Rotationsmaschine erlebt hat, sind für viele Personen Veranlassung gewesen zu dem Ver suche, auf dem Gebiete des Schriftsatzes ähnliche Resultate zu erzielen, und die in Berlin jüngst ausgestellt gewesene Mergen- thaler’sche »Linotype« hat nach dieser Richtung hin theils Hoffnungen, theils Befürchtungen erweckt, besonders durch die Thatsache, dass in den grossen Zeitungsdruckereien Nordamerikas eine grössere Anzahl dieser Setz-Giessmaschinen mit Erfolg im Betriebe, ist und dass sich infolge dessen dort auch schon eine Vereinigung von Maschinensetzern mit eigenem Tarife gebildet hat. In Deutschland hatte man sich dem mechanischen Schrift sätze gegenüber bisher ziemlich skeptisch verhalten, und ich möchte auch bezweifeln, dass es nach Vorführung der Linotype wesentlich anders geworden. Die Hauptursache dürfte in den zu grossen Versprechungen zu suchen sein, die bislang für jede neue Setzmaschine gemacht wurden. Das stets im Gefolge gewesene Fiasco hat das Vertrauen zu derartigen Versprechungen erschüttert. Ich will von den vielen Kundgebungen nur eine herausgreifen, die bezüglich der Kastenbein'sehen Setzmaschine im Jahre 1874 in einem deutschen Fachblatte zu lesen war: »Wir können diese Setzmaschine nur willkommen heissen und allen Denen empfehlen, in deren Geschäften glatter Satz in grösseren Mengen, der sich mit Vortheil auf der Maschine herstellen lässt, vorkommt«. Trotzdem dürften von den Kastenbein’schen Maschinen, mit denen in Deutschland ein Versuch gemacht wurde, heute nur noch wenige in Thätigkeit sein. Ich bin der Meinung, das alle Maschinen, welche die bis herigen Typen mechanisch zusammensetzen wollen, keine Aussicht auf allgemeine Einführung haben, mögen sie nun Kastenbein, Thorne oder sonstwie heissen. In dieser Ansicht bin ich auch bestärkt durch die Mittheilungen, die Herr Wentscher bezüglich der Thorne-Setzmaschine in Nr. 10 der Pap.-Ztg. (1894) machte. Wenn irgend Jemand, so ist Herr W. hierfür ein sachkundiger Beurtheiler. .Dagegen verdienen die Maschinen, welche die Matrizen zu Zeilen zusammenreihen und letztere dann giessen, eine grössere Beachtung. Indess fehlt es für Deutschland an einem genauen rechnerischen Nachweis des Nutzens, den die Maschine dem Hand satze gegenüber bietet. Zwar sagte mir Herr Meyer, der Repräsentant der Linotype-Company, die Maschine leiste das Dreifache des Handsatzes, und an den Wänden des Raumes, in welchem die Maschine in Berlin gezeigt wurde, waren photo graphische Aufnahmen zu sehen von Setzersälen des »New York- Herald«, der »Tribune« und anderer nordamerikanischer Zeitungen, in denen mehr denn vierzig solcher »eiserner Kollegen« standen. Allein dies beweist doch nur etwas für Amerika. Die Verhält nisse, namentlich die des Kapitals, sind in Deutschland doch andere, wie in Nordamerika. Der Nutzen der Linotype mag für dieses Land und selbst für England vorhanden sein, für Deutschland muss er doch erst nachgewiesen werden. Es heisst auch hier: hic Rhodus, hic salta! Hierfür genügen nicht die Zahlen, die amerikanischen Ver hältnissen entnommen sind. Man wird sich vielmehr entschliessen müssen, den Nutzen an Maschinen zu demonstriren, die in Deutschland arbeiten. Dazu ist ein längeres, vorurtheilsfreies Ingebrauchnehmen der Maschine erforderlich. Es müssen auf der einen Seite zu Buch gebracht werden die Kosten der Anschaffung, die Verzinsung dieses Kapitals, sowie die Kosten des Betriebes, der Bedienung, der Instandhaltung und der Reparaturen. Auf der anderen Seite wären dann zu buchen die geleistete Arbeit, die Ersparung an Schrift, Raum, Utensilien, wie Regalen, Kästen, Winkelhaken usw. Erst nach genauer Gegenüberstellung eines solchen Soll und Habens würde man einen sicheren Anhalt für den Nutzen der Maschine erhalten. Nach meiner allerdings völlig unmaassgeblichen Meinung wird der mechanische Schriftsatz mehr eine Beschleunigung, weniger eine