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2918 PAPIER-ZEITUNG. Mo. 94. Adansonia. Die meisten Leser werden schon deutsches Papier mit auf fallend langen, festen Fasern, die sich namentlich beimEZerreissen zeigen, gesehen haben, ohne zu wissen, woraus es angefertigt ist. Wenn irgend ein europäisches Papier den langfaserigen japanischen Sorten nahekommt, so ist es dieses, und es dürfte nicht allgemein bekannt sein, dass es aus afrikanischer Adansonia besteht. Der beste langfaserigste Zellstoff liefert kein Papier von solch kräftiger und dabei dickgriffiger Beschaffenheit, an der man es beim Durch reissen sofort erkennt. Der Rohstoff hat jedoch trotz dieser Vor züge keine grosse Bedeutung, weil er sich nur in geringen Mengen beschaffen lässt. Adansonia-Faser ist die Rinde des Boabab (Adansonia digitata L.) oder Affenbrodbaumes, der zwischen den Wende kreisen, hauptsächlich in Westafrika, am Senegal und in Abessynien angetroffen wird. Die nach Deutschland eingeführte Adansonia wird von der Nieuwe Afrikaanschen Handels Vennotschap meist in der portugiesischen Provinz Angola (Westküste Afrika) südlich vom Kongo, besonders am Quanzaflusse gewonnen. Der Boabab gedeiht sowohl in feuchtem, sumpfigem als auch in trockenem Boden, an Flussufern, wie auf Hochebenen. Die Stämme sind nur ausnahmsweise über 6 m hoch, erreichen aber mitunter bedeutenden Umfang, bis zu 8 m Durchmesser. • Die äussere Haut der Rinde hat ihrer grossen Härte wegen keinen Werth und wird weggeworfen. Nach Entfernung der äussern Schicht löst man die Rinde, ungefähr 1/2 m vom obern Ende des Stammes anfangend, bis auf etwa 1 m vom Erdboden, jedoch nicht tiefer als etwa 2 cm, und reisst sie in Streifen von 1—11/2 m Länge ab. Die frisch abgeschälten Rindenstreifen werden etwa 14 Tage an der Sonne getrocknet und sind dann versandt fähig. Der Baum leidet durch diese Behandlung nicht, da sich schon nach 2 Jahren eine neue, etwa 1 cm dicke Schicht der Faser gebildet hat. Man lässt aber den Bäumen 4 Jahre Ruhe, um die Streifen in ursprünglicher Dicke zu erhalten. "Wegen der Festigkeit der Adansonia-Rinde ist die Gewinnung sehr schwer und nicht lohnend und wird deshalb nur von den ärmern Eingeborenen betrieben, obwohl sie Jedem freisteht. Sie kann auch nur in Gegenden mit Nutzen gesammelt werden, wo es direkte Wasserverbindung mit der Küste giebt, weil der dafür erhältliche Preis den Trag- oder Fuhrlohn nicht zulässt. Die Handels-Faktoreien sammeln die Faser in kleinen Mengen, bis genug vorräthig ist. Dann werden Päcke von etwa 200 kg unter Druck daraus hergestellt, mit eisernen Reifen versehen, und gelangen zur Verladung nach Europa. Die durch Sammeln, Trocknen, Transportiren, Einlagern und Pressen entstehenden Kosten sind für einen Artikel von so geringem Geldwerthe äusser Verhältniss hoch. In der Papierfabrikation wird Adansonia zur Herstellung fester Packpapiere verwendet, und ein kleiner Zusatz der Faser verbessert das Papier schon wesent lich. Die Faser wird bei der Fabrikation fast wie bei Manillahanf behandelt. Die Faserstreifen werden wie Taue auf einem kräftigen Lumpenschneider oder mit dem Handbeil in 3—4 cm lange Stücke geschnitten und unter Anwendung von kaustischer Soda (Natron) etwa 10 Stunden gekocht. Nach dem Kochen lassen sich die Faserstückchen mit Fingerdruck auseinander pressen und in der Querrichtung auseinander ziehen, die Faserbündel machen dann den Eindruck aufeinander liegender weitmaschiger Gewebe. Im Holländer und in der Bleiche verhält sich Adansonia wie Manilla, Jute und dergl., lässt sich nur infolge Verschleimung der Wasch- trommeln etwas schwerer waschen, als diese Rohstoffe. Papiere aus Adansonia zeichnen sich durch grosse Festigkeit aus und erhöhen durch Lagern ihre Festigkeit nicht unwesentlich. Zu Schreib- oder Zeichenpapieren eignet sich die Faser nicht, da die ihr anhaftenden Theile der äussern Rinde sich in der Fabrikation durch kleine schwarze Flecken bemerkbar machen, welche bei Packpapieren kaum auffallen, aber bei feinem Sorten sehr stören. Die Zufuhren in Adansonia haben gegen früher abgenommen, und die ankommenden Mengen finden regelmässige feste Abnehmer. Der Preis der Faser hält sich seit längerer Zeit auf etwa 20 M. die 100 kg ab Rotterdam. Carl Langenberg in Leipzig hat den Alleinverkauf. Etwas fürchten und hoffen und sorgen Muss der Mensch für den kommenden Morgen, Dass er die Schwere des Daseins ertrage Und das ermüdende Gleichmaass der Tage, Und mit erfrischendem Windeswehen Kräuselnd bewege das stockende Leben. Schiller. Londoner Papier-Neuheiten. Nachdruck verb. Der Winter kann als Erntezeit der Post angesehen werden, nicht allein schüttet das