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Nr. 20. PAPIER-ZEITUNG. 633 Künstliche Mineralfarben und Farblacke. Fortsetzung und Schluss zu Nr. 19. Die organischen Farblacke. Eine grosse Anzahl von Anilinfarben eignet sich zur Her stellung von Anilinfarblacken. Gewisse Anilinfarben gehen mit einer Anzahl von Metallsalzen (organischen Säuren, Beizen) Verbindungen ein, die als unlösliche Niederschläge zu diesen Fabrikationszwecken umfangreiche Anwendung finden. Bei Ver wendung von Anilinfarben muss man sich vor allen Dingen klar sein, welches Verhalten dieselben zu den einzelnen Metallsalzen (organische Säuren) zeigen. Nach ihren chemischen Eigenschaften und Verhalten zur Faser werden die Anilinfarben nach Kertesz in Gruppen wie folgt eingetheilt: Basische Farbstoffe, Saure Farbstoffe, Wasserunlösliche Farbstoffe. Zu den basischen Farbstoffen zählen diejenigen, welche sich ihrer chemischen Beschaffenheit nach als salzartige Verbindungen der Farbbasen zeigen, wie z. B. das Fuchsin, Methylenblau, Brillant grün, Auramin, Kapriblau, Kaprigrün usw. Die basischen Farb stoffe sind gewöhnlich ausserordentlich reich an Färbkraft und werden mittels Tannin- und Brechweinsteinlösung aus ihren wässrigen Lösungen auf dem weissen Träger, (wie Thonerde- hydrat, Blancfixe, Chinaclay usw.) niedergeschlagen. Um sich zu überzeugen, ob man es mit einem basischen Farbstoff zu thun hat, bedient man sich einer Pikrinsäurelösung, die bereitet ist aus 2 1 Wasser, 40 g Pikrinsäure und 100 g essigsaurem Natron, oder des Tanninreaktivs, bereitet aus 500 ccm Wasser, 50 g Tannin und 50 g essigsaurem Natron. Löst man in einem Reagensglase den betreffenden Farbstoff in Wasser und versetzt dieses mit einem der obigen Reaktivs unter Erwärmen, so werden dadurch sämmtliche basische Farbstoffe niedergeschlagen. Zur Gruppe der säuern Theerfarben gehören sämmtliche nitrirte und sulfinirte Farbstoffe, wie Ponceau’s, Säurefuchsin, Orange, Patentblau usw. Sie sind leicht löslich im Wasser, besitzen aber eine geringere Färbekraft als die basischen Farben. Durch gewisse Reaktionen mit verdünnten Säuren können sie als zu dieser Gruppe gehörig nachgewiesen werden. Unter wasserunlöslichen Theerfarben versteht man die Anthracen- farben (Alizarine und Azarine), die sich nur in alkalischen Lösungen, wie Natronlauge usw., lösen. Das Lösen der Theerfarben ist ein so wichtiger Punkt bei der Anilinfarblack-Fabrikation, dass darüber etwas gesagt werden muss: Die Beschaffenheit des Wassers spielt hierbei eine Rolle, da ein grösserer Kalkgehalt schädlich wirkt. Durch diesen Umstand lösen sich die Farbstoffe nicht nur schwerer, sondern es tritt auch bei einzelnen durch Bildung eines unlöslichen Niederschlages direkter Verlust ein. Am vortheilhaftesten verwendet man destillirtes Wasser zum Lösen. Wenn dieses nicht vorhanden ist, setzt man dem Wasser zum Lösen von basischen Theerfarben etwas Essigsäure, von sauren Theerfarben etwas Soda zu. Bei der Lösung basischer Farbstoffe giebt man die abgewogene Menge Farbstoff in ein trockenes Gefäss, schüttet kochendes, mit Essig säure angesäuertes Wasser darauf und lässt dann die Lösung nach gutem Umrühren durch ein feines Metallsieb laufen. Bei schwer löslichen Produkten und besonders bei einzelnen, minder werth- vollen, wie Rückständen von Farbstoffen (Marron, Cerise, Grenadin usw.) ist wiederholtes Aufgiessen von kochendem Wasser erforderlich, um sie vollständig in Lösung zu bringen. Sprit lösliche Farbstoffe werden in einem geschlossenen Gefässe gelöst, doch dürften diese Art Farben nur wenig Verwendung finden. Nach dem Lösen ist ein Durchfiltriren der Farblösungen vor der Verwendung nie zu unterlassen, weil man dadurch die volle Sicherheit erlangt, dass kein Farbstoff ungelöst zurückbleibt, und ferner viele Farb-Ungleichheiten vermeidet. Konzentrirte wässrige Lösungen einzelner Farbstoffe scheiden beim Erkalten den Farbstoff wieder aus; in diesem Fall muss man vor der Anwendung wieder erwärmen. Die Farblacke der organischen Farbstoffe zerfallen in solche für lithographische und typographische Druckzwecke, Buntpapier-, Tapeten- und Anstreichfarben. Die wichtigsten Farben für Litho graphie sind die Alizarinlacke, sogenannte Krappfarben. Sie verdienen allen übrigen Theerfarblacken ihrer grossen Licht beständigkeit wegen vorgezogen zu werden. Sämmtliche litho graphischen und Buchdruck-Bunt-Farben enthalten äusser dem Farbstoffe Thonerdehydrat oder phosphorsaure Thonerde als Substrat oder Träger, auf welchen der Farbstoff selbst mit geeigneten Fällungsmitteln niedergeschlagen ist. In den Farbenfabriken werden nach folgenden Vorschriften die feurigsten Alizarinlacke erhalten. Man bringt je