Verbilligung der Arbeit zur Folge haben. Es darf nicht aus dem Auge gelassen werden, dass das Schriftsetzen doch auch eine geistige Thätigkeit bedingt, welche durch keine Maschine ersetzt werden kann. Der Vortheil der Setzmaschine besteht nun aber hauptsächlich in deren ununterbrochener Thätigkeit. Dazu ist erforderlich, dass dem Setzer stets ein Manuskript zur Verfügung steht, welches ihn auch nicht einen Augenblick zum Nachdenken und damit zum Ruhenlassen der Maschine veranlasst. Ebenso muss er möglichst fehlerlos setzen. Denn wenn auch nur ein einziger Buchstabe unrichtig ist, muss die ganze Zeile verworfen und dafür eine neue gesetzt werden. Leichen und Hochzeiten dürfen überhaupt nicht vorkommen, denn sie bedingen den Neusatz bis zum nächsten Ausgang. Korrekturen darf der Autor selbstverständlich auch nicht vor nehmen, denn sie bedeuten ebenfalls Neusatz. Diese hier genannten Umstände zeigen schon, wie sich das Gebiet einengt, welches die Linotype mit Erfolg beherrschen kann. Es wird mehr der Zeitungssatz ohne Inserate und der Nachdruck von Werken in Betracht kommen. Aber auch dies ist bis heute selbst für Nordamerika noch Zukunftsmusik. Herr Wentscher berichtet in der bereits oben angeführten Nr. 10, dass in den amerikanischen Werkdruckereien Setzmaschinen nur ausnahmsweise angewendet werden. Für Deutschland liegen die Verhältnisse hierfür aber nicht besser. Ich habe aber noch ein anderes Bedenken. Da nach den mir von Herrn Meyer gemachten Angaben die Linotype ungefähr das Dreifache eines Handsetzers leistet, so muss der Maschinensetzer den Inhalt des Manuskriptes auch dreimal so schnell in sich auf nehmen und auf die Maschine übertragen. Die geistige Anspannung ist eine um so grössere, als er, wie schon erwähnt, viel ängstlicher jeden Fehler vermeiden muss, um nicht eine oder mehrere Zeilen doppelt setzen zu müssen, wodurch natürlich seine Gesammtleistung verringert und sein Einkommen geschmälert werden könnte. Dies bedingt eine grössere geistige Anstrengung und einen schnelleren Aufbrauch der Geisteskräfte. Wie viel dies ist, kann natürlich erst durch die Erfahrung in langem Betriebe und durch die dafür kompetenten Aerzte festgestellt werden. Jedenfalls bezweifle ich, dass die Durchschnittsmenschen ein Lebensalter hindurch täglich 8 Stunden hintereinander die Setzmaschine zu bedienen vermögen. Ehe dies nicht absolut feststeht, wird man auch einen Schichtwechsel in der Bedienung in Betracht ziehen und eventuell in die Berechnung der Unkosten einstellen müssen. Zwar sagte mir Herr Meyer, die amerikanischen Setzer arbeiten acht Stunden ohne Anstrengung und arbeiten lieber an der Maschine als am Kasten. Indessen ist auch für Amerika der mechanische Schriftsatz im Grossen noch zu neu, um darüber schon sicher urtheilen zu können. Jedenfalls muss mit grosser geistiger Anstrengung auch eine dementsprechende Ernährung Hand in Hand gehen, die Löhnung der Bedienenden also eine bessere sein. In einem Gespräche, das zwischen Herrn Meyer und einem Berliner Buchdruckereibesitzer gepflogen wurde, gab letzterer der Befürchtung Ausdruck, dass man möglicherweise in Deutschland zur Bedienung der Linotype Mädchen heranziehen und der Konkurrenzkampf dadurch noch schlimmere Formen annehmen würde. Herr Meyer hielt die Mädchenarbeit an diesen Maschinen für aussichtslos. Sie sei auch in Amerika bis heute nicht vorhanden, trotz der Rücksichtslosigkeit, die dort im Erwerben herrsche. Gründe gab der genannte Herr für diese Erscheinung nicht an. Was die Kraft zur Bedienung betrifft, so erscheinen Mädchen dafür ausreichend. Aber nicht auf die Körperkräfte, sondern auf ein schnelles Auffassungsvermögen, auf ein völliges Beherrschen des zu verarbeitenden Stoffes — kurz, auf eine viel grössere Intelligenz des Bedienenden wird das Hauptgewicht zu legen sein. Ein Theil unserer heutigen Setzer müsste sich daher bedeutend