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Kläger Recht bekommen hat, weiss ich nicht, denn ich wurde vor dem Urtheil entlassen. Jedenfalls war die Klage an und für sich riskirt, die Frage des Anwalts aber, ob die Waare dem Lohne entsprach, war zweifellos am Platze. Ich mache es bei der Bestellung von Holzschnitten so, dass ich mir stets die Zeichnung auf dem Holz vorlegen lasse und sorgfältig revidire. Wenn ich nichts zu beanstanden habe, muss der Holzschnitt auch sauber ausfallen. Ich verarge meinem Xylographen aber auch die Frage nicht: » Soll es etwas Feines werden?« Brauche ich etwas Feines, dann wird auch nicht gehandelt, dann heisst’s: »Ja, machen Sie Ihre Sache gut«. Ebenso hätte der Besteller in obigem Falle handeln sollen, und er hätte gewiss nicht nöthig gehabt, das Gericht mit allem Zubehör gegen sich aufbieten zu lassen, denn ich glaube sicher, dass er nicht nur verurtheilt worden ist, sondern auch einen grossen Kostenbetrag noch obenein zu zahlen hatte. Ein anderer Fall betrifft eine Arbeitersache. Eine Verlags buchdruckerei schreibt die Stelle eines Flachstereotypeurs aus. Viele Anerbietungen laufen ein, darunter jene eines Stereotypeurs aus X. Dieser wird als der Nächste vom Orte des Suchenden gewählt und eingestellt. Als der Mann das Arbeiten beginnt, stellt sich heraus, dass er von der Flachstereotypie keinen Begriff hat und noch nicht einmal eine Werkform zu schliessen im Stande ist. In dem betreffenden Geschäft befand sich ein Maschinen meister, der bis dahin das Stereotypiren mitbesorgt hatte. Anstatt dass nun der Arbeitgeber oder ein Vertrauensmann desselben sofort eingegriffen und dem Mann bedeutet hätte, er sei am unrechten Platze, liess man ihn 14 Tage arbeiten, »bis man genügend Beweise beisammen hatte, dass er zu der ihm über tragenen Arbeit nicht geeignet sei«, dann wurde er ohne Kündigung entlassen. Der Entlassene klagte auf Lohnersatz und schlug den Faktor der vorletzten Kondition als Sachverständigen für seine Arbeitsleistung vor. Der Arbeitgeber und der Entlassene hatten aber auch mich noch als Sachverständigen vorgeschlagen. Bei der Vernehmung wird mir das Urtheil des betreffenden Faktors vorgelesen. Dasselbe lautete dahin, dass der Kläger als Hilfs arbeiter und zwar als selbständiger Giesser in der Rotations stereotypie zu Y. beschäftigt worden sei, und dass ihm für diese Arbeit nur das beste Zeugniss ausgestellt werden könne. Nun frage ich einen sachverständigen Kollegen, wie er angesichts dieser Sachlage wohl ein Gutachten abgeben soll! Zunächst behauptete ich, dass ein Rundstereotypeur ohne besondere Ausbildung nicht sofort einen Flachstereotypeur machen könne; der Stereotypeur hatte also mindestens eine grosse Kühnheit an den Tag gelegt, als er die Flachstereotypeurstelle ohne weiteres annahm. Der Arbeitgeber kann sich aber von einer Unkorrektheit ebensowenig freisprechen, um so mehr, da ein sachverständiger Mann, der sterotypiekundige Maschinenmeister im Geschäft vorhanden war, welcher den Sachverhalt, die Unfähigkeit des Stereotypeurs für die ihm übertragene besondere Arbeit am ersten Tage schon überblickte und davon auch dem Prinzipal Mittheilung machte, und trotzdem liess man den Mann 14 Tage allein arbeiten, um ihn dann Knall und Fall zu entlassen. Das war inkorrekt. Der Mann hätte längstens am zweiten Tage entlassen werden müssen, da man ihn aber fortarbeiten liess, so musste man sich auch mit seiner Arbeit zufrieden geben und ihm regelrecht kündigen. Im vorliegenden Fall speziell wäre dem Geschäft sicher mehr genützt gewesen, wenn der Maschinenmeister den Mund aufgethan hätte und dem Stereotypeur an die Hand gegangen wäre. Eine dritte Sache dürfte auch von allgemeinem Interesse sein. In A. fühlt Jemand das Bedürfniss, eine tägliche Zeitung heraus zugeben. Der Herr ist Grosskaufmann und selbstverständlich auf eine Buchdruckerei angewiesen. Aus Berlin werden täglich 6 Seiten Matrizen bezogen, und die andern zwei Seiten werden am Ort des Unternehmers gesetzt, die Matrizen werden hingegen in einer dritten Buchdruckerei, welche eine Stereotypie-Einrichtung besitzt, ausgegossen. Das ist nun sehr eigenartig, da die Be schaffung einer eigenen Stereotypie doch rationeller gewesen wäre, wird aber noch merkwürdiger, wenn man berücksichtigt, dass