Volltext Seite (XML)
794 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 25. höchst einfach: die stärker verholzten Faser-Bündel liegen weder im obern, noch im untern Ende beisammen, sondern sind über die ganze Länge des Bastes vertheilt; die ganze glatte Aussen seite nämlich ist stärker verholzt oder verkieselt (inkrustirt) als die Innenseite. Die Fabrik, welche dieses einsah, hatte auch nicht die geringste Mühe mit Munj, und die Aufseher zogen das selbe wegen seiner leichten Verarbeitung sogar allen andern Stoffen vor. Man vermehrte nur den Zusatz von kaustischer Soda, bis auch die verholzteren Faser-Bündel sich aufschlossen, und erhielt nun gutes naturfarbeues Papier. Es braucht aller dings einige Uebung, bis man am Aussehen des gekochten Munj- Stoffes erkennt, ob er richtig, also weder zu wenig noch zuviel gekocht ist. Die Arbeiter natürlich sagen Alle »je weicher, je lieber«, und der Betriebsleiter hat sehr aufzupassen, dass keine Soda-Verschwendung stattfindet. Durch das kräftige Kochen werden die leichter verholzten Fasern sehr leicht bleichbar und sind schon weiss, wenn die härteren Faser - Bündel eben erst anfangen, die Farbe zu wechseln. Man hat also auch bei gut gekochtem Munj-Stoff nur die Wahl, garnicht, oder aber voll ständig zu bleichen; Munj zu halbweissem Papier verwenden zu wollen, ist sinnwidrig. Das alles klingt sehr einfach und selbst verständlich, aber aus Mangel an diesem Verständniss, das nur durch häufige Zuhilfenahme des Mikroskopes und durch lange und sehr genaue Beobachtungen während der Fabrikation ge wonnen werden konnte, sind über hunderttausend Mark weg geworfen worden. Um aus Munj-Bast gutes ungebleichtes Papier herzustellen, müssen bei 35 Pfund Ueberdruck und 9 Stunden Kochzeit 18 pCt. kaustischer Soda von 70 pCt. (also 121/2 pCt. Na, 0) verwendet werden, und um auch gute Bleichfähigkeit zu erzielen, muss man auf 19—20 pCt. käuflicher Soda (etwa 14 pCt. Nag 0) gehen. Der Ertrag von ungebleichtem, unbeschwertem Papier aus Munj . bester Sorte ist etwa 52 pCt., aber von gebleichtem Papier nur etwa 43—45 pCt. Der grosse Bleichverlust erklärt sich, nach dem Obengesagten, leicht genug aus der Zerstörung durch Ueber- bleichen der schwächer verholzten Fasern. Ich habe dieses auch durch direkte Versuche festgestellt. So ergab ein Versuch mit Munj zweiter Güte, das mit 14 pCt. Nag 0 gekocht wurde, 50 pCt. lufttrockenen Stoff, während derselbe Stoff nach behutsamem Bleichen nur 45 pCt. ergab. Um die zerstörende Wirkung des Chlors unzweifelhaft festzustellen, behandelte ich eine andere Probe der gleichen Kochung etwas energischer mit Chlorkalklösung, wie es im Laufe der Fabrikation gelegentlich vorkommt, wenn die Holländermüller nicht sorgfältig sind, oder die Papier-Maschine auf »Stoff« wartet, und erhielt jetzt nur 40 pCt. Mit andern Worten: der Bleichverlust bei Munj beträgt zwischen 10 und 20 pCt. Auf der andern Seite konnte ich, trotz vieler Versuche, keinen Unterschied in der Ausbeute von ungebleichtem Stoff ent decken, gleichviel ob mit 18 oder 20 pCt. kaustischer Soda (von 70 pCt.) gekocht wurde. Die praktische Erfahrung mit Munj bestätigt also vollkommen die Theorie, dass Zellstoff von kaustischen Laugen schwer, von Chlor aber verhältnissmässig leicht zersetzt wird. Ich vermuthe, dass Stroh sich ähnlich verhält, und dass die so sehr auseinandergehenden Angaben über dessen Ertrag sich zum grossen Theil aus dem Umstande erklären lassen dürften, dass die einen Fabriken weniger Soda, aber desto mehr Chlorkalk als die andern verwenden. Da ich selber keine nennenswerthen Mengen von Stroh verarbeitet habe, wäre ich für freundliche Mittheilung von Strohstofffabrikanten über ihre Erfahrungen dankbar. Zum Bleichen von gut gekochtem Munjstof braucht man 12—16 pCt. Chlorkalk. Der Stoff ist rösch (»free«) und kann, wenn wie üblich in den Halbstoffholländern gewaschen wird, in drei Stunden in die Ganzholländer abgelassen werden. In weitern drei Stunden ist er fertig und läuft ohne die geringste Schwierigkeit über die Maschine. Nur hat man beim Trocknen aufzupassen, dass die ersten Trocken-Cylinder nicht zu heiss gehalten werden, weil sonst das Papier wellig wird. Die Munj-Faser ist ebenso lang wie Esparto und Bhaber, aber starrer, und das daraus verfertigte kräftige Papier hat guten » Klang«. Durch Vermischen von Munj und Bhaber in verschiedenen Verhältnissen lässt sich daher, was »Griff« anbelangt, allen Ansprüchen genügen. Statt Bhaber kann man natürlich auch durch Baumwoll-Zusatz Munj-Papier weicher machen. Aus 80 pCt. Munj und 20 pCt. Baumwolle erhält man ein für den Verkauf aut den indischen Märkten sehr beliebtes Papier. Zusatz von Bhaber und namentlich von Baumwolle steuert auch der Gefahr des