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Fabrikation in Indien näher einzugehen, würde zu weit fuhren. Jeder hat schon von den vielen Baumwoll-Spinnereien und -Webereien Bombays und Cawnpores, von den grossartigen Jute Mills Calcuttas gehört! An die Fabrikation von Papier wagte sich anfangs nur eine einzige Gesellschaft, die Bally Paper Mills. Ich habe meine Notizen nicht zur Hand, aber die Fabrik wird anfangs der sechziger Jahre errichtet worden sein. Bally ist eine kleine Eisenbahnstation, etwa 20 englische Meilen nördlich von Calcutta. Die Papierfabrik hat die denkbar günstigste Lage: auf einer Seite den Ganges- Strom, auf der andern Eisenbahn, sowie einen von Norden kommenden mehrere hundert Meilen langen, schiffbaren Kanal; in der Nähe die grosse Hafenstadt Calcutta mit etwa 800000 Einwohnern, auf dem gegenüberliegenden linken Ufer die Jute-Fabriken, und nur etwa 120 englische Meilen entfernt die grossen Steinkohlen- Gruben von Bengalen. Wasserkraft freilich hat Bally so wenig wie die übrigen heute noch arbeitenden Papierfabriken Indiens. Es ist, nebenbei bemerkt, ein sonderbarer Zufall, dass gerade die beiden Fabriken, welche mit Wasser betrieben wurden, ihr Dasein nur wenige Jahre fristen konnten. Trotz dieser ungemein günstigen Lage und der sehr hohen Preise, welche Bally für ihr Papier löste, hatte die Gesellschaft Jahre hindurch wenig Erfolg. Wer weiss, wie vielerlei Kenntnisse selbst in Europa dazu gehören, bis in einer neu errichteten Papierfabrik alles klappt, wird leicht begreifen, weshalb das erste Unternehmen dieser Art in Indien erst im Laufe der Jahre ins richtige Geleise kam. Uebrigens sind die Aktionäre für ihre Ausdauer belohnt worden, denn sie haben | längst ihr Kapital durch Dividenden zurückerhalten und können ihre Aktien jeden Augenblick mit 40 pCt. Prämie verkaufen. Der schliessliche Erfolg Bally’s gab den Anstoss zu weiteren ähnlichen Unternehmungen, und wie es heute mit der Maschinen* papier-Erzeugung Bengalens und Nord-Indiens steht, zeigt folgende Liste, welche ich dem Capital vom 6. Dezember 1893 entnehme. Die Rupees habe ich zum ungefähren Tageskurs von 1 M. 30 Pf. umgerechnet und die Zahlen abgerundet. Die Imperial Paper Mills, am linken Ufer des Ganges, unweit Titaghur, hat erst vor einigen Monaten zu arbeiten begonnen. Die Gesellschaft soll Maschinen neuester Art haben und scheint namentlich Massen-Erzeugung pflegen zu wollen. Äusser diesen fünf Papierfabriken giebt es in Mittel- und Nord-Indien nur noch die Scindia Paper Mills in Gwalior. Sie hat jedoch mit Ende des letzten Jahres ihren Betrieb eingestellt. In Gwalior herrscht noch ein eingeborener Fürst, der Maharaja Scindia (»Maha«, ein Sanskrit-Wort, bedeutet »gross«.), der, wie sämmtliche indische Fürsten, unter englischem Schutz steht. Die Scindia sind ein Geschlecht des Maharätta-Volkstammes und kamen gegen Ende des letzten Jahrhunderts aus dem Dekkan. »Dekkan« (besser Dakkan) bedeutet »Süden«, man bezeichnet aber damit auch schlechtweg das Hochland südlich von Bombay (Poona usw.). Gwalior ist ausgedehnt, aber wie die meisten von eingeborenen Fürsten regierten Staaten dünn bevölkert im Vergleich zu den unter britischer Herrschaft sTehenden Ländern Indiens. Die Einwohnerzahl wird zwischen drei und vier Millionen betragen. Da in den guten alten Zeiten das Regieren der indischen Fürsten hauptsächlich darin bestand, aus den Unterthanen möglichst viel Geld herauszuholen und in die eigene Tasche zu stecken, so haben es die 3 oder 4 Generationen von Scindias zu einem Riesen vermögen gebracht. Als der Vater des jetzigen Maharaja’s vor etwa 8 Jahren starb und die Engländer für den minderjährigen Nachfolger eine Regentschaft einsetzten, wurde baares Gold und Silber im Werth von 4 oder 5 Millionen Lstr. (80—100 Millionen Mark) in Gewölben aufgespeichert gefunden. Ich weiss nicht, ob es nicht mehr gewesen ist, denn ich war nicht dabei, als man das Geld zählte. Natürlich konnten die praktischen Engländer es mit ihrem Gewissen nicht vereinigen, all das schöne Geld brach liegen zu lassen und liessen sich daher durch Beschluss der Regent schaft drei Millionen gegen 4 prozentige Schuldscheine übergeben. Diese Zinsen, sowie diejenigen der 800000 Lstr., welche der frühere Maharaja bewogen wurde, in die sogenannte » Scindia Staats-Eisen bahn «(Theilstrecke Gwalior-Agra der jetzigen Indian-Midland-Eisen- Name Wohnort Ein