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Ich erlaube mir vorzuschlagen: 1. Für die wirkliche Papier-Industrie, also Papierfabrikation, Papierhandel, Herstellung von Waaren aus Papier und Handel mit den selben : » Papier-Industrie«. 2. Für Schreibwaaren aller Art, wie man sie in den Schreibwaaren- handlungen findet, also Schreibpapiere, Federn, Federhalter, Tinte und für alle die kleineren Gebrauchsgegenstände für den Schreibtisch und für Kontore die Bezeichnung: •Schreibwaaren-Industrie«. Geschäfte, welche sich mit dem Verkauf von Papieren wie Druck- und Packpapieren und mit dem Verkauf von Schreibwaaren beschäftigen, würden, wenn sie sich nicht mit der Bezeichnung » Schreibwaaren- handlunge begnügen wollten, > Papier- und Schreibwaarenhandlung« heissen. Die betreffende Gruppe der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 würde also heissen: >Papier- und Schreibwaaren-Industrie«. Bei dieser Verbesserung der Bezeichnungen bleibt immer noch ein zwar weniger wichtiges Fach, die Zeichenwaaren, ohne die ihm gebührende richtige Benennung. Aus der vorgeschlagenen besseren Bezeichnung der anderen Fächer zieht aber auch dieses Zeichenwaaren- fach den Vortheil, dass man es unter »Papier- und Schreibwaaren- Industrie« sicherer zu finden hofft, als unter der blossen Bezeichnung »Papier-Industrie«. Wenn der Name nicht zu lang erscheint, so könnte die Bezeichnung auch heissen: »Papier-, Zeichen- und Schreibwaaren- Industrie«. Ich würde Zeichen-Industrie deshalb auf den Namen Papier industrie unmittelbar folgen lassen, weil bei den Zeichenwaaren gerade das Papier die grösste Rolle spielt. Es würde mich freuen, wenn diese Anregung Ihnen Anlass gäbe, der Angelegenheit gelegentlich näher zu treten. F. Soennecken. Wir hoffen, dass vorstehende Anregung verdiente Berück sichtigung finden und der Name der Gruppe in »Papier- und Schreibwaaren-Industrie« umgeändert wird. Die Zugehörigkeit der Schreib- und Zeichenwaaren zum Papier ist zweifellos, da sie erst durch Papier hervorgerufen sind, und ohne dieses vermuthlich nicht vorhanden wären. Indem wir den vorstehenden Vorschlag unterstützen, tragen wir der einmal vorhandenen deutschen Gründlichkeit Rechnung, die oft auch in Pedanterie ausartet. Im allgemeinen sind Bezeichnungen um so besser, je kürzer man sie wählt, und wir könnten uns darin die Franzosen, besonders aber die Engländer zum Muster nehmen. Sieht man über einem französischen Laden das Wort »Papeterie«, so weiss man, dass dort alles zu haben ist, was mit Papier in Berührung steht, also auch Schreibwaaren. Der englische Papierhändler, der selbstverständlich Schreib- und Zeichenwaaren führt, ist ein »/Stationer« und sein Geschäft eine Stationery. In unserem gründlichen Deutschland steht auf vielen Schildern noch immer Papier- und Schreibmaterialien-Handlung, und wir sind stolz darauf, dass die Papier-Zeitung an Stelle von Schreib materialien das Wort Schreibwaaren eingeführt hat, welches allmälig durchdringt. In späterer Zeit, wenn auch bei uns praktischer Sinn für möglichst kurze Bezeichnungen entschieden haben wird, wird man sich wahrscheinlich damit begnügen, als Ueberschrift einer Papier-, Schreib- und Zeichenwaaren-Handlung das einzige Wort »Papier« zu setzen, welches, einmal eingeführt, genügende Bezeichnung wäre. D. Red. Mangelhafte Lieferung. Zur Frage 850 in Nr. 2. Januar 1895. Der Verkäufer will gegen den Käufer wegen einer beanstandeten Lieferung von Wechselformularen klagen. Sie antworten, dass der Käufer die Waare gegen