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768 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 24. Ist so manches prächtige Schlafzimmer besser? Prächtige Vorhänge gleichen den Raummangel nicht aus, und Teppiche sind vollends schlechter als alles: Staubsammler und Spar-Kassen für Ansteckungsstoffe. Im Schlafzimmer des Minderbemittelten hat der Tod diese eleganten Hilfstruppen garnicht nothwendig. Es ist zwar nicht absichtlich, aber doch faktisch von der Sonne abgewendet und nicht mit modernen Vorhängen verdunkelt; aber es ist viel zu enge und der Ablagerungsplatz von Kleidern, Schuhzeug und Wäsche, von Lebensmitteln und Handelsartikeln, von allerlei Haus- rath, selten unmittelbar geheizt, meist von dem gleichzeitig als Kochherd dienenden Ofen mit Speisedünsten und Wasserdampf und mit Wohnstubenluft erfüllt und feucht. Das möglichst Schlechte sind aber die fensterlosen Zwischen gemächer, die in einem Hause dasselbe darstellen, was in einem Kanale der Schlammsammler bedeutet. Da schlafen nun die Meistersleute und ihre Kinder, während die Lehrjungen und Dienstboten im kalten, aber luftigen Dachraume weitaus das bessere Theil erhalten haben. Rascher und auffälliger als das Schlafzimmer wirkt das Krankenzimmer. Warum öffnen wir nicht auch im Kinderzimmer ein Fenster, in jedem Wohn- und Arbeitsraum und insbesondere in jedem Schlafzimmer? Man wird sich dabei erkälten, heisst es!! So gut, wie man tüchtig einheizen kann, ohne das Haus anzuzünden, eben so gut kann man auch tüchtig lüften, ohne sich zu erkälten. Wozu haben wir denn unsere berühmte Bildung, wenn sie nicht einmal so viel zustande bringen kann? Man öffnet für die Nacht immer ein oberes Fenster, immer dasjenige, welches in grosser Entfernung vom Bette steht. Man öffnet im Sommer weit und voll, bei kühler Jahreszeit halb, bei Kälte nur ein wenig. Das ist eben grundfalsch, denn im Winter genügen einige Centimeter Luft-Oeffnung ebensowenig, als im Sommer. Im Gegentheil ist im Winter wegen der durch das Heizen bedingten erhöhten Luftverunreinigung eine ausgiebige vernünftige Ventilation doppelt nothwendig. Während des Ausziehens und Ankleidens wirft die Klugheit das Fenster vollends zu; nachher öffnet es die Weisheit wieder, denn die Gesundheit wohnt mit Vorliebe in einem beständig gelüfteten S chlafgemache! Wenn ich Gott Rechenschaft geben müsste über meine ärzt liche Wirksamkeit, so möchte ich nichts leichter verantworten, als wenn ich jedem Patienten eine Fensterscheibe für immer her ausgeschlagen hätte, denn es sind eben wie in der Moral, so auch in der Hygiene nur sehr wenige und sehr einfache Gedanken, auf die es schliesslich ankommt. Neues Buchbinde-Verfahren. Herr H. Baumfalk in Esens legt uns mehrere Bände vor, die nach dem Raspel - Verfahren gebunden sind, und bemerkt dazu Folgendes: »Früher war diese Arbeit — Raspeln — Handarbeit, jetzt habe ich dafür eine Maschine. Nachdem festgestellt war, dass flach geraspelte und nachher gerundete Bücher sich ebenso gut rund erhalten, wie irgend ein sonstwie gebundenes Buch, so war damit die Einrichtung einer Raspelmaschine sehr einfach geworden. Die Rücken werden nicht abgeschnitten, sondern abgeraspelt; später kommt das Runden. Um keinem Missverständniss Raum zu geben, sei noch bemerkt, dass alle Bände abgepresst sind. Dies Abpressen hat den Zweck, die gegebene Rundung für die Dauer festzuhalten. Dies geschieht, indem der Rücken des Buches angefeuchtet wird und in der Presse, oder wenigstens unter Druck trocknet. Quetschen und Hämmern fällt hier fort, weil die zur Rundung nöthige Breite des Rückens vorher berechnet wird. Ein gewünschter Falz presst sich deshalb ohne Anwendung von Gewalt ganz von selbst an. * * * Wir haben die Bände eingehend untersucht und gefunden, dass diese Bindeweise vor der besten Fadenheftung kaum zurück steht. Sie hat sogar den Vorzug, dass alle Blätter die ganze Rückenkante entlang fest angeklebt sind. Dies ist auch natürlich. Die eigene Festigkeit des Papiers ist neben der Verfilzung der Fasern durch Harzleimung bedingt. Diese kann kaum bessern Halt geben als guter Buchbinderkleister. Die Verfilzung der Rückenlagen muss allerdings sehr gründlich sein, sie wird bewirkt durch das Aufrauhen mit der Maschine. Dadurch, dass die Rücken in flachem Zustande geraspelt und dann erst gerundet werden, wird das Verfahren, wie Herr B. es verwendet, nicht nur einfach, sondern auch sicherer als sonst. Wenn aus geraspelten Büchern Blätter herausfielen oder leicht herausgerissen werden konnten, so lag dies wohl nur daran, dass die Verfilzung nicht genügend war. Bei dem Handverfahren konnten solche Fehler leicht vorkommen, und die ganze Bindeweise kam dadurch in schlechtes Licht. Arbeitet die Maschine, von der Herr B. spricht, fehlerlos — und es ist nicht einzusehen, warum sie dies nicht sollte —, so kann das Verfahren ausgedehnte Verwendung finden. Büchertisch. Photographischer Almanach und Kalender für das Jahr 1894. Mit 4 Kunstbeilagen. E. Liesegang's Verlag, Düsseldorf. Preis 1 M. Von den 144 Seiten dieses Taschenbuches sind dem Kalender 15 gewidmet; der übrige Raum wird gefüllt von fachtechnischen Notizen und belehrenden Aufsätzen der verschiedensten Art. Nicht nur der grossen Klasse der Liebhaber-Photographen, sondern auch Fachleuten wird das Buch manchen nützlichen Wink geben können. Im Anhang ist auf 23 Seiten eine Reihe von Rezepten für Entwickeln, Bäder, Lacke usw. enthalten. Wie treibt man am leichtesten seine Aussenstände ein? Ein aus der Praxis hervorgegangener Leitfaden für Jedermann, sich selbst beim Amtsgerichte zu vertreten. Bearbeitet von C. Brown. 3. Auflage. Verlag von Gustav Weigel, Leipzig. Preis gebunden 1 M. 90 Pf. Für den Kaufmann oder Fabrikanten ist es sehr wichtig, die Aussenstände zu rechter Zeit hereinzubekommen, einmal, um vor Ver lusten möglichst gesichert zu sein, dann auch, um nicht mit unver- hältnissmässig grossem Betriebskapital arbeiten zu müssen. Zudem zwingt das Ueberhandnehmen von Böswilligkeit und Betrug im geschäft lichen Leben immer mehr zur Vorsicht. Für Geschäftsleute, die nicht die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch nehmen, sondern die nöthigen Schritte in gesetzlicher Weise selbst thun wollen, ist vorliegendes Buch bestimmt. Es belehrt über das Verfahren vor den Amtsgerichten bis zur Zwangsvollstreckung und giebt zum Schluss erläuterte Tabellen über Gerichtskosten, sowie über die Gebühren für Rechtsanwälte und Gerichtsvollzieher. Zahlreiche Vordrucke für alle im Verfahren etwa erforderlichen Anträge und Einreichungen sind beigegeben. American Commercial Specimens. Amerikanische Merkantil- Arbeiten, herausgegeben von W. Heim, Wien und Leipzig. 24 Tafeln Quart in Mappe. Preis 14 Mark. Die Ausstattung amerikanischer geschäftlicher Drucksachen hat vor der unsrigen manche Vorzüge. Im Reklamewesen sind die Amerikaner weiter als wir, und da der amerikanische Buchdrucker oder Lithograph im Allgemeinen künstlerisches Gewissen nicht hat, sondern nur den Wunsch seiner Auftraggeber um jeden Preis zu erfüllen sucht, so sind die dort gefertigten Drucksachen jedenfalls sehr zweckmässig. Die Amerikaner, indem sie diesen Grundsatz befolgen, thun damit nichts, was nicht unsere Künstler auch zur Richtschnur nehmen sollten, denn in der ganzen Kunst ist Zweckmässigkeit die erste Bedingung für den Werth einer Sache. Aber da die Zeichner in Deutschland durch ihre akademische Ausbildung auf historische Stilarten verpflichtet sind, so vergessen sie oft genug, dass den Anforderungen des Geschäftsmannes nicht durch bedeutungslose Formen genügt werden kann, sondern durch solche, die der Zeit angepasst sind, in der wir leben. Allerdings bewahrt das, was man künstlerisches Gewissen nennt, was aber meist nur Engherzigkeit und Vorurtheil ist, vor Uebertreibungen, die den Amerikanern häufig genug mit unterlaufen. Dafür aber entbehren sie meist auch der Frische und Eigenart, die jene auszeichnet. Vergleiche in dieser Richtung anzustellen, wird immer nützlich sein, namentlich wenn man versteht, das Amerikanische nicht als Ganzes zu nehmen, sondern auszuscheiden, was nicht gut oder für unsere Verhältnisse nicht passend ist. Das vorliegende Sammel-Werk, welches 24 Tafeln, eng bedruckt mit Beispielen amerikanischer Lithographieen, enthält, ist sehr geeignet, uns mit der amerikanischen Ausstattungsweise vertraut zu machen. In solcher Vollständigkeit sind gute Muster von dorther noch nicht geboten worden, und die Verlagshandlung kommt mit der Herausgabe dieser Sammlung einem Bedürfniss nach. Die Muster bestehen in Abdrücken von Briefköpfen, Geschäftskarten, Vignetten, Wechseln, Eti ketten usw., und es befinden sich viele Sachen darunter, die nicht nur reizvoll und eigenartig, sondern auch künstlerisch unanfechtbar sind. In Bezug auf Schriftformen ist das Werk eine unerschöpfliche Fundgrube, ebenso ist es lehrreich, was die in amerikanischen Arbeiten beliebten scharfen Gegensätze betrifft. In den bessern amerikanischen Accidenzdrucken liegt immer Energie und Leben. Bemerkenswerth ist ferner die Behandlung der Schrift als Haupt sache. Häufig sind die Zeilen so gross gehalten, dass sie plump und ungefüge aussehen würden, wenn sie nicht so hübsche Formen hätten. Auch in die Anwendung fliegender, wolkenartiger Schattengebilde und verlaufender Töne wissen die Amerikaner Ausgezeichnetes zu schaffen. Schliesslich ist die Anordnung und gegenseitige Abwägung der Theile ebenfalls meist vorzüglich, einzelne Arbeiten sind aufregend hübsch. Ein Werk wie dieses, das so viele tüchtige, nutzbringende Muster enthält, ist werth, von jedem Lithographen und Buchdrucker eingehend studirt zu werden.