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736 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 23. der Unkunst, der mangelhaften Verbrennung unserer Leucht- und Heizstoffe. Jedes brennende Scheit ist eine kleine Gasfabrik: die Flamme ist brennendes Leuchtgas, aber bei dem stürmischen Vor gänge entweicht schon ein Theil als Kohlenoxyd, um erst nach träglich zu Kohlensäure zu verbrennen. Diesen Vorgang sehen wir über einer Lage glühender Kohlen als bläulich-züngelndes Flämmchen, in grossem Maassstabe in Hochöfen. Leider ver brennt nicht alles Kohlenoxyd in dieser Weise, sondern ein guter Theil geht unverbrannt ab; wir sehen nichts und riechen nichts davon, und es ist deshalb für die naive Anschauung unverständiger Menschen garnicht vorhanden. Es giebt keine Kohle, welche kein Kohlenoxyd lieferte, und keine Maschine, am allerwenigsten ein Kohlenglätteisen oder einen Karbonofen, welcher dieses Gas zurück behielte oder verzehrte. Die einzige Hilfe ist eine kräftige Ableitung durch den Kamin, welche solange nothwendig ist, als man überhaupt noch Gluth sieht. Schliesst man, wie es so häufig früher der Fall war, den Kamin ab, so hat dies Erkrankungen oder sehr oft den Tod der Zimmerbewohner zur Folge. Wenn solches Unglück nicht öfters geschieht, so hat man es nur dem schlechten Verschluss der Ofenklappen zu danken. Das Kohlenoxyd ist nicht nur ein Organgift für das Gehirn, wie die konzentrirte Kohlensäure, sondern es wirkt auch als Blutgift, d. h. es verbindet sich mit dem Blute, verdrängt den Sauerstoff und tödtet schliesslich durch Erstickung. In leichtern Fällen geht diese Vergiftung mit Kopfweh, Brechen, Gliederzittern und allgemeiner Schwäche vorüber. Die Genesung ist langsam, und wo durch fehlerhaften Bau von Oefen, besonders eiserner, eine ratenweise, tägliche, langsame Kohlenoxydvergiftung stattfindet, zeigen sich Zustände, welche an Typhus erinnern. Auch das an und für sich ungiftige Leuchtgas, besonders das Steinkohlengas, ist meistens mit Kohlenoxydgas, 5 bis 25 vom Tausend, verunreinigt und wird durch dieses gefährlich. Es sind Fälle bekannt, dass gesprungene Gasröhren durch langsame, noch nicht feuergefährliche Ausströmungen einzelne Zimmer und ganze Wohnungen vergiftetenundtyphusähnliche Erkrankungen erzeugten. Leider haben sich in unsern Schulen Meidinger- und andere eiserne Oefen eingeschlichen, die bei sehr aufmerksamer Behandlung unschädlich, bei schleuderhaftem Betriebe aber durch Kohlenoxyd und Kohlensäure gefährlich sind. Gasfabriken, Seifensiedereien, Gerbereien und Leimsiedereien, ja Oefen, Essen und Kamine liefern alle eine solche Masse fremder und giftiger Bestandtheile in die Luft, dass dieselbe, wenn sie ruhend wäre, nach wenigen Tagen unreiner wäre, als irgend ein Kloaken-Inhalt. Da wir aber in einem Luft-Ocean leben, welcher beständig ebbet und fluthet und Wellen wirft, so wird aller Schmutz bis zur Vernichtung verdünnt, etwa wie Tinte, die man flaschenweise in die Donau gösse, spurlos verschwinden würde. Anderseits aber kann man sagen: geschlossene oder schlecht gelüftete Räume sind kleinen Teichen vergleichbar, die von jedem Farbstoff bald durchfärbt werden. Die Luftverderbniss durch Gase, zum grössten Theil durch unsern Haushalt und die Gewerbe des Menschen erzeugt, wird durchschnittlich zu gering veranschlagt. Pettenkofer und andere Forscher haben uns nachgewiesen, dass Salzsäure, Ammoniak, Chlor, Brom, Schwefelwasserstoff, Schwefelkohlenstoff, Anilin und Nitrobenzol schon in sehr viel kleinern Mengen, als bisher angenommen worden ist, giftig, ja verderblich wirken, und zwar selten durch Anätzung oder Blut zersetzung, sondern meistens durch ihre Wirkung auf die nervösen Zentralorgane. Auch die mechanischen Luftverunreinigungen sind weit bedeutender, als sie gewöhnlich dafür gehalten werden. Staub dringt überall ein, nicht nur in die Athmungs- und Verdauungs- Organe, sondern auch in die bestverschlossenen Uhrgehäuse, und er findet sich auch noch in einer durch Regen gründlich durch- waschenen Luft. Wir unterscheiden: den sichtbaren Staub, das Ergebniss des Kehrbesens, das Abscheuerungs-Produkt unseres Pflasters, unserer Hölzer, Pflanzen, Bauten, Geräthe, Kleider und Speisen, unserer Haut und unserer Abfallstoffe. Der Strassenstaub der grossen Städte enthält ausserdem noch sehr viel Pferdemist und Ammoniak salze. Eine hübsche Blumenlese! Der Staub wandert mit den