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Nr. 7. PAPIER-ZEITUNG. 199 Bemerkung: »Es ist doch gut, dass es für Alles zwei Wege giebt, einen richtigen und einen verkehrten, denn wenn es keinen ver kehrten Weg gäbe, brächten meine Leute nichts zu Stande, so aber geht’s ganz gut.« Was die Kenntnisse der Indier speziell im Papierfach betrifft, so kennen sie nicht nur die Wirkung von Soda und Kalk auf die Pflanzenfaser sehr wohl, sondern haben sogar vor Zeiten in Oudh, nahe der Grenze von Nepal, eine dem Esparto in der Faser eben bürtige Pflanze gelegentlich in Gruben mit Kalk macerirt und Papier-Stoff daraus gewonnen. Jetzt freilich steht es mit der einheimischen Papiermacherei anders, als noch vor einem Dutzend Jahren, denn die Maschinen papier-Fabrikation in Indien hat inzwischen gewaltige Fortschritte gemacht, von den europäischen Einfuhren nicht zu reden. Die Indier haben aber mit ihrem kaufmännischen Scharfblick die sie bedrohende Konkurrenz theilweise zu ihrem Vortheil zu benutzen gewusst. Statt nämlich fortzufahren auf ihre eigene, schwer fällige, kostspielige Art Papier-Stoff zu machen, kaufen jetzt die grössern indischen Handpapiermacher kräftiges, ungeleimtes Maschinen-Papier und besorgen nur das Bekleistern und Glätten selber. Das fertige Papier wird gleichwohl als echtes Hand papier verkauft, und der niedrige Herstellungspreis erlaubt es den Leuten, es billiger als früher zu geben, so dass sie noch immer ein ziemlich grosses Absatzfeld, namentlich in den Staaten der einheimischen Fürsten, behaupten. Die besten Handpapiermacher sind auch gescheidt genug, den Fabriken gute Preise zu bezahlen, dafür aber besonders kräftiges Papier zu verlangen. Manche konnten auf diese Art ihr Geschäft bedeutend vergrössern und verdienen mehr als in der guten alten Zeit. Der grösste Papier macher in Muttra z. B. bezieht jetzt jährlich für etwa 25000 M. ungeleimtes Papier von einer der Papierfabriken. Man braucht übrigens viel Erfahrung, bis man es den Handpapier-Machern recht . machen kann, und soviel ich weiss, verstehen es nur zwei Fabriken, die Muttra-Leute zu befriedigen. So wird z. B. ziemlich schlecht gebleichter Stoff nicht beanstandet, wenn alle andern Anforderungen erfüllt sind, aber das Papier ist fast unverkäuflich, wenn es den geringsten Schimmer von Roth zeigt. Von der besten Zusammen setzung will ich nicht sprechen, um Privatinteressen nicht zu nahe zu treten. In Surat nehmen es die Eingebornen nicht mehr so genau, wenigstens waren die »Surat«-Papiere, die ich letztes Jahr zu sehen bekam, aus ganz gewöhnlichem europäischem Druckpapier gemacht. Und als «Sialkote«-Papier fand ich im Bombay-Markt sogar fix und fertiges europäisches Maschinenpapier, allerdings von einer Güte, gegen die sich nichts sagen lässt. Da die Käufer, so konservativ sie auch sein mögen, im Grunde ebenfalls nicht dumm sind und nicht für alle Zeiten fortfahren werden, bloss dem Namen zulieb doppelte Preise zu bezahlen, wird wohl in nicht zu ferner Zeit die einheimische Papierfabrikation nur noch historisches Interesse haben. Ganz unten im Süden und in Ceylon kennt man Handpapier überhaupt nicht, denn die unverwüstlichen pergamentartigen Palmblätter eignen sich ausgezeichnet zum Schreiben. Die Blätterstreifen werden in der linken Hand gehalten. Der zu gespitzte eiserne Griffel liegt zwischen dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand und wird gegen den Nagel des darunter gelegten Daumens gedrückt. Wer die zierlichen rundlichen Schriften in Malayalim, Canarese, Telugu, Singhalesisch ge sehen hat, kann kaum glauben, dass dieselben mit einer Schnelligkeit eingeritzt werden, die wir mit unserer eigenen Schrift nicht übertreffen. Der gewöhnliche Mann — und auf der Malabarküste kann fast Jedermann schreiben — lässt die Schrift wie sie ist. Will man sie aber deutlicher haben, so wird das beschriebene Blatt einfach mit einer Schmiere aus Kohle und Del überfahren und abgewischt. Die schwarze, unserer Drucker schwärze ähnliche Salbe bleibt nur in den die Schrift bildenden eingeritzten Vertiefungen liegen, und lässt sie sehr deutlich hervortreten. Wie ich höre, sollen jetzt die Regierungen der Rajas von Travancore und Cochin zu amtlichen Zwecken wirkliches Papier gebrauchen, aber als ich dort war — es sind jetzt 14 Jahre her — wurden wichtige