gezahltes Kapital Obli gationen Reserve Auf die Aktie ein gezahlt Tages- Kurs der Aktie Jahres-Dividende 1886 1887 1888 18891890 1891 1892 1893 Mark Mark Mark Mark Mark pCt. pCt. pCt. pCt. pCt. pCt. pCt. pCt. Bally Paper Mills Bally (bei Calcutta) 2 450 000 — 60 000 200 284 10 12 12 12 16 15 9 10 (Juli—Juli) (Halbjahr) Titaghur Paper Mills Titaghur (bei Calcutta) 1 300 000 260 000 800 000 130 237 8 10 10 10 13 16 16 8 Bengal Paper Mills Ranigunj 1 040 000 455 000 — 130 140 — — — — — 0 2% 0 (Halbjahr) Imperial Paper Mills (Bengalen) bei Calcutta 1 170 000 780 000 — 98 98 — — — — — — — (im Sommer 1893 erst fertig ge- worden) Upper India Couper Mills Lucknow 955 000 — 110 000 130 130 6 6 7 7 8 91/, 10 5 (Halbjahr) Die zweitälteste der aufgeführten Papierfabriken ist die Upper India Couper Mills in Lucknow. Sie entstand anfangs der siebziger Jahre und ist deshalb von besonderem Interesse, weil sie aus schliesslich mit indischem Kapital errichtet wurde, und der Ver- waltungsrath ganz aus Indiern besteht. Wie aus der Tabelle ersichtlich, zahlt diese Gesellschaft jetzt schöne Dividenden, hatte aber während der ersten zehn Jahre mit viel Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Fabrik wurde ursprünglich mit den verfehlten Maschinen einer verkrachten kleinen Papierfabrik in Ahmedabad (in der Präsidentschaft Bombay) ausgerüstet, doch gelang es dem Direktor, einem Engländer, die Gesellschaft zur allmäligen Be schaffung von Einrichtungen, welche den Anforderungen der Jetztzeit entsprechen, zu bewegen. Im Jahre 1882 wurde Titaghur Paper Mills errichtet. Sie liegt am linken Ufer des Ganges, Bally gegenüber. Bis jetzt ist Titaghur die einzige indische Papierfabrik, welche von Anfang an glatt arbeitete und Dividenden bezahlte, und der Gründer, Herr H. Reinhold in Calcutta, hat dem deutschen Namen Ehre gemacht. Die Gesellschaft steht heute geradezu glänzend da mit ihrem über 50 pCt. des Betriebskapitals betragenden Reservefonds. In einem besonderen Gebäude werden die Stempelpapiere für die britisch-indische Regierung gemacht, welch letztere mit der Ge sellschaft hierfür ein langjähriges Abkommen getroffen hat. Die Bengal Paper Mills folgte im Jahre 1891. Die Fabrik liegt etwa 120 englische Meilen nördlich von Calcutta, bei den Kohlenfeldern Bengalens. Sie hatte anfangs Schwierigkeiten mit dem Wasser, doch sollen diese nun beseitigt sein und voll ge arbeitet werden. Da die Fabrik gut eingerichtet ist und sehr günstig Hegt, wird, wie auch der verhältnissmässig hohe Kurs der Aktien zeigt, an ihrem Erfolg nicht gezweifelt. bahn) zu stecken, werden jetzt zu öffentlichen Bauten usw. verwendet, zum grossen Segen des Landes. Das muss man den Engländern lassen: sie verstehen es, in Indien meisterhaft ihre eigenen politischen Interessen mit dem Wohl des Landes zu verknüpfen. Die Scindia- Familie und andere Rajas mögen das freilich mit etwas andern Augen ansehen, nicht aber das Volk, das von seinen eigenen Fürsten, mit Ausnahmen natürlich, nicht sonderlich erbaut ist. Doch ich wollte von der Scindia Paper Mill erzählen. Der verstorbene Maharaja war, wie alle Scindia’s, sehr klug und interessirte sich für alles. Da der Staat jährlich für 130—150 000 M. Papier verbraucht, kam er auf den Gedanken sein eigenes Papier zu machen und liess eine kleine Fabrik bauen. Aber alles ging verkehrt: Maschinen, Gebäulichkeiten, Lage — alles liess zu wünschen übrig, und der Maharaja wurde der Sache gründlich überdrüssig. Schliesslich ging die Fabrik in den Besitz einer schottischen Gesellschaft über. Aber trotz grosser Anstrengungen konnte auch sie nichts Vernünftiges damit anfangen, denn die ungünstige Lage, von anderen Schwierigkeiten nicht zu reden, fiel zu schwer ins Gewicht. Wie schon erwähnt, hat die Fabrik die Arbeit jetzt eingestellt. Jede der erwähnten Fabriken fühlt den Einfluss der andern mehr oder weniger, — zum Mindesten insoweit, als jede den Verkaufspreis der andern beeinflussen kann. Die Papiere sämmt- lieber Gesellschaften sind nicht nur in den Hauptmärkten Nord indiens zu finden, sondern die indische Regierung, soweit sie direkt unter dem Vizekönig steht (das sogenannte Government of India), vertheilt auch ihre jährlichen Einkäufe so unparteiisch wie möglich unter alle genannten Fabriken. Ich werde daher in Zukunft von dieser Gruppe, soweit als thunlich, wie von einem abgeschlossenen Ganzen sprechen, im Gegensatz zu den paar noch