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40 Nr. 2. Buchgewerbe Buchdruck eee Buchbinderei e e ® 6 ® Steindruck ee Buchhandel Eingesandte Werke finden Besprechung. Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme. Berliner Typographische Gesellschaft. Die statutenmässige Generalversammlung findet am Mittwoch, 17. Januar, abends 9 Uhr, im Vereinslokal, Alte Jacobstrasse 123, statt. Tagesordnung: 1. Geschäftsbericht. — 2. Kassenbericht. — 3. Bericht der Revisoren. — 4. Wahl des Vorstandes. Von 8 Uhr ab liegen die neuesten Fachschriften im Vereinslokale aus. Um zahlreiches und pünktliches Erscheinen bittet der Vorstand,. Stiftungsfest. Am Sonntag, 28. Januar, feiert die Gesellschaft ihr der Ausstellung wegen hinausgeschobenes Stiftungsfest im obern Saale des neuen Clubhauses, Kommandantenstrasse 72, durch gemeinschaft liche Tafel, Vorträge mannigfacher Art und Ball. Couvert 2 M., ohne Weinzwang. Für ein abwechselungsreiches Programm wird der Fest-Ausschuss bestens Sorge tragen. Englische Druckereien in Europa. Mankato, Minn., 20. Dezember 1893. W. Lodia, ein amerikanischer Schriftsetzer, der es unter nommen hat, »mit Winkelhaken und Setzlinie durch Europa zu walzen«, schreibt von Monte-Carlo aus an das » Typographical Journal« in Indianapolis über seine Wanderschaft etwa wie folgt: Wer meinem Beispiel zu folgen gedenkt, halte sich an die in nach stehender Schilderung enthaltenen Winke, und mit ein wenig Kühnheit und Ausdauer wird ein Durchschnittssetzer englischer Zunge die Tour zu seinem Vergnügen wie zu seinem Vortheil durchführen und auf ein Lebens-Ereigniss zurückblicken können, dessen er, ohne den Ozean zu kreuzen, nicht theilhaftig zu werden vermöchte. Verlasse New York zu Ende April und reise über England nach Paris mit Berührung von Liverpool und London. Deine Verbandskarte ist hinreichender Ausweis und Empfehlung. Verweile nicht lange im englischen Kapitol, sondern erreiche Paris so bald wie möglich, wo es Dir wenig Schwierigkeiten machen wird, Deinen Winkelhaken zum ersten Male auf dem europäischen Kontinent zu füllen. Nach zwei oder drei Monaten wende Dich nach Brüssel und gehe direkt nach der Rue du Pepin 17, wo der »Belgian News and Continental Advertiser«, ein achtseitiges Wochenblatt mit kleiner Auflage, herausgegeben wird. Dies ist eins der besten in diesem Flämischen Ländchen erscheinenden Blätter. Oder versuche Dein Glück bei dem »Monthley Belgian Adver tiser«, Rue Loxum 2. Brüssel ist im August ein reizender Aufenthalt. Schweiz. Sei darauf gefasst, die Monate September und Oktober im Angesichte mit ewigem Schnee bedeckter Berge zu verbringen. Reise, der belgischen und französischen Grenze folgend, nach der Schweiz und wende Deine Schritte zunächst nach Luzern. Dort erscheint der »Anglo American«, wöchentlich 12 Seiten stark. Die Offizin ist Zürcher strasse 42 b. Der «Anglo-American« ist ein grosser Fetzen (huge rag), der mit allen Mitteln Anzeigen zu erhalten sucht, und solche von Heiraths-Agenturen und dergl. aufnimmt. Gleich vielen andern Blättern »zirkulirt« er in Frankreich, der Schweiz, Deutschland, Italien, Belgien und Amerika, allein die Gesammt - Auflage kann nicht hoch sein. Obwohl seine Besitzer anders denken mögen, steht fest, dass der «Anglo American« eine typographische Fehlgeburt ist. Willst Du möglichst viel von den unbeschreiblich schönen und romantischen Alpen sehen, so wende Dich nach dem Osten und suche das prächtige Engadin zu gewinnen. Wenn in Davos-Platz angelangt, sprich bei Buchdrucker Gustav Hartmann vor, der möglicherweise einen Setzer für seinen zehnseitigen »Davos Courier«, Absatz auf die Kurgäste beschränkt und daher klein, verlangt. Einmal in Davos-Platz, gehe weiter südwärts nach St. Moritz, wo die »St. Moritz Post, Davos and Maloja News« erscheint. Auflage ebenfalls sehr gering. Nun auf nach Genf im Westen, wahrscheinlich Deine letzte Etappe in der Schwester-Republik. In der Rue du vieux College 3 ist die Offizin von Jules Carey, der in den sechs Monaten der Saison die wöchentliche »Swiss and Nice Times« druckt. Das jetzt in seiner 18. Saison stehende Blatt geht sehr anfechtbar (bunglingly) aus der Presse hervor, und ein guter Setzer ist dringendes Bedürfniss. Wie viel die Löhne betragen, und was man für den Lebensunterhalt bezahlt, lässt sich nicht so bündig in Zahlen ausdrücken, wie dies in Amerika möglich ist. Jeder muss für sich selbst sehen. Zu hungern braucht Keiner, aber er darf nicht daran denken, bei der geringen Ver breitung der Blätter »Geld zu machen«. Bedenke stets, dass Du zum Vergnügen und zu Deiner