einen kleinen Nachlass annehmen sollte, da die Abweichung gegen die Probe kaum vermeidbar sei. Sie haben vermuthlich als selbstverständlich fortgelassen, dass der Käufer, wenn er überhaupt zu einem Abzüge berechtigt ist, die Abnahme ganz ver weigern kann, zumal Ihr rechtskundiger Mitarbeiter dieses Thema in derselben Zeitungsnummer so behandelt. Zu diesen Ausführungen Seite 54 möchten wir uns folgende Bemerkungen erlauben: Es lässt sich gegen die gesetzlichen Bestimmungen, welche im Fall der Säumniss beim Käufer oder Verkäufer platzgreifen, schwerlich etwas einwenden. Wenn der Käufer zu Unrecht nicht abnimmt, so kann der Verkäufer für Rechnung des Käufers verkaufen lassen. Er kommt also zu seinem Gelde, gleich als ob der Käufer abgenommen hätte, und damit ist sein Interesse erschöpft. Ist dagegen der Verkäufer der schuldige Theil, so kann der Käufer zunächst das selbstverständ liche Recht ausüben, die Lieferung zu fordern. Wir finden es aber auch in Ordnung, wenn er statt dessen Schaden-Ersatz für die mangel hafte Lieferung oder Schaden-Ersatz an Stelle der Lieferung fordert. Denn man muss davon ausgehen, dass Niemand Geschäfte ohne Nutzen macht, und wir wüssten nicht, warum er nicht sollte zurücktreten können, wenn feststeht, dass der Lieferant nicht geleistet, was er zu leisten hatte, sich also nicht bewährt hat. Insoweit müssen wir Ihrem rechtskundigen Mitarbeiter allerdings zustimmen, als die gesetzlichen Befugnisse gegen den säumigen Verkäufer thatsächlich oft zu Missgebrauch führen. Es giebt Waaren, von denen man zu sagen pflegt, sie seien »immer« zu tadeln. Selbstverständlich muss der Richter Abweichungen gelten lassen, welche in der Natur der Waare begründet sind. Aber über das Maass der Abweichungen haben Sachverständige zu befinden, und es ist nicht mit Sicherheit darauf zu rechnen, dass ein wirklich sachverständiges Gutachten das wahre Recht findet, besonders wenn Käufer und Verkäufer räumlich getrennt wohnen, und die eine Partei bei der Vernehmung des Sach verständigen nicht zugegen sein kann. Deshalb werden Abweichungen, die in normaler Zeit unbeachtet bleiben, bei rückgängiger Konjunktur dazu benutzt, um den Kaufvertrag rückgängig zu machen, und die Gefahr, auf diese Weise um die Früchte eines langen Lieferungsvertrages zu kommen, bei dem der Verkäufer im Anfang vielleicht bewusst Schaden machte, ist in Zeiten des Preisfalles um so grösser, je längere Zeit der Trans port der Waare in Anspruch nimmt. Der Käufer sagt dann nicht »ich beanspruche die der Abweichung gleichkommende Entschädigung«, sondern er will die Waare garnicht »zumal jetzt so und so zu kaufen ist«, und der Verkäufer muss dann froh sein, wenn wenigstens das Gelieferte mit unverdient hohem Abzüge behalten wird. Auch in der Papier-Industrie giebt es viele Artikel, welche der Käufer bei einer Abweichung gegen Ersatz des wirklichen Minderwerthes oft ganz gut verwenden könnte; welchem Verkäufer ist es aber immer geglückt, damit durchzudringen, auch wenn der Käufer dem Verkäufer keine böse Absicht bei Ausführung der Lieferung unterschob? Wie oft erscheint uns der Käufer in solchen Fällen nicht wie Gessler, welcher Teils Leben verweigerte mit den Worten »ich will den Schuss«! Wir haben unter Berufsgenossen wiederholt angeregt, ob nicht durch Vereinbarung der Rücktritt vom Vertrage ausgeschlossen werden sollte, wenn ein Schiedsgericht erklären wird, der Verkäufer habe augenscheinlich nicht in böser Absicht gehandelt, und der Käufer solle die und die Vergütung erhalten. Aber