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Deutsche Erzeugnisse in England. Da es den Engländern nicht gelungen ist, durch das »Made in Germany«- Gesetz die Einfuhr deutscher Erzeugnisse zu hindern, suchen sie nach andern Mitteln, um sich den unbequemen Wett bewerb vom Halse zu halten. Das Parlamentsmitglied für Sheffield, Oberst Vincent, scheint überzeugt zu sein, dass die Lebenskraft der deutschen Konkurrenz in der Gefängnissarbeit beruht, denn gegen die in Zuchthäusern hergestellte Waare kann natürlich die Arbeit des freien Mannes nicht aufkommen. Er bewog daher die Regierung, eine Untersuchung zu veranstalten, ob und wieviel in deutschen Zuchthäusern angefertigte Waare ihren Weg nach England findet. Die deutsche Regierung leistete den englischen Nachfragen jeden Vorschub, aber es stellte sich dabei, entgegen den gehegten frommen Hoffnungen, nur heraus, dass die in den Gefängnissen gearbeitete Waare fast ausschliesslich von den Gefängnissverwaltungen selbst verbraucht wird. Die »Eisen-Zeitung« erzählt nun weiter: »Damit war dem Patrioten Herrn Vincent und seinen Hinter männern aber durchaus nicht gedient, und so kam die Sache kürzlich aufs Neue im Parlament zur Sprache. Die Regierung wies auf die Ergebnisse ihrer Ermittlungen hin, wonach nur ein paar Dutzend Bürsten und Matten deutscher Gefängniss arbeit nach England gelangt seien. Quantitäten, so winzig klein, dass sich darüber zu sprechen überhaupt nicht verlohne. Aber o weh! Ein Sturm der Entrüstung brach aus: Jene Statistik tauge ganz und gar nichts, eine Statistik »Made in Germany« wahrlich zum Lachen! Mehr als 100000 deutscher Zuchthäusler arbeiteten daran, die britische Industrie gänzlich zu ruiniren. Sofort müsse etwas geschehen. Und da sich eine gewaltige Mehrheit in diesem Sinne erhob, gab der Handelsminister nach, und ein Untersuchungsausschuss wurde gebildet. Beinahe wäre das ganze Ministerium über die Sträflingsbürsten zu Fall gekommen. Was nun werden soll? Zunächst wieder die Kardinalfrage, wie denn eine Sträflingsbürste, ein Sträflingsschloss usw. von der gleichen von freien Arbeitern hergestellten Waare unter schieden werden könne. Um sich hiernach zu erkundigen, sandte der »Ir. Mong.« einen Interviewer an Herrn Vincent in das Parlamentsgebäude. Herr Vincent antwortete, er habe ein sehr wirksames System sich ausgedacht, aber es fiele ihm nicht ein, es schon jetzt zu verrathen, man werde schon sehen. Worauf die Sache hinauslaufen wird? Ganz einfach. Man wird ein Gesetz folgenden Inhalts machen: Die Einführung und der Transit in fremden Gefängnissen hergestellter Waaren ist ver boten. Die Zollbehörden erlassen die zur Sicherstellung dieses Verbotes nothwendigen Verfügungen. Diese Verfügungen besagen etwa: Jede in Grossbritannien oder den Kolonien ausgeschiffte Waare muss mit einem beglaubigten Atteste des britischen Konsuls versehen sein, dass die betreffende Waare nicht in Zuchthäusern hergestellt ist. Alle Waaren, welchen dieses Attest nicht bei gefügt ist, verfallen unweigerlich gerade so der Konfiskation, als wenn sie eine falsche Marke trügen. Da man nun für diese Atteste die Gebühren beliebig hoch festsetzen, auch sonst noch eine Portion Chikanen hineinflechten kann, so lässt sich die deutsche Konkurrenz mit einem Schlage vernichten — so meinen die Anglicissimi. Die Sache scheint fürchterlich: es fragt sich nur, ob Deutsch land derartige Chikanen mit höflichem Dank hinnimmt. Glück licherweise ist in dem neuen deutschen Gesetze über die Waaren- bezeichnungen der Fall bereits vorgesehen und der Bundesrath ermächtigt, den fremden Waaren eine gleiche Auflage aufzu bürden. Die Engländer werden sich die Sache daher wohl noch mal überlegen müssen. Eins aber leuchtet aus dem ganzen Gebühren mit grosser Deutlichkeit heraus, dass nämlich die britische Industrie, wenn sie schon zu solchen Mitteichen greifen muss, um sich über Wasser zu halten, in recht bedenklichem Niedergang begriffen sein muss. Das schlimmste Hinderniss ist die Arbeiterbewegung, die vorwärts zu schieben glaubt, aber