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Werthbestimmung des Leimes. In der »Bad. Gewerbe-Zeitung« veröffentlicht Dr. Pf. folgen den Aufsatz: Bekanntlich wird Leim gewonnen durch Kochen verschieden artiger Theile des thierischen Körpers mit Wasser, wodurch diese Stoffe ihre Natur verändern, indem sie auflösbar werden. Zu den leimgebenden Substanzen zählen Haut, Sehnen, Knorpeln, orga nische Theile der Knochen und Hörner, Schwimmblasen von Fischen und viele andere animalische Gebilde. Von der Art der letzteren sind nun die Eigenschaften der daraus zu gewinnenden Leimsorten abhängig. Einen hauptsächlichen Unterschied zeigt der aus noch weichen Knochen junger Thiere, sowie aus Gelenk knorpeln (permanente Knorpeln) der ältern Thiere bereitete Knorpelleim (Chondrin) gegenüber dem aus den andern Geweben, Haut, Knochen usw. zu erhaltenden Leim, den man kurzweg Knochenleim (Glutin) nennt. Nur der Knochenleim besitzt die hohe Klebkraft, welche ihm seine ausgedehnte Verwendung als Bindemittel und dementsprechenden Handelswerth sichert, während durch die Gegenwart des viel weniger klebenden Chondrins die Brauchbarkeit des Leimes mit zunehmendem Gehalt an diesem Stoffe verringert wird. Bei der Fabrikation des Leimes hat man eher darauf Bedacht zu nehmen, dass aus dem Leimgut vor dem Versieden alle diejenigen Bestandtheile so gut wie möglich her ausgelesen werden, von welchen man weiss, dass sie die binden den Eigenschaften des Leimes beeinträchtigen würden. Je nach dem Grade der Sorgfalt, mit welchem die Sortirung bewerkstelligt worden ist, erhält man Leime von verschiedenem Werth inner halb weiter Grenzen. Zur Beurtheilung der Bindekraft, auf welche es bei der Werthschätzung des Leimes allein ankommt, sind schon ver schiedene Wege vorgeschlagen worden. Von der chemischen Bestimmung des Glutingehalts abgesehen — deren Zuverlässigkeit übrigens in Frage zu stellen ist —, sei hier zunächst des von Schreinern vielfach eingeschlagenen Verfahrens gedacht, den Leim auf seine Wasseraufnahmefähigkeit zu prüfen, indem man diese Eigenschaft in unmittelbarer Beziehung zur Bindekraft stehend annimmt; der Leim soll um so besser sein, je mehr Wasser er aufzusaugen imstande ist. (Ein Verfahren zur Ausführung dieses Versuchs wurde in Nr. 81, Jahrg. 1893 der Pap.-Ztg. beschrieben. D. Red.) Es giebt Leimsorten, die bis 16 Theile ihres Gewichts an Wasser aufnehmen; andere Sorten nur 3—4 Theile. Die Annahme, in der Quellbarkeit des Leimes einen Maassstab für seine Be- werthung zu besitzen, hat sich bei dem Vergleich mit der unmittel baren Bestimmung der Bindekraft indessen nicht bewahrheitet. Ferner suchte man auf die Güte des Leimes zu schliessen nach dem Grade der Festigkeit oder Steifheit, welche die mit Wasser aufgelöste und wieder zu Gallerte erstarrte Probe annimmt. Nach dem von Lippowitz vorgeschlagenen Verfahren wird ein Theil Leim im Wasser aufgequellt, sodann geschmolzen und das Gewicht der Lösung mit Wasser auf 10 Theile ergänzt; man lässt jetzt die Leimlösung in einem cylindrischen Glasgefässe während 12 Stunden gelatiniren. Ein Metallstift mit abgerundetem Ende dient dazu, die Leimgallerte auf ihre relative Festigkeit zu prüfen; man stellt denselben, durch eine Führung gehalten, senkrecht auf die Gallerte und belastet seinen obern Theil, auf welchem zu diesem Zweck etwa ein Trichter aufgesetzt ist, mit Gewichten, bis der Stab zu bestimmter Tiefe in den Leim eingedrungen ist. Die hierzu erforderlichen Gewichte stellen die unmittelbaren Verhältnisszahlen dar für die Festigkeit der Leimgallerte. Wie die Versuche gezeigt haben, stehen diese Verhältnisse in vielen Fällen in Uebereinstimmung mit den Handelspreisen des Leimes; es bleibt aber auch hier die Frage offen, ob sie in gleicher Weise mit der Bindekraft, welche den thatsächlichen Werth des Leimes bedingt, Zusammentreffen. Soweit die Erfahrungen reichen, scheint dies nicht immer der Fall zu sein. Nur der mit Leimungsproben angestellte Versuch, den man den in der Praxis vorkommenden Verhältnissen möglichst angepasst hat, vermag über die Bindekraft zuverlässigen Aufschluss zu geben, wiewohl der Ausführung derartiger Versuche mancherlei Mängel anhaften. Dieses naheliegende Verfahren, Holzstücke zusammen zuleimen und dieselben nach dem Trocknen durch Belastung oder Zug wieder auseinander zu reissen, wobei man die hierfür anzu wendende Kraft durch entsprechende Gewichte misst, wird in verschiedenen Formen zur Ausführung gebracht. In dem Fach blatt »Der Holzarbeiter« findet sich der Vorschlag, zur Leimungs probe zwei verschiedene Hölzer zu verwenden, ein weiches und ein hartes, um den Unterschied bei beiden kennen zu lernen. Die Hölzer müssen vollkommen trocken sein. Man fertigt daraus Stäbe von y 2 mLänge und 5 cm Stärke bei quadratischem