obgleich der gutgläubige Käufer gegen diese Klausel nichts haben sollte, haben wir mit der Anregung bisher kein Glück gehabt, und der Einzelne ist in solchen Dingen machtlos. Auf der andern Seite — so sehr wir die Klausel in einer gewissen Begrenzung, nach dem Geschäftszweig usw. empfehlen — würden wir es niemals richtig finden, wenn generell die gesetzlichen Rechte des Käufers nach dieser Richtung eingeschränkt würden. So einfach wie der geschätzte Herr Einsender im Anfang seiner Erörterung annimmt, liegt die Sache nicht. Es ist zweifel haft, ob das Gericht für oder gegen den Lieferanten entscheiden würde — und deshalb riethen wir in Nr. 2 zu einem billigen Vergleich. D. Red. Versäumnisskosten für Gerichtstermine. .... 10. Januar 1895. Dem Herrn Einsender des Artikels in Nr. 2 dieses Jahrgangs kann ich entgegenhalten, dass mir fragliche Reichsgerichts-Entscheidung sehr wohl bekannt war. Ich hätte dies in meiner Kritik in Nr. 104 des vorigen Jahrganges erwähnen und namentlich hervorheben sollen, dass der dort benannte Rechtsgelehrte seine Anschauung trotz der ihm bekannten, die gegentheilige Meinung aussprechenden Reichsgerichts- Entscheidung aufrecht erhält und hierin mit einer grösseren Anzahl juristischer Autoritäten einig geht. Er stützt seine Meinung hauptsächlich auf die Motive zu § 87 der R. H. P. 0., die auf Artikel 149 und 150 der früheren Zivilprozess ordnung hinweisen. In diesem Artikel 149 ist aber »die Entschädigung für den durch die Führung des Rechtsstreites nothwendigen Zeit aufwand« ausdrücklich als zu den Prozesskosten gehörig bezeichnet. Verschiedene Württembergische Gerichte, darunter das Oberlandes gericht Stuttgart haben auch in diesem Sinne entschieden. Nun sei zum besseren Verständniss derjenigen Leser, die es nicht wissen sollten, bemerkt, dass Entscheidungen höherer Gerichte keine Rechtsnormen sind, an die sich niedrigere Gerichte zu halten haben; sie sind nur eine Erkenntniss quelle, wie das sogenannte Recht der Wissenschaft: die Anschauungen juristischer Autoritäten. Jeder Richter hat nach seiner freien Ueberzeugung zu urtheilen. Diese theoretische Seite aber ganz äusser Acht gelassen und die fragliche Reichsgerichts-Entscheidung als allgemein giltig angenommen, so müsste ich die Antwort in Nr. 99 des vorigen Jahrganges doch als ungenau oder undeutlich bemängeln, weil der Fragesteller gewiss nicht wissen wollte, ob die Entschädigung für Zeitversäumniss bei Terminen usw. zu den »Prozesskosten« gehört oder nicht, sondern ob er überhaupt Entschädigung beanspruchen kann. Die Reichsgerichts-Entscheidung sagt darin, dass Ansprüche auf Ersatz für Zeitversäumniss »keine Prozesskosten« seien, nicht auch, dass solche Ansprüche überhaupt nicht gemacht werden können, sondern sie will diese nur auf den Weg der Zivilklage verwiesen wissen. Mit anderen Worten: diese Ansprüche können nicht bei dem an den Prozess sich anschliessenden Kostenfest setzungs-Verfahren berücksichtigt werden, sondern seien in einem neuen Prozesse zu verfolgen, sofern die unterliegende Partei nicht vorzieht, freiwillig zu bezahlen. Es dürfte deshalb jeder in einem Rechtsstreite obsiegenden Partei empfohlen werden, ihre Versäumnisskosten, wenn die sonstigen Voraus setzungen zutreffer, im Kosten-Festsetzungsverfahren geltend zu machen. Sollte der betreffende Richter dann der Anschauung des Reichsgerichts huldigen und den Anspruch nicht als Prozesskosten ansehen, so kann sie immer 'noch einen Zivilprozess zur Erreichung des Anspruches anstrengen. o.