nicht merkt, dass es auf einer schiefen Ebene zugleich auch mit zunehmender Geschwindigkeit abwärts geht«. Grossbritanniens Aussenhandel im Jahre 1894. Die Gesammteinfuhr Grossbritanniens hatte im Jahr 1894 einen Werth von 408,5 Millionen Lstr., gegen 404,9 Millionen Lstr. im Jahr 1893, während die höchste Ziffer innnerhalb des letzten Jahrzehntes im Jahre 1891 mit 435,4 Millionen Lstr. erreicht wurde. Die Zunahme im Vergleich zu 1893 entfällt besonders auf fertige Erzeugnisse +3,1 Millionen Lstr., Rohstoffe für die Textil industrie + 2,6 Millionen Lstr,, Rohstoffe für andere Industrieen + 2,1 Millionen Lstr. Sehr erheblich ist die Einfuhr von Holz stoff gestiegen, von 0,9 in 1892 und 1,2 in 1893 auf 1,4 Millionen Lstr. 1894. Dagegen ist die Einfuhr von Pflanzenfasern und Lumpen zurückgegangen. Die Gesammtausfuhr einheimischer Erzeugnisse ist weiter zurückgegangen, nämlich auf 216,2 Millionen Lstr., gegen 218,5 Millionen Lstr. 1893 und 263,5 Millionen Lstr. im Jahre 1890, der höchste Satz in den letzten zehn Jahren. Vergleicht man freilich nur die Waarenmengen statt der Preise, so ist der Rückgang gegen 1890 bedeutend kleiner. Wie stark der Unterschied ist zwischen den Preisen 1894 und den von 1890 geht daraus hervor, dass der Werth der letztjährigen Ausfuhr, berechnet auf Grundlage der Preise von 1890 nicht 216,2 Millionen Lstr., sondern 246,0 Millionen Lstr. betragen würde. Den stärksten Rück gang weist im Jahre 1894 die Ausfuhr von Metallwaaren auf, äusser Maschinen, — 2,8 Millionen Lstr.; die Maschinenausfuhr ist um 0,3 Millionen Lstr. gestiegen. Die Ausfuhr von Papier ist bei einem Werth von 1,4 Millionen Lstr. um 61000 Lstr. hinter dem Vorjahre zurückgeblieben, der Rückgang trifft besonders Druck- und Schreibpapier. Als Beispiel für den Rückgang des Werthes der Ausfuhr bei Zunahme der Menge kann die Tapetenausfuhr dienen, welche 1893 und 1894 56956 Cwts. und 57118 Cwts im entsprechenden Werthe von 140905 Lstr. und 137942 Lstr. betragen hat. Die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen der Papier-Industrie und verwandten Zweige weist in den letzten 3 Jahren folgende Zahlen auf: W aarenbezeichnung Werth in IOC 1892 | 1893 Lstr. 1894 Einfuhr. Gummi arabicum 1916 1695 1351 Lacke aller Art 4456 5160 6109 Guttapercha ,5195 3036 4463 Kautschuk 29824 33304 32791 Harz 3841 3943 3412 Leinen- und Baumwollenlumpen 2141 1992 1921 Esparto- und andere Pflanzenfasern 10299 8704 8181 Davon aus Spanien 3587 3182 3005 „ » Algier 3639 2900 3097 Holzstoff 9810 11843 14327 Davon aus Norwegen 4882 5383 6844 Druck- und Schreibpapier 4259 4352 4988 Davon aus Deutschland 1261 771 849 „ „ Schweden 985 922 1040 Anderes Papier, äusser Tapeten 19466 18782 21208 Davon aus Deutschland 5468 4512 5404 „ „ Holland 5745 5915 6463 Ausfuhr inländischer Erzeugnisse. Lumpen, äusser wollenen, und andere Rohstoffe zur Papier-Herstellung 4019 3615 3092 Flockwolle und wollene Lumpen 3449 3960 3747 Gedruckte Bücher 12905 12619 12216 Maler-Farben und Gebrauchsgegenstände . . . 15252 14338 13747 Druck- und Schreibpapier sowie Umschläge . . 11316 10448 9477 Davon nach Frankreich 728 588 565 „ „ d. Vereinigt. Staaten v. Amerika 287 263 313 „ „ Brit. Südafrika 616 637 799 „ Brit. Ostindien 1722 1743 1288 .. Australien 5258 4398 4082 „ Brit. Nordamerika 549 495 409 Tapeten 1485 1409 1379 Alles andere Papier 2996 2886 3279 Davon nach Frankreich 405 409 391 „ . d. Vereinigt. Staaten v. Amerika 321 302 459 " Brit. Südafrika 290 306 284 „ „ Brit. Ostindien 283 282 226 " Australien 841 689 978 Brit. Nordamerika 101 111 96 Schreib waaren, äusser Papier 8655 8157 7980 Davon nach Deutschland 738 631 744 „ „ Frankreich 273 235 264 „ „ d. Vereinigt. Staaten v. Amerika 746 711 614 „ „ Brit. Ostindien 1172 1212 1077 „ Australien 1647 1280 1358 „ „ Brit. Nordamerika 398 332 286 Ausfuhr ausländischer Erzeugnisse. Gummi arabicum 1139 984 800 Lacke aller Art 3449 3545 4265 Guttapercha 564 727 706 Kautschuk 15769 16183 18011 Druck- und Schreibpapier 191 207 242 Anderes Papier, äusser Tapeten 680 507 550