Querschnitt. Mittelseinerfeinen Säge werden dieStäbein ihrer Mitte durchschnitten und nun mit ihren durchsägten Hirnflächen wieder zusammengeleimt. Der zu prüfende Leim erhält seine Vorbereitung, indem man 250 g desselben sechs Stunden lang in 11/2 1 Wasser einweicht und sodann auf dem Leimkochapparat auflöst. Um den Versuch möglichst der Praxis anzupassen und sich zu vergewissern, welche Bindekraft der Leim nach längere Zeit fortgesetztem Erwärmen besitzt, wird die Auflösung so lange eingedampft, bis sie ein Gewicht von nur noch 900 g besitzt. Die Belastung der Probe hölzer erfolgt nach drei Tagen Trocknens; sie werden an ihren beiden Enden frei aufgelegt und in der Mitte durch Gewichte beschwert, indem je 5 kg eine Minute lang zur Wirkung gebracht werden, bis der Bruch erfolgt. Guter Leim soll bei dieser Probe mindestens ein Gewicht von 75 kg (Durchschnittsprobe beider Hölzer) aushalten. Das mechanische Institut von G. Falter & Sohn in München, Kreuzstrasse 33, hat zur Prüfung des Leimes auf Bindekraft einen besondern Apparat gebaut. Die aufeinander zu leimenden Hölzer, am besten aus Rothbuche, werden in Gestalt viereckiger Klötzchen von genau 3 cm Breite, 4 cm Länge und etwa 11/2 cm Dicke vorbereitet. Die Probeklötzchen werden mit dem zu prüfenden Leim von bestimmter Konzentration mit ihren breiten Flächen so aufeinander geleimt, dass die beiderseitigen Längskanten sich je auf eine Strecke von 3 cm decken, die geleimten Flächen demnach 9 qcm gross sind. Nach dreitägigem Trocknen in einer Schraubzwinge werden die Proben in dem Apparat geprüft. Dieser besteht im wesentlichen aus einem Rahmen, in welchen eins der zusammengeleimten Holzstücke eingespannt wird, während das andere frei hervorschaut; und ferner aus einem, um einen Zapfen sich drehenden zweiarmigen Hebel, dessen einer, kurzer Hebelarm von unten gegen das aus dem Rahmen hervortretende Klötzchen drückt und dasselbe durch Zerreissen der Leimung von seiner Unterlage loszusprengen sucht. Durch allmälige Belastung des langen Hebelarmes mittels Laufgewichts wird nun die Kraft gemessen, welche zur Erreichung dieses Zieles aufzuwenden ist. Aus einer besondern, für die Benutzung des Apparates entworfenen Tabelle kann man die Zahlen entnehmen, welche zum unmittel baren Vergleich der Bindekraft verschiedener Leimsorten dienen. So wurden als mittlere Werthe aus mehreren Versuchen gefunden die Bindekraft von: I. hellem, reinem Kölner Leim zu 245; II. hellem Faponleim zu 220; III. Knochenleim zu 110. Die geprüften Sorten führen die Handelsbezeichnungen. Die Ergebnisse entsprechen vollkommen der Güte des jeweils geprüften Leimes, der in pul- verisirter Form vorlag. Während die mit I bezeichnete Probe auch nach längerer Aufbewahrung in feuchter Luft sich anscheinend unverändert erhielt, wurden unter denselben Bedingungen II und mehr noch III allmälig klebrig und zeigten durch stinkenden Geruch den Beginn der Fäulniss an. Um Leimlösungen herzustellen, welche sämmtlich gleiche Bindekraft besitzen, beispielsweise wie II (220 kg), sind von I nur 220/245 gleich etwa 9/10 Theile des Leims erforderlich, von III dagegen 220/110 Theile, also etwa das Doppelte. Man kann nun sagen, dass sich umgekehrt der Geldwerth dieser Leimsorten verhält; kostet z. B. die Sorte II 55 M., so ist I 1/9 X 55 gleich 61 M., und die Sorte III nur die Hälfte, also 27 M. 50 Pf. werth. Durch Versuche konnte auch festgestellt werden, dass die Auflösung von Leim bei längere Zeit fortgesetztem Erhitzen an Bindekraft einbüsst. Der mit I bezeichnete Kölner Leim, welcher in frischer, zehnprozentiger Lösung die Bindekraft 245 besass, zeigte nach fünfstündiger Erwärmung auf 100° C nach Ersetzung des dabei erlittenen Wasserverlustes nur noch die Bindekraft 150 und nach sechs Stunden nur 100. Auch andere Leimsorten liessen bei fortgesetztem Erhitzen in allen Fällen bedeutende Abnahme der Bindekraft erkennen. Die Veränderung, welche der Leim durch die Wärme erlitten hatte, kündigte sich übrigens noch da durch an, dass die Auflösung bei längerer Erwärmung immer dünnflüssiger wurde; bei ganz geringen Sorten liess sich sogar beobachten, dass der Leim in der angewandten Verdünnung die Fähigkeit verloren hatte, beim Erkalten zu gelatiniren. In offenbarem Widerspruch damit steht die in der Praxis der Schreiner ziemlich allgemein übliche Methode, den Leim zwecks seiner Vorbereitung als Bindemittel erst längere Zeit zu »kochen«, wodurch er an Güte gewinnen soll, während das Gegentheil hier von zutrifft, wie man auch in der Leimfabrikation jede überflüssige Einwirkung von Wärme auf den Leim zu vermeiden strebt. Der Leim bedarf zu seiner Auflösung nicht einmal der Wärme des siedenden Wassers, es genügt vollkommen, wenn man ihn, nach dem er in Wasser eingeweicht ist, bei einer Temperatur von etwa 70° C. schmilzt.