nach der Tiefe der gewünschten Nüance etwa 350 g Alizarinfarbstoff in den zur Herstellung des Lackes bestimmten Bottich, wobei man mit etwas Wasser nachspülen kann, setzt 12 1 einer Lösung von phosphorsaurem Natron, die 50 g krystallisches phosphorsaures Natron im Liter enthält, dazu und rührt gut durch. Dann setzt man 2000 ccm einer Sodalösung zu, die 100 g wasserfreie Soda im Liter enthält, und rührt abermals gut durch, wobei sich das Alizarin löst. Darauf fügt man 1000 ccm einer Lösung zu, welche 100 g 50prozentiges neutrales Natron-Türkischrothöl im Liter enthält, rührt dieses Gemisch, welches klar sein muss, gut durch und lässt unter fortgesetztem Rühren 25 1 Alaunlösung (50 g Ammoniakalaun im Liter) zufliessen. Da hierbei infolge der Kohlen säure-Entwicklung die Flüssigkeit schäumt, darf das Gefäss nicht zu klein sein, damit nichts überfliesst. Zuletzt setzt man unter Rühren 500 ccm Kalkmilch zu, die man bereitet, indem man 10 kg möglichst reinen, eisenfreien, gebrannten Kalk vorsichtig löscht, hierauf mit Wasser anrührt, die Kalkmilch zur Entfernung gröberer Partieen durch ein feines Sieb laufen lässt, die Brocken verreibt, mit Wasser nachspült und auf 300 1 einstellt. Vor der Verwendung muss die Kalkmilch stets gut aufgerührt werden. Wenn alle diese Zusätze gemacht sind, erhitzt man mittels Blei schlange unter Rühren langsam zum Kochen und kocht dann eine Stunde. Alsdann kann man den Lack auf ein Filter bringen, zur Entfernung der Salze auswaschen, abpressen und trocknen. Es sei noch erwähnt, dass man zu Alizarinlacken stets eisen freies, nicht zu kalkhaltiges Wasser verwenden muss; im letztem Falle kann man das Wasser durch Zusatz von etwas Essigsäure verbessern, die als essigsaurer Kalk sehr vortheilhaft auf die Fixirung des Alizarins einwirkt. Einen ebenso schönen und feurigen Alizarinlack erhält man auf folgende Weise. 1 1 der beschriebenen Alaunlösung thut man in das zur Herstellung des Lackes bestimmte Gefäss und bereitet in einem zweiten Behälter ein Gemisch aus 400 ccm Lösung von phosphorsauerm Natron, 109,6 ccm Sodalösung und 15 ccm der verdünnten Türkischrothlösung. Zum Färben verwendet man das Alizarin Nr. 1B von den Höchster Farbwerken. Man stellt sich die Lösung dieses Farbstoffes im Verhältniss 1: 10 her und giebt davon 10 ccm zu dem Gemisch von phosphorsauerm Natron und Soda und Türkischrothöl, worin es sich beim Rühren vollständig auflöst. Hierauf giesst man diese Lösung unter Rühren in die vorbereitete Alaunlösung. Wenn diese Mischung gut durch gerührt ist, fügt man 200 ccm Kalkmilch 1: 30 (200 ccm der oben beschriebenen Kalkmilch 1: 30 auf 1 1 Wasser verdünnt) gut aufgeschüttelt zu, erhitzt dann zum Kochen usw., wie bei der vorhergehenden Vorschrift. Ziemlich lichtechte Rosalacke kann man für Lithographiefarben aus Azarin herstellen. Zu diesem Zweck mischt man für die Lack bereitung in einem Bottich mit 2500 ccm Wasser, 1750 ccm phosphorsaures Natron 1 :20; 585 ccm Soda 1: 10; 500 ccm Türkischrothöl 1: 10; 100 ccm zinnsaures Natron 1:10. Auf diese Mischung werden alsdann gefällt 5000 ccm Alaunlösung 1: 20 und 700 ccm Azarin S 1:10, welche beide vorher zusammen gemischt werden. Nach erfolgter Fällung wird das Ganze 11/2 Stunde bis zum Kochen erhitzt. Auf diese Weise lassen sich durch Verwendung verschiedener Mengenverhältnisse Farbstoff verschiedene Nüancen erzielen. Feurige rothe Lacke, die jedoch sehr lichtunbeständig sind, werden aus den Eosinfarben erhalten. Diese Lacke werden gleich den Alizarjnfarben auf Thonerdehydrat gefällt und kommen unter dem Namen »Geraniumlack« in den Handel. Die Herstellungsweise der Geraniumlacke ist folgende. Der Eosinfarbstoff wird gewöhnlich, da er ein sehr ergiebiger Farbstoff ist, im Verhältnisse 5: 100 in kochendem Wasser gelöst. Das Thonerdehydrat bereitet man aus 400 Theilen Alaun 1 : 20 und 200 Theilen Soda 1:10. Den durch Zusammengiessen beider Lösungen entstandenen weissen Niederschlag wäscht man mit warmem Wasser so lange aus, bis er neutral ist. Dann lässt man den Niederschlag erkalten und macht die Trockenbestimmung auf den Gehalt an trockener neutraler Thonerde. Nachdem nun auch die Eosinlösung etwa auf 30 °C abgekühlt ist, bereitet man anderseits eine Lösung von salpetersaurem Bleioxyd. (Essigsaures Bleioxyd ist bei der Verwendung von Thonerdehydrat zum Niederschlagen der Eosinfarben zu vermeiden, da die Essigsäure die Thonerde auf lösen würde.) Folgende Mengenverhältnisse dienen als Anhalts punkte zur Herstellung der gebräuchlichsten Geraniumlacke. a) 100 Theile Thonerdehydrat in Teig mit 25 Theilen trockner Thonerde werden mit 5 g Eosin extra angefärbt und dann mit 10 g salpetersaurem Blei niedergeschlagen.