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3004 PAPIER-ZEITUNG. No. 96. Unfallverhütungspflichtdes Gewerbe-Unternehmers. Von Dr. jur. W. Brandis, Berlin. Nachdruck verb. Das Haftpflichtgesetz spielt auch nach dem Inkrafttreten des Unfall-Versicherungsgesetzes am 1. Oktober 1885 noch immer seine Rolle. Scheiden wir den Fall einer vorsätzlichen Herbei führung des Unfalls durch den Betriebs-Unternehmer aus, so sind es nicht mehr die eigenen Leute, die klagend gegen ihren Arbeitgeber auftreten, sondern entweder fremde Personen, z. B. Angehörige der Arbeiter, Boten, die bei vorübergehendem Auf enthalt in der Betriebsstätte einen Unfall erlitten, oder die Kranken kassen und die Berufsgenossenschaft, welcher der verunglückte eigene Arbeiter angehört, und die Ersatz ihrer Auslagen von dem Arbeitgeber fordern. Voraussetzung für die Haftpflicht ist aber, dass der Arbeitgeber strafgerichtlich verurtheilt ist, weil er den Unfall »durch Fahrlässigkeit mit Ausserachtlassung derjenigen Aufmerksamkeit, zu der er vermöge seines Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet ist, herbeigeführt habe«. (§§ 95—97 des U nfall -V ersieh erungsgesetzes). Den Umfang der Berufspflicht bestimmt im allgemeinen die Reichs-Gewerbeordnung, im Einzelnen treten für die verschiedenen Gewerbe die ergänzenden Vorschriften des Bundesraths und der Berufsgenossenschaften hinzu. Bei der letzten umfassenden Ab änderung der Gewerbe-Ordnung, dem sogenannten Arbeiterschutz gesetz, hat die allgemeine Verpflichtung eine bemerkenswerthe Erweiterung erfahren. Während nach dem bisherigen § 120 die Gewerbe-Unternehmer nur verpflichtet waren, »alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, die mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebes und der Betriebsstätte zu thunlichster Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit nothwendig sind«, verlangt der neue § 120a auch, dass der Betrieb, dem erwähnten Zwecke entsprechend, »soweit, wie es die Natur des Betriebes gestattet«, geregelt und »die jenigen Vorschriften über die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeiter erlassen werden, welche zur Sicherung eines gefahrlosen Betriebes erforderlich sind. Die genauere und erweiterte Fassung der betreffenden Besti mmung hat ihre Ursache in der Unsicherheit der Rechtsprechung und deren schliesslichem Festhalten an dem Wortlaut des Gesetzes, das den Gewerbe-Unternehmer nur verpflichtete, die erforder lichen »Einrichtungen« herzustellen und zu unterhalten. Man wollte den Gerichten eine freiere, weitgreifendere Handhabe geben; die Gerichte werden sie zweifellos gebrauchen. Es werden fortan nur seltene Ausnahmen sein, wo man einem Betriebs-Unternehmer nicht den dringenden Rath geben müsste, sich bei der Ent scheidung der Organe seiner Berufsgenossenschaft mehr noch als bisher zu beruhigen und vom Prozesswege Abstand zu nehmen. Es scheint, als ob das neue Gesetz seine Schatten nicht nur vorwärts, sondern auch rückwärts wirft, indem das Reichsgericht auch bei einem ältern Unfälle die strengere Haftpflicht des neuen Gesetzes angenommen hat. Ich meine das Urtheil vom 20. Januar 1893, in welchem ein Unternehmer, der an verschiedenen Orten Betriebe hatte, als haftbar für die einem seiner Arbeiter zugefügte Körperverletzung erklärt ist, weil sein Aufseher es ordnungs widriger Weise unterlassen hatte, einen Aufpasser bei der gefähr lichen Arbeit (Loshacken einer steilen Erd wand) anzustellen. (Nr. 73, S. 2246.) Nach dem alten Reichs-Haftpflichtgesetz, das auf vorliegenden Rechtsstreit keine Anwendung fand, war ja aller dings der Fabrik-, Steinbruchs- usw. Besitzer für ein Verschulden seiner Betriebsbeamten schadenersatzpflichtig, diese Haftung ist