Weihnachts- und Neujahrsfest einen Gold regen in den Schooss dieser segensreichen Einrichtung, sondern auch die allgemeine Korrespondenz erreicht in dieser Jahreszeit ihren gewaltigsten Umfang. Das Papier ist der unentbehrliche Träger dieses Gedanken-Austausches, und in England wird auf seine Ausstattung fast noch grössere Sorgfalt verwendet, als auf das Material selbst. Der Engländer entwickelt in dieser Beziehung einen Geschmack, den man ihm gewöhnlich nicht zutraut. So sind die stimmungsvollen Winterlandschaften auf den Briefbogen, die sich so zart vom weissen Grunde abheben, dass man garnicht bemerkt, wo die Grenze des Bildchens ist, ganz unübertrefflich, und um den Eindruck recht realistisch zu machen, hat man die Dächer der Häuschen, die Bäume und Sträucher ein wenig mit feinem Diamantstaub überpudert, wie wir es ja auch auf den Glückwunschkarten bereits kennen. Der Herbst wird durch Brief bogen versinnbildlicht, deren Verzierungen die gelben und rothen Farben herbstlichen Laubes zeigen. Der Rand beginnt mit tiefem Braun, das in ein prächtiges Roth übergeht, welches nach dem hellgelben, zum Schreiben bestimmten Spiegel hin heller wird und schliesslich darin verschwimmt. — Aber auch andere Jahres zeiten werden zum Ausdruck gebracht. Die Mondlandschaft auf einem perlgrauen Briefbogen versetzt uns in eine laue Sommer nacht, Luna spiegelt sich in den Fluthen eines stillen, wald umrandeten Sees, und in der Ferne sehen wir die schattenhaften Umrisse eines alten Schlosses. Das Bemerkenswertheste bei diesen Skizzen ist, dass sich die Bildchen nicht grell und scharf von den Bogen abheben, sondern aus diesen scheinbar empor wachsen, da die Farben beider, die prächtig harmoniren, in ein ander überspiegeln. — Den Frühling zaubert uns eine Schaar winziger Amoretten vor Augen, die aus Füllhörnern einen Blüthen- regen über das himmelblaue Papierblatt schütten. Die Blumen ergiessen sich so, dass sie eine Guirlande um den Rand bilden. — Einer seltsamen Prozession begegnen wir auf einem andern Bogen. Eine fette weisse Maus trägt ein Banner mit den Anfangs buchstaben des Namens des Schreibers, ihr folgt eine Anzahl Gespielen, die Schilder mit den andern Buchstaben tragen. Noch viele andere oft drastische Szenen kommen auf dem Briefpapier zur Darstellung, diese alle zu beschreiben, würde aber zu weit führen. — Für einfache Briefbogen sind Dunkelheliotrop, Tiefrosa und Kanariengelb die tonangebenden Farben. Sie sind entweder ganz schlicht, oder weisen nur in einer Ecke den Namenszug des Absenders in Goldschrift auf. Ihr Format ist gewöhnlich quadratisch, und die Umschläge sind länglich und schliessen an der Seite mit einer langen Klappe, die fast bis zum untern Rande reicht. Häufig schlingt sich eine sehr schmale, aus winzigen Blüthen zusammengesetzte Guirlande um den Rand, der alsdann ausgestanzt ist. Die Briefkarten weisen verschiedene Formen auf, von denen die länglichen noch immer die beliebtesten sind. Neuer dings fertigt man jedoch auch sechs- und selbst achteckige Karten an; in jeder Ecke dieser Karten befindet sich dann ein einzelnes Blümchen. Auch die quadratförmigen Briefkarten erfreuen sich noch immer der Gunst des Publikums, auf ihnen erblickt man häufig allerliebste Bildchen oder Skizzen aus dem Thierleben. In den Einladungskarten herrscht grosse Mannig faltigkeit, wenn auch nicht in der Form, so doch in Bezug auf Ausstattung. Da ist z. B. ein Herold, der ins Horn stösst, um zu verkünden, dass Mr. und Mrs. So-und-so sehr erfreut sein würden, Mr., Mrs. oder Miss Dann-und-dann bei sich zu sehen, oder ein Stadt-Ausrufer schwingt seine Glocke und macht bekannt, dass Lady X. am so und so vielten um die und die Zeit »at home« sei, d. h. ihre Empfangsabende beginne. Häufig beziehen sich die Bilder auf Festlichkeiten, so sehen wir hier ein tanzendes Paar vor uns, oder dort zieht eine Schaar rothbefrackter Jäger hinaus auf die Hetzjagd, und Anderes mehr. In Tanzkarten zeigt man bis jetzt noch keine Neuheiten, da die Gesellschafts-Saison in England erst im Frühling beginnt, und der Winter daher wenig Bälle oder Dergleichen bringt. In Menus wird aber Floras ganze Pracht entfaltet, entweder sind die Karten mit zierlichen Sträussen und Ranken verziert, oder ihre Form stellt eine Blume dar, auf deren Blätter die ver schiedenen Gänge angegeben sind. Sehr elegant sieht auch eine Doppelkarte aus, deren Vorderseite ein zierliches Rokokobildchen zeigt, während sie innen die Speisenfolge enthält. Andere sind wieder einfach viereckig und tragen oben nur das Monogramm oder Wappen des Gastgebers. Hin und wieder sieht man bereits in den Schaufenstern Weihnachts- und Neujahrskarten. W.