Dokumente noch immer auf Palmblätter geschrieben. Pahäri. Die National Envelope Company in Milwaukee hat mit Fabrikation von Briefumschlägen begonnen; es sollen binnen kurzem bis zu 2 Millionen Stück täglich gemacht werden können. Fälschung von Wolltuch durch Papierfäden. Die Herstellung von Bindfaden aus Papier ist schon lange bekannt, und auch Teppiche aus Papierfaden sind seit einigen Jahren auf den Markt gekommen. Jetzt will man in Amerika sogar Papiergarne mit solchen aus Wolle, Baumwolle und Seide verweben und glaubt auf diese Weise sehr billige Tuche her stellen zu können. Die in dieser Richtung angestellten Versuche werden schwerlich bald zu greifbaren Erfolgen führen, sind aber trotzdem von Interesse. Wir entnehmen das Folgende dem »Paper Record«. Nur kräftiger Stoff, wie man ihn für Manilla-Papiere ver wendet, eignet sich dazu; Holzschliff darf nicht zugesetzt werden. Das Papier muss sehr sorgfältig gemacht werden und die Papier bahn auf beiden Seiten der Maschine gleiches Gewicht zeigen. Auf einem Schmalschneider von der in der 27. Lieferung von Hofmann’s Handbuch beschriebenen Art wird das Papier in schmale Streifen getheilt. Nachdem die Streifen aufgerollt sind, werden die Röllchen mit Wasser durchtränkt und nach Abtropfen auf einem Spinnstuhl genau wie Baumwolle oder Wolle ge zwirnt. Nach dem Trocknen sind die Papierfäden für den Web stuhl fertig. Da sich Papier nur in nassem Zustand zu Garn verarbeiten lässt und nachher nicht wie andere Garne von Schmutz befreit werden kann, stellen sich dessen Verarbeitung bedeutende Schwierigkeiten entgegen. Vor allem darf kein Fettstoff mit dem Papier in Berührung kommen, weil die fetten Stellen das Wasser abstossen würden. Ferner wird man die eisernen Rollen der üblichen Zwirn-Einrichtungen durch solche von Hartgummi oder Porzellan ersetzen müssen, da sonst Rostflecken auf dem Garn nicht zu vermeiden wären. Bei der Teppichfabrikation aus Papier machte man die Erfahrung, dass die Spulen von starkgefärbten Papiergarnen etwas Farbe annehmen und für hellere Garne un brauchbar werden. Um den Papierfaden das Aussehen von Woll garnen zu geben, werden sie mit einer klebrigen Masse bestrichen und durch feinfaserigen Abfall der Woll-Spinnereien, dem man ein wenig gute Wolle beimischt, gezogen. — Wir geben in Fig. 1 das Bild der hierzu benützten Maschine nach dem Paper Record wieder. Von Rolle I werden ä-d die Papierfäden ab und am K59, entgegengesetzten Ende auf U " Welle H aufgerollt, welche —g durch Riemen K getrieben (RR wird. Sobald sich H in Be- (°3) wegung setzt, werden die 35 Papierfäden durch die Ma- schine gezogen. Sie gehen Fig. 1. erst, wie aus der Zeich ¬ nung ersichtlich, durch den mit einem Gemisch von Borax, Leim, Buchdruckwalzenmasse und Stärke gefüllten Kasten C. Dann werden sie zwischen den beiden aufeinanderliegenden Walzen D abgepresst und gelangen unter den ersten Hohleylinder B und in den Kasten M. Dieser ist mit dem erwähnten Woll-Abfall gefüllt. F zeigt den weitern Lauf der Papierfäden. B ist ein zweiter Hohleylinder, der wie der erste mit Dampf geheizt werden kann. G ist eine mit Drahtspitzen bekleidete Walze, welche die Ober fläche der darüber streichenden Fäden aufkratzt und ihnen ganz das Aussehen wirklicher Wollfäden giebt. E ist eine Leitwalze, A das Gestell der Maschine. — Fig. 2 zeigt, wie die Papierfäden nach dem Bekleben mit Woll- Abfall unter dem Mikroskop aussehen. Diese nachgeahmten Woll- Fig. 2. garne aus Papier müssen übrigens ziemlich schlecht sein, denn man beabsichtigt sie nur als Zwischenlage zu benützen, also bei Geweben aus drei Fäden für den untern und obern Faden wirkliche Wolle zu nehmen, und mit diesen den papiernen Innenfaden zu verdecken. Das Papier soll also hier zur Erzeugung minderwerthiger, auf Täuschung berechneter Waare dienen! Lieferung bei rückständiger Zahlung. Droht der Verkäufer dem mit der Zahlung des Kaufpreises im Verzüge befindlichen Käufer mit Einstellung der Lieferung und Schaden-Ersatzforderung, so ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Zivilsenats, vom 25. Oktober 1893, unter der angedrohten Einstellung nicht ein Abgehen vom Vertrage, sondern nur eine zeitweilige Sistirung der Lieferung bis zur Zahlung des fälligen Preises zu verstehen; Verkäufer kann demnach Erfüllung des Vertrages verlangen.