Ausbildung reisest. Halte stets einen Reserve fonds von 50 Dollars, den Du nur in Fällen dringendster Noth angreifst. Sorge ferner dafür, dass Du im Nothfall bis zu einem ebensolchen Betrage Geld von Hause nachschicken lassen kannst, dann darfst Du mit gutem Gewissen Deine Tour sogar auf zwei Jahre ausdehnen. Deutschland, In München angekommen, frage Dich nach Grünstadt zurecht. (Grünstadt liegt etwas weit ab von München, nämlich in der Pfalz. D. Red.) Dort erscheint eins der neun englischen Blätter, welche in Deutschland herauskommen sollen: »The Interpreter, English Journal for Germans«, monatlich gedruckt und herausgegeben von Emil Sommer Ein Drittel des Raumes wird von Erläuterungen der deutschen Sprache in Anspruch genommen. Lasse Dich indess nicht verleiten, hiervon Gebrauch zu machen (?), überhaupt habe keinen Ge danken daran, diese fürchterliche deutsche Sprache zu lernen; es würde Dir später nicht den Schatten von Vortheil gewähren. Der »Interpreter« ist sehr gut ausgestattet, und dessen Satz erfordert die grösste Sorgfalt. Es wird dafür der doppelte Preis des Ortstarifs bezahlt. Nun nach Mainz, dem Mekka der Buchdrucker. Besuche Gutenberg’s Haus und das ihm errichtete kostbare Denkmal am Marktplatz. Ein eigenartiges englisch-französisch-deutsches Wochenblatt, der »Inter national Criminal-Police-Monitor«, erscheint hier, enthaltend Steckbriefe und Bildnisse von Verbrechern. Dieses Blatt benöthigt einen Setzer so schleunig wie möglich. Der Herausgeber wird mit beiden Händen zugreifen, sobald sich ein Setzer blicken lässt, der gutes Englisch versteht. Leipzig — die grosse Bücherstadt — ist die nächste Etappe. Un glaubliche Mengen von fremdsprachigen Büchern werden hier gedruckt. Unglücklicherweise, denn sie werden den Druckern anderer Länder entzogen, weil in Deutschland billiger (?) als irgendwo gedruckt wird. Nächste Station: Berlin. Bedenke, dass Dir nur noch Juni und Juli verbleiben, um die ziemlich zahlreichen Chancen in der Kaiserstadt mitzunehmen. Zwei Wochen- und zwei Monatsblätter werden dort gedruckt, wovon drei dem Export gewidmet sind. Sei vorsichtig! In Nr. 48, Neue Friedrichstrasse, wird bei A. Seydel das »English and American Register« gedruckt. Der Redakteur schreibt: »Englisch sprechende Setzer sind in Berlin nicht zu haben. Unsere Offizin hat wiederholt solche zu engagiren gesucht, aber stets ohne Erfolg. Infolge dessen muss ich mit deutschen Setzern durchzukommen suchen, welche das Manuskript Buchstabe für Buchstabe ablesen, ohne zu wissen, was sie setzen.« — Carl Ringer & Sohn, Alexandrinenstrasse 27, drucken Kuhlow's German Trade Review and Exporter«, ein Wochenblatt, und in der Offizin von G. W. Büxenstein wird monatlich der »Universal Market« gedruckt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass in den vor stehend erwähnten Offizinen keine Beschäftigung erhältlich sein sollte, bleibt als letzter Ausweg in Berlin die »Monthly Union«, Beuthstr. 5. Von Berlin gehe nach Hannover. Dort ist wenig zu sehen (?), aber der wöchentliche »Anglo-American«, gedruckt bei Arnold Weichelt, Langestrasse 8, muss gesetzt werden. Deine Aussichten sind dort so gut wie möglich, da auch hier ein englischer Setzer sichtlich nöthig ist. Letzte Station: Hamburg. Das bei Pontt & von Döhren gedruckte Monatsblatt »The Exporter« bedarf dringend eines kompetenten eng lischen Setzers. So weit der fahrende Amerikaner. Um Missdeutungen vor zubeugen, will ich bemerken, dass zunächst der unlängst in der Papier-Zeitung erschienene und auch in Amerika mit grossem Interesse gelesene Artikel »Weltsprache« aus der Feder des Herrn Carl Hofmann mich bestimmte, eine Uebersetzung des Lodia’schen Reisebriefes als Beitrag zu dieser wichtigen Frage zu liefern, die das Buchgewerbe nicht weniger nahe berührt, wie Handel und Technik. Bei dem grossen Nachahmungstriebe Jung-Amerika’s und seinem Hang zu abenteuerlichen Expeditionen ist nicht daran zu zweifeln, dass der »typographische Forschungsreisende« Lodia Nachfolger in Menge haben wird. Ausserdem werden die Setz maschinen wohl auch auf deutschem Boden mit steigender Schnellig keit Boden gewinnen. Da nun aber jede Setzmaschine drei bis vier Setzer entbehrlich machen wird, so liegt es auf der Hand, dass Hunderte von Setzern sich als Spezialisten, sei es im Accidenz- oder Sprachfach, auszubilden, und zwar gründlich auszubilden haben werden, wenn sie in ihrem Berufe fortkommen wollen. Jedem strebsamen jüngern Setzer, der sich im Englischen tüchtig macht, darf man unter obwaltenden Verhältnissen sicher zurufen: »Du hast weise gehandelt! G. Kraft.