Volltext Seite (XML)
Nr. 4. PAPIER-ZEITUNG. 105 der grössten Exlibris, das überhaupt existirt. Es zeigt eine antik- gekleidete weibliche Figur mit fliegendem Haar, welche die Wappen der Scheurl und Tücher (Christoph Scheurl’s Mutter war eine Tücher) hält, unter Weinranken. Oben, unten und zu den Seiten des Holzschnittes stehen in Typendruck lateinische Bibel sprüche. Dieses gewaltige Blatt rührt unverkennbar von Dürer her. In die Bände in gewöhnlichem Folioformat wurde das unter Fig. 4 (Nr. 3) wiedergegebene Zeichen, Christoph Scheurl vor dem Kruzifix knieend, eingeklebt, das mit den auf unserer Abbildung fehlenden Sprüchen 29 cm hoch und 19 cm breit ist. In Kleinfolio bände kam ein etwas kleineres Zeichen, auf welchem eine Frau in der Tracht der Zeit die Wappen der Scheurl und Tücher hält. Für Quartbände ward vorzugsweise ein Zeichen gebraucht, Fig. 7. Bibliothekzeichen von Julius Geuder zum Heroldsberg, radirt von Jost Amman. das des figürlichen Schmuckes entbehrte und nur das vermehrte Scheurl’sche Wappen in einem Lorbeerkranze, mit lateinischen Sprüchen aussen herum, aufweist. Es ist 18 cm hoch, 14 cm breit. In die Oktavbände dieser Bibliothek endlich kam ein noch kleineres Blättchen — das fünfte Bibliothekzeichen Scheurls —, das ähnlich dem vorhergehenden das Wappen und einen lateinischen Spruch darüber enthält und nur etwa 9,5 cm hoch ist. Besondern Reiz haben diese Scheurl’schen und andere in Holzschnitt ausgeführte Zeichen der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts dadurch, dass sie kolorirt, und zwar häufig sorgfältig ausgemalt sind, eine Sitte, die bei den in Kupferstich ausgeführten Exlibris bald in Vergessenheit gerieth. III. Bald nach dem Beginn des 17. Jahrhunderts wurde bei der Herstellung von Bibliothekzeichen die Radirkunst durch die eigentliche Kupferstechkunst vollständig abgelöst, d. h. die Platten für dieselben wurden nicht mehr mit der Nadel auf Aetzgrund, sondern mit dem Grabstichel direkt ausgeführt. Mit den graziösen Blättchen war es nun vorbei, ebenso mit den hübsch stilisirten ornamentalen Umrahmungen, an deren Stelle vielfach Allegorieen, theilweise ziemlich schwülstiger Art, traten oder doch den Löwenantheil des Raumes beanspruchten. Einfachere und daher ansprechendere Bibliothekzeichen stachen die Nürnberger Heinrich Ulrich, J. Pfann, Hans Troschel u. A., dann fertigten u. A. auch Aegidius Sadeler, die Augsburger Kiliane, Dominik Custodis usw. Exlibris, aber auch der berühmte Westfälische Goldschmied Anton Eisenhoit, der vor etwa zehn Jahren gewisser- maassen neu entdeckt wurde, stellte seine Meisterschaft als Graveur für Bibliothekzeichen zur Verfügung und führte 1603 ein solches für seinen Landesherrn, den Bischof Dietrich von Pader born, aus. Es enthält in der Mitte dessen Wappen, umgeben von den sitzenden Gestalten der vier Kirchenväter, dahinter Architektur, deren Felder mit Bibelsprüchen ausgefüllt sind. Im vorhergehenden Artikel war darauf hingewiesen, dass einzelne Bibliothekbesitzer sich eine Reihe von Zeichen anfertigen liessen. Es kam aber auch vor, dass manche Bibliotheken beinahe absichtslos zu verschiedenen Zeichen kamen. Das 1618 gefertigte Bibliothekzeichen der heutigen Hof- und Staatsbibliothek zu München wurde von dieser grossartigen Anstalt in solcher Zahl gebraucht, dass die Platten durch den Druck bald abgenutzt waren und daher frisch aufgestochen oder vollständig kopirt werden mussten, wobei sich dann alle möglichen kleinen Veränderungen und somit eine grosse Reihe von Verschiedenheiten der Abdrücke ergaben. Ja, unter 37 Exemplaren eines Exlibris des 18. Jahr hunderts, die alle von ein und derselben Platte abgezogen worden waren, fänden sich