aber bekanntlich durch das Unfall-Versicherungsgesetz weg gefallen; Jeder haftet nur für die Folgen seiner eigenen Handlungen. Voraussetzung für die Haftpflicht des Unternehmers ist jetzt die Nichterfüllung der ihm durch die Gewerbe-Ordnung auferlegten, oben gekennzeichneten Berufspflicht, die seit dem 1. April 1892, dem Tage des Inkrafttretens des Arbeiterschutzgesetzes, die mit- getheilte Erweiterung erfahren hat. Im erwähnten Falle gehört die Aufstellung eines besondern Mannes zur Beobachtung des Erdreichs an der Arbeitsstelle zu den, dem Betriebs-Unternehmer obliegenden »Einrichtungen« und fällt unter die »Regelung, die Ordnung« des Betriebes, auf die der neue § 120 a der Gewerbe-Ordnung seine Arbeiterfürsorge ausdehnt. Die in Nr. 73, S. 2246 mitgetheilten Erkenntnissgründe des Reichsgerichts sind von grundsätzlicher Wichtigkeit. Sie bedeuten: Der Gewerbetreibende macht sich wegen fahrlässiger Körper verletzung strafbar und der Berufegenossenschaft sowie der Krankenkasse wegen ihrer Auslagen ersatzpflichtig, wenn der Unfall durch ein Verschulden seines Aufsehers veranlasst ist, und wenn ihn selbst insofern ein Verschulden trifft, als er eine Person als Aufseher angestellt hat, deren Unfähigkeit zu diesem Posten er bei sorgfältiger Prüfung erkennen musste, oder wenn er die erforderliche Kontrolle des Aufsehers unterlassen hat. Das Reichsgericht äussert, dass es bei den von ihm wieder holt zur Anwendung gebrachten Grundsätzen beharre. Werfen wir einen Blick rückwärts in die bisherige Rechtsprechung des obersten Gerichtshofes, so erscheinen uns als von prinzipieller Bedeutung für die vorliegende Frage folgende zwei Entscheidungen: Ein Obergeselle war in eine Giessgrube gefallen und verklagte die Eisengiesserei auf Schaden-Ersatz, weil sie nicht für gehörige Beleuchtung gesorgt habe. In dem betreffenden Fabrikraume befanden sich 8 Gasbrenner, die, wenn sie sämmtlich gebrannt hätten, zur gehörigen Beleuchtung genügt haben würden. Die Klage ist zurückgewiesen, weil es Sache des Obergesellen, als Leiters der betreffenden Arbeit, gewesen sei, weitere Gasbrenner anzuzünden; wenn die vorhandenen Einrichtungen nicht in gehöriger Weise gebraucht werden, so könne der Unternehmer nur haften, wenn ihn eine Schuld an der Unterlassung treffe. Ebenso ist es einem andern Kläger ergangen, der seinen Anspruch darauf gründete, dass die beklagte Fabrik ein gefährliches Material (ungeglühten Stahl statt ausgeglühten) für ihre Fabrikate ver wendete. Das Reichsgericht sagt in der Begründung kurz und bündig: »Ueber die Auswahl des zu bearbeitenden Materials ent hält das Gesetz keine Bestimmung«. Die diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden richtigen Gedanken finden wir wiederholt ausgesprochen und zusammen gefasst in dem Satze eines neuern Urtheils: »Man kann ohne weiteres zugeben, dass ein Gewerbe-Unter nehmer nicht zur Abwendung jeder Gefahr für seine Arbeiter verpflichtet ist, und dass er sich darauf verlassen darf, dass auch die letzteren die gewöhnliche Vorsicht bei einer ihrer Natur nach gefährlichen Arbeit beobachten, dies zumal dann, wenn er im übrigen diejenige Fürsorge getroffen hat, welche ein vorsichtiger Gewerbetreibender der betreffenden Art anzuwenden pflegt. Andern falls würde ja jeder Gewerbebetrieb, der mit unvermeidlichen Gefahren verbunden ist, unmöglich werden.« J. P. Frenay, Mainz gegründet 1805. [62667 Import. Ledermanufactur. Export Specialität: Grösste Auswahl in allen Sorten für Buchbindereien, Portefeuilles-, Etuis- und Geschäftsbücher-Fabriken. Neuheit: Antiker Ledermarmor in schönster Ausführung auf Schaf-, Bock- und Kalbleder. Pergament in den verschiedensten Qualitäten. Rindleder z. Malen u. zu Lederschnittarbeiten.