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90 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 4 Indessen richtet sich das Augenmerk der amerikanischen Papiermacher immer mehr und mehr auf den englischen Markt. Der Verbrauch hier kann nicht gleichen Schritt halten mit der sich stets steigernden Erzeugung; man ist schliesslich darauf angewiesen, seinen Absatz auch nach Europa zu lenken, und England ist dazu am gelegensten. Dieser Mitbewerb richtet sich hauptsächlich gegen uns Deutsche. Darum heisst es auf der Hut sein und die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen und denken: »die Entfernung sei zu gross, Fracht zu hoch, Arbeitslöhne und andere Unkosten usw. theurer als bei uns, es sei nicht denkbar, dass die Amerikaner mit uns in Wettbewerb bleiben können, sondern es sei nur eine vorübergehende Erscheinung, die ebenso rasch wieder verschwindet, wie sie gekommen!« Wer hier im Lande war und die hiesige Papierindustrie beob achtet hat, der wird verstehen, welch mächtiger Mitbewerber uns mehr und mehr bedroht. Obwohl die Zeiten so schlecht sind, hört man immer wieder von neuen Plänen. Die angesehenste und grösste Firma in hiesiger Gegend, Kimberly & Clark, plant zwei ihrer Fabriken, die Pioya und die Vulkan-mill in Appleton im nächsten Sommer niederzureissen und eine ganz neue Fabrik an deren Stelle zu setzen, mit zwei grossen Maschinen. Der Voranschlag beläuft sich auf 400000 Dollars (etwa 1680000 M.). Zur Zeit wird besseres Bücherpapier erzeugt, und dies ist auch mit dem geplanten Unter nehmen beabsichtigt. Und warum geschieht dies, fragt man sich unwillkürlich, da die bestehenden Fabriken noch in recht gutem Zustande sind — einfach, weil sie mit ihren Einrichtungen ihr Papier nicht billig genug fabriziren können. Sonntagsruhe! In den deutschen Fachblättern wurde in letzter Zeit viel über die Sonntagsruhe in Papier- und Zellstoff-Fabriken geschrieben, und es dürfte deshalb von Interesse sein, zu vernehmen, wie es in hiesiger Gegend damit steht. Fast allgemein herrscht die 24-stündige Ruhe. Ueberhaupt wird hier in Amerika auf die Sonntagsheiligung mehr gesehen, als in Europa. Die Papierfabriken stellen Sonn tags früh 7 Uhr ab und beginnen Montags früh wieder. Während dieser Pause werden die gegebenenfalls nöthigen Aenderungen oder Reparaturen besorgt, neue Siebe aufgezogen usw. — Trotz der schlechten Marktlage sucht doch kein Fabrikant seine allgemeinen Unkosten dadurch zu verringern, dass er seine Produktion durch sonntägliche Arbeit erhöht, und trotzdem können sie bestehen. Selbst im grössten Theil der Zellstofffabriken herrscht voll ständige Ruhe. Nach Samstag Abend 6 Uhr wird kein Kocher mehr gefüllt, bis Sonntag früh muss aller gekochter Stoff auf gearbeitet sein. Sonntag Abend um 6 Uhr wird mit dem Kochen wieder begonnen, während die Entwässerungs-Maschinen und sämmtliche zur Verarbeitung des Zellstoffes nöthigen Maschinen erst Montag früh ihre Thätigkeit wieder aufnehmen. Die Laugen bereitung erleidet jedoch keinen Stillstand. Auf diese Weise haben die meisten Arbeiter eine 24-stündige Ruhe, um diese im Kreise ihrer Angehörigen zu verbringen. Ausnahmen giebt es natürlich, wie überall, auch hier; z. B. arbeitet die Mitscherlich-Zellstofffabrik ohne Unterbrechung, welche auch hier sehr schwierig und verlustbringend wäre. Holzpreise und -Verbrauch. Unter den hiesigen Fabrikanten, welche Holzschliff und Zellstoff erzeugen, besteht eine Vereinigung, welche den Holz einkauf besorgt. Alle erhalten auf diese Weise ihren Bedarf zu gleichen Preisen, und gegenseitige Ueberbietungen sind völlig ausgeschlossen. Vom 1. Dezember 1893 bis 1. Dezember 1894 wurden in hiesiger Gegend 120874 cords Holz verarbeitet (das cord ist ungefähr gleich 3,625 cbm), also 438168 cbm. Das cord kostet ungefähr 7 Dollars, was in unserem Gelde 8 M. 11 Pf. für das cbm beträgt. Knotenfänge. Mir ist aufgefallen, dass ich in allen bis jetzt besichtigten Papier- und Zellstofffabriken nur einen einzigen Gould-Knoten- fang vorfand. Ich hörte auch, dass man denselben früher mehr verwendete. Dagegen sieht man den im VIII. Chicagoer Reise bericht von C. Hofmann, Seite 38 erwähnten, irrthümlicher- weise Herrn Thom als Erfinder zugeschriebenen Knotenfang jetzt überall. Derselbe wird in Sandy-Hill, N. Y., gebaut, und man ist mit dem »Success Screen «, wie er genannt wird, sehr zufrieden. Die Verbindung der auf- und niedergehenden Saugplatte wird jedoch wieder aus Gummi hergestellt. Es sind verschiedene derartige Maschinen längere Zeit schon hier in Betrieb, ohne dass der Gummi je hätte ersetzt werden müssen. T, H n Verantwortlichkeit des Vermittlers. Zur Frage 848 in Nr. 2. - .... 