Welligwerdens auf den Trocken-Cylindern. Die Munj-Pflanze bedeckt so grosse Flächen und ist in Nord- Indien so verbreitet, dass man sich kein Urtheil über die Mengen bilden kann, welche bei vergrösserter Nachfrage beschafft werden könnten. Jedenfalls ist genug da, um dem fünffachen gegen wärtigen Bedarf der Papierfabrikation zu genügen. Es wäre aber ein grosser Irrthum zu glauben, dass man nur in der Nähe dieser oder jener Munj-Strecken eine Fabrik zu errichten brauchte, um sicher zu sein, genügend Rohstoff zu erhalten. Da könnte man sich die Finger übel verbrennen. Mir selber wäre es vor Jahren, als ich das Land erst oberflächlich kannte, beinahe so ergangen, obschon ich wochenlang die Munj-Gegenden durchstreift und mich über alle in Betracht kommenden Verhältnisse genau glaubte unterrichtet zu haben. Munj mag an einem Orte in Hülle und Fülle vorhanden sein, aber dann fehlen vielleicht Leute, die sich der mühsamen Arbeit unterziehen, den Bast abzuschälen. Wenn z. B. eine Fabrik sich auch nur zur Verarbeitung von 2 Millionen Kilogramm im Jahr einrichtete, so würde allein das Sammeln des Bastes mindestens 200000 Arbeitstage bean spruchen. In den abgelegenen Gegenden aber hat jeder, auch der ärmste Indier, sein Land zu bebauen, und eine eigentliche Ar beiter-Bevölkerung ist garnicht vorhanden. Dann nimmt das Gras soviel Laderaum ein, dass dadurch der Transport ungemein vertheuert wird. Ein Ochsenwagen, der 1000 kg Weizen an den Markt bringt, kann nicht über 300 bis 350 kg Munj laden. Am leichtesten aber geht man fehl beim Schätzen der aus einem Munj-»jungle« erhältlichen Menge. Jeder, der nicht besondere Er fahrung mit Munj - Ländereien hat — und ich glaube nicht, dass ein halbes Dutzend Europäer sie besitzt — wird die von einer bestimmten Fläche erhältliche Menge jedenfalls um das Zwanzig fache überschätzen. Die Blüthenstengel, welche mit ihren fuss langen weissen Fahnen wie ein endloses Meer aussehen, bilden nur einen kleinen Prozentsatz des Ganzen; und der feine Bast, der sie umhüllt, wiederum nur einen mässigen Prozentsatz der Stengel. Die Eingeborenen selber geben auf Befragen so ver schiedene Zahlen an, dass man nicht daraus klug werden kann. Sie wissen es meistens selber nicht und wollen doch etwas antworten. Ich miethete daher schliesslich von einem befreundeten Dorfe für mehrere Jahre das zugehörige mit Munj bewachsene Land — es waren etwa 400 Morgen — und liess es unter sorg fältiger Aufsicht selber schneiden. Der Ertrag war ungefähr 120 kg der Acre oder 300 kg das Hektar! Der Preis von Munj ist etwa 80 Pfennig die 100 kg an Ort und Stelle, stellt sich aber in Calcutta durch die Transportkosten auf etwa 5 Mark. Äusser für Bindfaden und Stricke wird Munj von den Einge borenenauch zuMatten verwendet,namentlich aber zu den Bettstätten. Die Seiten der Bettstatt bestehen aus vier Rundhölzern, die auf kurze Pflöcke gebunden werden. Ueber dieses Gerippe wird Munj-Bindfaden mattenartig möglichst stramm geflochten, und das kühle, elastische Bett ist fertig. Man thut aber gut, eine Decke darüber zu breiten, ehe man sich darauf legt, denn die vielen Zwischenräume geben den Stechmücken (mosquitos) ebenso viele Angriffspunkte. Auch der ärmste Mann besitzt eine Munj - Bett statt, sodass man auf Jagd - Ausflügen seine eigene nicht mitzu schleppen braucht. In den Dörfern herrschen nämlich noch aller hand gute alte Bräuche zu Gunsten der Reisenden. Sobald man in dem Dorf ankommt, in welchem man zu übernachten gedenkt, schickt man nach dem »Baräi« (Kasten-Name), dessen Pflicht es ist, zu sehen, dass man alles Nöthige bekommt. Der Haupt- Zamindar (Grundbesitzer) giebt das Obdach, oder weist auch den Dorftempel als Wohnort an, wenn er sicher ist, dass man die religiösen Gebräuche kennt und sie daher — wie als ganz selbstverständlich angenommen wird — auch achtet, dass man z. B. nicht etwa Fleisch oder Eier im Tempel isst. Der »Kahär« (Kasten-Name) hat Wasser zu bringen, die»Chamars « (Kasten-Name) getrockneten Kuhdung als Brennstoff und Gras für die Ochsen und Pferde, der »Guleria« (Hirt) bringt Milch und leiht auf Verlangen eine seiner selbstgemachten neuen Wolldecken. Ist man sehr müde, so kann man nach dem Dorfbarbier (Nau) schicken und sich von ihm massiven lassen. Der Dorfwächter gehört der »Mirda« oder Diebskaste an, hat die ganze Nacht zu wachen und ist dafür verantwortlich, dass dem Reisenden nichts gestohlen wird. Das Bett aber, worauf der Reisende schläft, ist ein vom Baräi gebrachtes Munjbett. PaMri. Norwegen und Amerika. Die Vereine der norwegischen Holzschleifer und Zellstoff- Fabrikanten haben gemeinsam ihren Schriftführer Lorenzen nach Amerika gesandt, um die Lage der gleichen dortigen Industrie zu studiren und darüber zu berichten.