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172 PAPIER-ZEITUNG. Nr. 6. Bibliothekzeichen. Schluss zu Nr. 5. Ein merkwürdiges historisches Bibliothekzeichen des 18. Jahr hunderts ist das von Glasbach gestochene des Joh. Georg Heinrich Oelrichs. Es ist in zwei Theile geschieden; im obern ist die Belagerung von Küstrin durch die Russen 1758 und das Nieder fallen einer Bombe in der Bibliothek des genannten Gelehrten "‘jo"rc Scfp 'J* 1 de /. ft P. ife ^ota'6071 Bußet Prenttf-r Gentifficmme cff Zz ChamreensurvvancedeM/’ Corri Cofonef Lur teriant CcmmaridaTif ff Jfe</r/nent - l \n’a/erif, Efu GeneralJ&fjEtata de ßouryoyne-annee 1^38 Fig. 10. dargestellt, der damals Rektor der Raths- und Friedrichsschule zu Küstrin war, nach der Belagerung aber noch im selben Jahre zum Prorektor am Friedrichswerderschen Gymnasium zu Berlin ernannt wurde. Im untern Theile ist nun die unversehrte neue Bibliothek dargestellt, die sich Oelrichs in Berlin wieder angelegt hatte. Es ist nicht uninteressant, dass gerade die Kriege zu historischen Bibliothekzeichen Veranlassung gaben. Fig- 11. Ein Stück Weltgeschichte blickt uns auch aus zwei Bibliothek zeichen eines Franzosen entgegen. Sein älteres, noch zur Zeit des französischen Königthums entstandenes (Fig. 10), zeigt einen von zwei auf Wolken schwebenden Engeln getragenen Wappen schild mit der Unterschrift: »Bibliotheque de M. le Vte. de Bourbon Busset, Premier Gentilhomme de la Chambre, en survivance de Mgr. Com. d’Artois Colonel Lie(u)tenant Commandant le Rgiment d’Artois ca Valerie, Elü Gnral des Etats de Bourgogne anne 1788«. Nach der Absetzung des Königsthums und der Hinrichtung des Königspaars hielt es der französische Edelmann für ge- rathen, sich ein einfacheres Zeichen beizulegen. Er liess sich ein neues (Fig. 11) machen, das in einem rechteckigen, von einem Eichenkranze umwundenen Rahmen die Inschrift enthält: »Bibliotheque de Louis Antoine Paul Bourbon Busset Citoyen Franais. 1793.« Dieses neue Zeichen hat der Citoyen einfach über das alte geklebt. Ob er das Kaiserreich erlebt und sich für dieses vielleicht ein drittes Bibliothekzeichen bestellt hat, entzieht sich meiner Kenntniss. Nach der Herrschaft des Rokoko wurden in der Zopfzeit und in der Zeit der Gefühlsduselei Freundschafts- und Opferaltäre, Urnen, Vasen, geborstene Säulen und Obelisken vielfach auf Bibliothekzeichen angebracht, wie sie auf Wunsch- und Besuchs karten jener Zeit sich ebenfalls finden. Grössere Künstler, wie Chodowiecki, der fünf Bücherzeichen radirt hat, arbeiteten natürlich auch hier nicht nach der Schablone, sondern lieferten das Gewöhnliche überragende eigenartige Blättchen. Doch ist die Zahl der bessern Künstler, die Bibliothekzeichen herstellten, nicht sehr gross. Eine Spielerei, die sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts bei den Bibliothekzeichen bemerkbar machte, bestand darin, dass manche derselben aus einem Haufen kreuz und quer durcheinander liegender Antiquabuchstaben, einer Art Buchstabenräthsel, bestanden, die, in die richtige Reihenfolge gebracht, den Namen des Bibliothekbesitzers ergaben. V. In unserm Jahrhundert zehrte man zur Napoleonischen Zeit auf dem Gebiete der Bibliothekzeichen noch von den Leistungen des Schlusses des vorhergehenden Säculums. Aber bald wurden auch diese geringen Reste einer grossen Blüthezeit nicht mehr beachtet, und man wurde so bescheiden, sich mit Zeichen zu begnügen, die jedes Schmuckes entbehrten und nur in nüchternster Schrift, ähnlich wie sie das Goethe’sche zeigt, den Namen des Besitzers und vielleicht noch die Bibliotheknummer enthielten. Hieran änderte der Umstand, dass nunmehr auch die Lithographie zur Anfertigung von Bibliothekzeichen herangezogen wurde, nicht das Mindeste. Zu Beginn der 2. Hälfte unsers Jahrhunderts machten sich Anfänge einer Wendung zum Bessern bemerkbar, die, verwandt mit ähnlichen Erscheinungen auf andern Gebieten, so z. B. dem Wiederaufleben des Kunstgewerbes, durch diese im Laufe der Jahrzehnte gekräftigt und weiter entwickelt wurden. Die Freunde schöner, stilgerechter und zweckentsprechender Bücherzeichen mehrten sich, tüchtige Künstler, die namentlich Hervorragendes auf heraldischem und ornamentalem Gebiete leisteten, fertigten mit Liebe und Eifer Blättchen, für welche die prächtigen Leistungen der Meister des 16. Jahrhunderts als Vor bilder dienten. Als zu Ende der achtziger Jahre Geheimrath Fr. Warnecke in Berlin, der verdienstvolle Begründer des zu so grosser Blüthe gekommenen heraldisch-genealogischen Vereins »Herold«, in diesem einen Vortrag über Exlibris hielt, war das Interesse für dieselben bereits so rege, dass er sich veran lasst sah, diesen Vortrag weiter auszuarbeiten und, selbst Besitzer einer grossen Sammlung von Bibliothekzeichen, durch ein Verzeichniss der ihm bekannten deutschen Zeichen zu ergänzen. Dies Werk erschien als stattlicher Band 1890 im Verlage von F. A. Stargardt in Berlin und enthält unter Anderm die Beschreibung von nicht weniger als 2566 Bibliothekzeichen und die Abbildungen von etwa 90 derselben. Diese erste um fassende deutsche Arbeit über diesen Gegenstand brachte recht zum Bewusstsein, welche Bedeutung die Bibliothekzeichen nicht nur für die Geschichte des Bibliothekwesens, sondern auch für die Gelehrten-, Kultur- und Kunstgeschichte haben, und in wie viel- fältigen Beziehungen sie zu andern historischen Disziplinen stehen. In England hat kein Geringerer als Mr. Franks, der Direktor des Britischen Museums, ein Verzeichniss über englische Bücher zeichen herausgegeben. Von den Künstlern der Neuzeit, die sich um die Belebung dieser schönen, alten Sitte verdient gemacht und die Gegenwart durch anziehende Blättchen bereichert haben, nennt Warnecke in seinem Werke die Professoren Ad. M. Hildebrandt und E. Doepier d. J. zu Berlin, sowie Maler Otto Hupp in Schleissheim, Ernst Kahl und Milan Sauko in Wien, die Professoren Ludwig Richter und Bürkner in Dresden, Professor Ludwig Burger und Kupfer stecher Carl Bernh. Becker in Berlin, Maler Christian Bühler in Bern, denen aus allerneuester Zeit noch anzureihen sind: 0. Schwindrazheim in Hamburg, G. Otto in Berlin, Clemens Kissel in Mainz, Peter Halm in München, W. Schulte vom Brühl in