nicht weniger als 26 Varianten. Und es ist garnicht unmöglich, dass deren noch mehr entstanden. Auch die Ereignisse der Weltgeschichte treten uns auf einzelnen Bibliothekzeichen vor Augen. So wurden die Bücher der Heidel berger Bibliothek, die nach der Einnahme Heidelbergs durch Tilly 1622 von Herzog Maximilian von Bayern dem Papste Gregor XV. geschenkt wurde, damit dieser sein Verlangen nach der Kurwürde unterstütze, bei ihrer Umpackung in München mit einem Bibliothek zeichen versehen. Dieses Zeichen war vom Kupferstecher Sadeler in 4300 grössern und 4500 kleinern Exemplaren gefertigt, für deren Herstellung Sadeler 300 Gulden erhielt. Das Zeichen bestand aus dem pfalzbayerischen Wappen, über welches zwei Engel den heissersehnten Kurhut hielten. Die darüber stehende lateinische Inschrift lautet in deutscher Sprache: »Ich bin aus der Bibliothek, welche nach der Einnahme von Heidelberg zur Beute machte und dem Papste Gregor XV. als Siegestrophäe sandte Maximilian Herzog von Ober- und Niederbayern und des hl. Rem. Reichs- Erzkanzler und Kurfürst im Jahre Christi 1623.« Eine traurige Zeit, in der es ein deutscher Reichsfürst über sich vermochte, der deutschen Nation, speziell seinen Vettern, einen von diesen im Laufe von Jahrhunderten zusammengebrachten äusserst kostbaren Schatz zu entziehen und dies noch obendrein durch die Anbringung einer Inschrift zu verewigen! Etwas jünger ist ein anderes historisches Bibliothekzeichen, nämlich das des Jesuitenkollegs zu Würzburg, das lediglich aus mit Typen gedrucktem Text besteht. Derselbe lautet in deutscher Uebersetzung etwa: »Franz von Gottes Gnaden, Bischof von Bamberg und Würzburg und Herzog von Franken, schenkte dieses Buch nebst ohngefähr 4000 andern, von den Schweden geraubten, von den kaiserlichen Soldaten denselben wieder entrissenen und mit dem Gelde Sr. Durchlaucht zurückerkauften Büchern, in hoch herziger Güte der Bibliothek des Jesuiten-Kollegiums zu Würz burg, als deren wirklicher Wiederbegründer. Gott lohne es ihm ewig.« Zur Erklärung sei gesagt, dass die Schweden 1631 Würzburg eingenommen hatten und Gustav Adolf die Bücher der Universität und des Jesuitenkollegiums für seine Universität Upsala bestimmte. Nach der für die Schweden ungünstigen Schlacht bei Nördlingen konnte der Bruder des Würzburger Bischofs, General Melchior v. Hatzfeldt, den Schweden einen Theil der Bücher wieder ab nehmen, den der Bischof käuflich an sich brachte und, wie das Zeichen besagt,- dem Jesuitenkollegium schenkte. Der dreissigjährige Krieg, in dessen Zeit die beiden vor stehend beschriebenen Bibliothekzeichen fallen, brachte Deutsch land an den Rand des Abgrundes und hatte einen allgemeinen Rückgang im Gewerbe, Kunst und Wissenschaft im Gefolge, so dass unser Jahrhundert noch damit zu thun hatte, die Schäden, die aus jener Zeit herrühren, zu heilen. Diese Rückwärtsbewegung spiegelt sich auch in den Bücherzeichen wieder, an deren Gebrauch zwar festgehalten wurde, deren Qualität aber immer mehr zu wünschen übrig liess. Es ist vielleicht hier angebracht, des Textes zu gedenken, den die Bibliothekzeichen neben dem Namen des Eigenthümers enthalten. Derselbe ist bei den ältern Zeichen, zu deren Zeiten es die Gelehrten für eine Schande hielten, die Muttersprache zu gebrauchen, beinahe ausschliesslich in lateinischer Sprache verfasst. Erst im 18. Jahrhundert, als Friedrich des Grossen Siege das deutsche Nationalgefühl weckten und stärkten, kam die deutsche Sprache auch bei den Bibliothekzeichen zu ihrem Rechte. Ich lasse nachstehend aus einer Zusammenstellung des Grafen R. E. v. Leiningen-Westerburg eine Reihe von Aufschriften von Bibliothekzeichen folgen, denen noch der Name des Besitzers