grossen Stürmen und Strömen unseres Luftmeeres aus einem Erdtheil in den anderen, aus der Sahara nach Mitteleuropa, aus den russischen Wäldern nach Italien (Nadelholzblüthenstaub), von Holland nach Schweden, aus den Steppen Südamerikas nach Portugal, ja ein Gletscherforscher hat auf den vergletscherten Einöden Grönlands eisenhaltigen Staub gefunden, den er als kosmischen, aus dem Weltraum herabgefallenen Staub betrachtet. Die zweite Sorte bilden die Sonnenstäubchen, deren glänzende Schwärme Jedem bekannt sind; sie enthalten meist fein zerriebene organische Massen und Samen von Schimmelpilzen und ähnlicher Flora, auch Kochsalz. Dann noch eine dritte Sorte, und zwar die uns allen gefähr lichste, unsere kleinsten Feinde in billionenfacher Ansammlung enthaltende. Dieser Staub reflektirt den Sonnenstrahl nicht mehr und wird nach einem sinnreichen Verfahren erst dann sichtbar gemacht, wenn man ihn mit verdunstetem Wasser behandelt, welches jedes Atom umhüllt und vergrössert. Hier finden wir die Spaltpilze, denen wir so viel Gutes und Böses verdanken. Sie steigen niemals aus Flüssigkeiten aut und gerathen erst nach deren Vertrocknung in die Luft (Kowalsky). Etwa die Hälfte allen gewöhnlichen Staubes ist organischer Natur. Ein Kubikmeter Luft im Freien enthält ungefähr 6 bis 20 Milligramm Staub. Bei manchen Gewerben ist dieser massenhaft und enthält 70 bis 100 Milligramm. Uns interessiren in erster Linie bezüglich der Staub-Entwicklung die Staub-Inhalations krankheiten. Katarrhe der Athmungsorgane, die bis zu Bronchio- Blennorrhöe und zur konsekutiven Lungen-Erweiterung führen können, sind nicht die ersten und unmittelbaren Folgen der Ein- athmung hauptsächlich metallischen Staub enthaltender Luft. Die Statistik führt uns jedoch dazu, anzunehmen, dass auch andere Krankheiten, insbesondere chronische Lungen-Entzündungen und Lungen-Tuberkulose, im Gefolge langjähriger Staub-Einathmung auftreten. Nach einer Zusammenstellung Oldendorfs sterben in den Kreisen Solingen, Lennep und Mettmann von sämmtlichen über 20 Jahre alten Personen männlichen Geschlechtes 46 pCt. an Lungenschwindsucht, von Eisenarbeitern 59,1 pCt., von Schleifern 78,3 pCt. Nach Hirt litten von 100 erkrankten Arbeitern an Phthysis je nach ihrer Beschäftigung mit metallischem mineralischem Staub Staub 28,0 25,2 Staub-Gemische 22,6 animalischem Staub 20,8 vegetabilischem Staub 13,3 keinem Staub Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass der Staub nicht als solcher der Veranlasser der Lungen-Tuberkulose ist. Wir wissen zum Beispiel vom Kohlenstaub, dass derselbe die Lunge ganz massen haft erfüllen kann, dass er selbst in innere Organe (Leber, Milz etc.) eindringen kann, ohne dass es zu irgendwelchen Textur-Verände rungen, speziell entzündlichen Prozessen, kommen muss. Aus den statistischen Erhebungen scheint sogar hervorzugehen, als würde die Einathmung des Kohlenstaubes das Zustandekommen der Lungenphthysis verhindern; so fand man unter 4000 erkrankten Arbeitern: bei den metallischen und mineralischen Staub ein- athmenden die Phthysis mit 22 pCt. bei denen, die keinen Staub- Inhalationen ausgesetzt waren, mit 11 pCt., bei Kohlenstaub aber mit 1 pCt. vertreten. Schluss folgt. Farbige Prägungen. Um Namen und Verzierungen auf Buchdecken, Photographie- Karten usw. in Farben zu prägen, benützt man gewöhnlich eingefärbte Stempel, oder presst Blatt-Metall in den zu verzierenden Gegenstand. Ein neues Verfahren besteht darin, dass man Farben von passender Zusammensetzung auf gut geleimtes und geglättetes Papier streicht und nach dem Trocknen mittels erhitzter Stanze auf die Buchdecke usw. überträgt. Für Weiss nimmt man folgende Mischung: 1000 Gewichtstheile Wasser, 6 Gewichtstheile Gelatine und ungefähr 60 Gewichtstheile Glyzerin werden mit Zink-, Baryt- oder Bleiweiss angerieben. Dann wird das Papier gleichmässig mit der Farbe bestrichen und gut getrocknet. Das Papier wird, die Farbe nach unten, auf den zu verzierenden Gegenstand gelegt. Darauf presst man den erhitzten Stempel in üblicher Weise ein und überträgt damit die Farbe von dem Papier auf die Unterlage. Das Verfahren ent spricht also der Farbenprägung, soll aber vor dieser den Vorzug haben, dass die Farben besser decken, gleichmässigere Flächen zeigen und an den Rändern nicht austreten. Andere Farben als Weiss erzielt man durch Zusatz der erforderlichen Farbe zu der beschriebenen Mischung.