8. Januar 1895. Der Fragesteller kaufte durch Vermittelung des Bankiers X. eine Holzschleiferei und hat infolge falscher Angaben desselben (deren Erheblichkeit der Bankier kennen musste) einen Verlust von 80000 M., die der Frager reklamiren möchte. Es ist eben so auffällig, dass der Frager bei einer solchen Lebens frage sich auf eine zwanzigzeilige Anfrage einlässt (denn es kommen doch sämmtliche Umstände in Betracht), wie dass er als Fabrikant es unterlassen hat, die Angaben des Bankiers bei Zeiten zu prüfen, und es ist begreiflich, dass Sie ihm in letzterer Hinsicht einen Vorwurf machen. Vom Standpunkte des Rechtes erscheint diese Prüfung bestimmter Angaben jedoch nicht nöthig. Verhält sich vielmehr alles genau so, wie der Fragesteller sagt, dann ist auch der Vermittler verantwortlich, und zwar unabhängig von der Höhe seiner Vermittlungsgebühr, gerade wie Auskunftsbureaux für Pflichtverletzungen in einen ihre Vermittlungs gebühr weit übersteigenden Schaden-Ersatz verurtheilt worden sind. Der Fragesteller wird sich wahrscheinlich mit Ihrer Antwort nicht zufrieden geben. Für die sonstigen Leser der Pap.-Ztg. ist aber wohl angebracht, festzustellen, dass nach dem Vortrag der Sache der Bankier X. prinzipiell haftbar ist. Andernfalls hörte Treu und Glauben im geschäftlichen Verkehr auf. Dass, wie Sie richtig sagen, die Begründung der Höhe des Schadens äusserst schwierig erscheint, ist eine andere Sache. Zweite Wahl. 7. Januar 1895. In der vielfach angeregten Frage, ob der Käufer von Papier verpflichtet ist, zweite Wahl in Kauf zu nehmen, dürfte nach stehende Ansicht zur Klärung beitragen. Was zunächst die hierher bezüglichen Verkaufsbedingungen des Vereins Deutscher Papierfabrikanten anbelangt, so mögen sie für die Mitglieder dieses Vereins, die sich den statutengemäss gefassten Beschlüssen durch ihren Beitritt zum Verein ein für allemal unterwerfen, rechtsverbindliche (vertragsmässige) Wirkung haben, ebenso für diejenigen Nichtmitglieder, die sich zur Ein haltung der Bedingungen auf irgend eine Weise für immer, oder für den einzelnen Fall mündlich, schriftlich oder auch still schweigend durch konkludente Handlungen verbindlich gemacht haben. Für alle anderen Käufer können sie aber als nicht bestehend angesehen werden. Als Handelsgebrauch im Sinne des Handelsgesetzbuches werden sie nicht zu Recht bestehen können, denn Gewohnheits rechte (und das sind Handelsgebräuche) entstehen niemals durch Beschlussfassung von Vereinen usw., sondern dadurch, dass die fraglichen Gewohnheiten oder Gebräuche vom Volk oder einer Volksklasse längere Zeit hindurch ununterbrochen und mit dem Bewusstsein ihrer Nothwendigkeit beobachtet worden sind. Diese Erfordernisse werden hier schwerlich alle vorhanden sein. Selbst angenommen aber, die Bedingungen des Vereins Deutscher Papier fabrikanten beständen vor dem Richter als Handelsgebräuche, worüber nach § 118 des deutschen Gerichtsverfassungs-Gesetzes die Kammer für Handelssachen zu entscheiden hätte, so wäre im Streitfälle erst recht keine Rücksicht darauf zu nehmen, denn nach Art. 1 des Deutschen Handelsgesetzbuches kommen Handels gebräuche nur insoweit zur Anwendung, als dieses Gesetzbuch keine Bestimmungen enthält. Es enthält aber für den vorliegenden Fall solche Bestimmungen in Art. 335, der lautet: »Ist im Vertrage über die Beschaffenheit und Güte der Waare nichts Näheres bestimmt, so hat der Verpflichtete Handelsgut mittlerer Art und Güte zu gewähren«. Es könnte sich also im einzelnen Fall vor dem Richter nur darum handeln, ob er »zweite Wahl« als Handelsgut mittlerer Art und Güte ansieht oder nicht; nicht aber darum, was Handelsgebrauch ist. Das etwa einzuholende Gutachten von Sachverständigen dürfte nun kaum zu Gunsten des Verkäufers ausfallen, denn zweite Wahl ist ja in den wesent lichen Eigenschaften, als Stoff, Festigkeit, Dehnbarkeit dieselbe Waare wie erste Wahl, nur mit bald geringeren, bald bedeutenderen Fehlern und Mängeln behaftet. Fehlerhafte und mangelhafte Waare braucht aber schon nach allgemeinem bürgerlichem Rechte Niemand anzunehmen. Vergleiche auch Art. 346 bis 349 des Handels-Gesetzbuches. Vorstehende Anschauung ist schon für den Fall maassgebend, dass bei Bestellung über »Beschaffenheit und Güte« der Waare gar nichts ausgemacht worden ist, was wohl selten vorkommt. In der Regel wird nach Muster gekauft, und hier lässt Art. 340 des Handelsgesetzbuches gar keinen Zweifel, indem er sagt, dass die Waare dem Muster gemäss sein müsse. Wenn aber erste Wahl bemustert wurde, so entspricht zweite gewiss dem Muster nicht, braucht also auch nicht angenommen zu werden.