mit dem Stereotypie-Inhaber das Abkommen getroffen wird, derselbe soll auf eine längere Zeit täglich seine 6 Stereotypplatten zur Ablieferung bringen. Der Preis für die Platte war auf 1 Mark normirt, und der Lieferant bekam sein vergossenes Metall wieder zurück. Nach kurzer Zeit wurde dem Unternehmer aber die Sache leid, er stellte den Matrizenbezug von Berlin ein, und damit brach er auch die Verbindung mit dem stereotypierenden Buchdruckereibesitzer ab. Dieser klagte auf Innehaltung der Abmachung. Er habe sich auf die ausbedungene Zeit mit Metall versehen, sich überhaupt auf diese Arbeit besonders eingerichtet und verlange entweder Arbeit und Zahlung, oder Zahlung ohne Arbeit Verweigerung auf der einen Seite, Gang zum Kadi auf der andern. Der Kläger schlug mich als Sachverständigen vor; ich sollte bezeugen, dass seine Berechnung sachgemäss sei. Hier war das Urtheil für mich nicht schwer, denn der Preis für eine Zeitungsseite ist mit 1 M. sehr mässig angesetzt, und ich glaube kaum, dass eine Berufsstereotypie dafür gearbeitet, mindestens aber nur im Hinblick auf eine fortlaufende Beschäftigung so billig abgeschlossen haben würde. Der Beklagte kann zufrieden sein, wenn er mit einem mageren Vergleich fortkommt. Ich glaube, diese kurzen Wiedergaben aus der Praxis eines »Sachverständigen« werden hier und da nicht ohne Interesse gelesen werden. Karl Kempej Nürnberg. Jubiläums-Ausstellung der Berliner Buchbinder- Innung 1895 im Wintergarten des Central-Hotels vom 28. Juli bis 6. August. Eintrittspreis 50 Pf. Die Berliner Buchbinder-Innung begeht in diesem Jahre ihr 300jähriges Jubiläum, welches mit dem 16. Verbandstage des Bundes Deutscher Buchbinder-Innungen in den Tagen vom 27. bis 31. Juli d. J. zusammenfällt. Da zu dieser Doppelfeier eine grosse Anzahl Fachgenossen, Abgeordnete und Gäste aus allen Theilen Deutschlands zusammen kommen, will die Berliner Buchbinder-Innung diesen Fach genossen das Neueste und Hervorragendste durch eine Fach- Ausstellung vorführen, die zehn Tage, einschliesslich zwei Sonn tage dauern wird. Die Platzmiethe beträgt 10 M. das Quadratmeter Tisch- oder Bodenfläche, und 15 M. für das Quadratmeter Tisch- und Wand fläche. Wandfläche über 21/2 m vom Fussboden das Quadratmeter 5 M. In Ausnahmefällen entscheidet das Ausstellungs-Komitee. Tische, mit Stoff bespannt, werden kostenfrei geliefert. Mit der Anmeldung ist die Platzmiethe zu entrichten. Die Ausstellung umfasst folgende Gruppen: Gruppe I. Einbände und Fach-Arbeiten aus alter und neuer Zeit. Gruppe II. Album, Lederwaaren, Kartonnagen und Etuisarbeiten. Gruppe III. Kontobücher, Papier- und Schreibwaaren. Gruppe IV. Maschinen für Buchbinderei und alle derselben ver wandten Gewerbe. (Zum Betrieb derselben steht gegen mässige Entschädigung Betriebskraft zur Verfügung). Gruppe V. Werkzeuge für alle Zweige des Berufs. Gruppe VI. Materialien für Buchbinderei und verwandte Gewerbe. Gruppe VII. Arbeiten der Buchbinder-Fachschulen. Gruppe VIII. Fach-Literatur. Die Einlieferung der Ausstellungs-Gegenstände kann vom 23. Juli ab erfolgen. Die Abräumung muss spätestens den 9. August beendet sein; die Ausstellungs-Gegenstände dürfen vor Schluss der Ausstellung nicht entfernt werden. Der Ausstellungs- Katalog wird unentgeltlich vertheilt. Kleine Mittheilungen. Eine öffentliche Versammlung selbständiger Kolportage-Buch händler, welche am 5. Februar in Berlin abgehalten wurde, beschloss einstimmig eine Eingabe an den Reichstag mit der Bitte, Artikel 7 des Regierungsentwurfs vom 7. Januar 1895, sowie den Entwurf Gröber und Genossen abzulehnen. Das ein leitende Referat hielt Herr Ernst Schulze, Berlin, Vorsitzender des Zentralvereins Deutscher Kolportage-Buchhändler. Die Werkstätte der Linotype Gesellschaft in Manchester hat 1894 in den beiden Monaten November und Dezember 41 Setz maschinen versandt. Die 23000 Zeitungen in Amerika beschäftigten 200000 Arbeiter. Der Geheime Hofrath und Professor Dr. Ludwig Nieper, Direktor der Kgl. Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Leipzig, beging am 1. Februar die Feier seiner 25jährigen Thätig- keit als Lehrer unter ehrender Antheilnahme der königlichen und städtischen Behörden und der Künstler und Buchgewerbe, um deren Förderung er sich bedeutende Verdienste erworben hat.