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2654 PAPIER-ZEITUNG. No. 83. Doppelkassette mit den photographischen Platten eingesteckt werden muss. Auf dieser Glasplatte kommt nun nach Verdunkelung derselben, mittels eines den Kopf des Beobachters und den Kamerabalg ver deckenden Tuches, das vergrösserte Bild zur Erscheinung und wird mit Hilfe einer auf die Glasplatte gestellten Lupe durch Drehen an der Mikrometerschraube des Mikroskopes scharf ein gestellt. Hierauf tauscht man die Glasplatte bei Q R gegen eine in der Dunkelkammer mit bekannten photographischen Trockenplatten versehenen Doppelkassette aus und belichtet durch Herausziehen des Schiebers die erste lichtempfindliche Platte eine auszuprobirende Zeit lang. Ich wechselte in der Belichtungszeit je nach der Licht stärke und der gewählten Vergrösserung von 5 Sekunden bis 5 Minuten. Bei 2 m Entfernung des Mikroskopes von einem grossen hellen Zimmerfenster gegen Nordwest, bei hellbewölktem Maihimmel um 2—4 nachmittags und bei Hohlspiegelbeleuchtung fand ich durch Ausprobiren folgende günstige Belichtungszeiten unter Benutzung eines Zeiss’schen Mikroskopes: für 45facheVergrösserung(Ocular 2, Objektivaa, langeKamera)7Sek. „ 140 „ » ( » 2, » C, kurze » )10„ „ 400 „ » ( » 2, F, lange „ )20 » Diese Belichtungszeiten können aber nur als Anhaltspunkte dienen, da die Verhältnisse der Beleuchtung usw. sehr verschieden sind und beim Photographiren stark mitsprechen. Bei trübem Wetter muss man entsprechend länger belichten; auch verlangen noch stärkere Vergrösserungen längere Belichtungszeiten, da die Lichtstärke mit dem Quadrat der linearen Vergrösserung abnimmt. Mir gelang auch das Photographiren mikroskopischer Bilder unter Anwendung polarisirten Lichtes, also nach Einschaltung der zwei Nicol’schen Prismen über und unter dem Objekt. Man erhält bei entsprechender Einstellung weisse Bilder auf schwarzem Grunde; doch liegt die günstigste Belichtungszeit nach meinen bisherigen Erfahrungen für 45 bis 140fache Vergrösserung zwischen 21/2 und 5 Minuten. Es ist nach meiner Meinung von höchstem Nutzen für den Fabrikanten, wenn er sich Mikrophotographieen der Stoffe besonders gelungener und schwer erstellbarer Papiere beschafft, um an Hand derselben mit Hilfe des Mikroskopes Kontrollen bei Wieder anfertigung gleicher Papiere anstellen zu können. Von grösster Wichtigkeit bleibt die Mikrophotographie für gegenseitigen Erfahrungs - Austausch; man wird in den Stand gesetzt, die besten Arbeitsmethoden durch Wort und Bild zu begründen und zu erklären. Die Mikrophotographie wird uns hierdurch in der Erkenntniss der technologischen Vorgänge bei unsern Fabrikations-Vorgängen wesentlich fördern. Schon heute möchte ich die Behauptung aufstellen, dass eine so starke, überzeugende Gehilfin uns auch in den Stand setzen wird, den Werth oder Unwerth eines Ganzzeugholländers und dessen Handhabung zu beurtheilen. Die brennende Frage »Welcher Ganzzeugholländer ist für diesen oder jenen Zweck der beste« ist dann mit einem Schlage gelöst. Vergegenwärtigen wir uns schliesslich, dass wir gute photo mechanische Verfahren besitzen, die es ermöglichen, mittels der aufgenommenen Platte (dem Negativ) eine Druckplatte mit allen naturtreuen Einzelheiten des mikroskopischen Bildes wieder durch Photographiren und entsprechende Behandlung für den Lichtdruck geeignet herzustellen, so ist die hohe Bedeutung der Mikro photographie für unser Fach genügend erklärt. Es ist mir später vielleicht möglich, den verehrten Lesern einige meiner Aufnahmen in so reproduzirten Bildern in Buch druck vorzuführen. Chemnitz, Oktober 1893. Ernst Kirchner. Tapeten-Trust in Nordamerika. Die National Wall Paper Company, der 26 Fabriken umfassende Tapeten-Trust in den Vereinigten Staaten von Amerika, hat nach der New Yorker Handelszeitung ein Rundschreiben an seine Kunden gesandt, durch welches ein Erlass von 10 pCt. für Bestellungen von 200—600 Rollen und von 20 pCt. für Bestellungen solcher Kunden, welche ausschliesslich bei dem Tapeten-Trust einkaufen, gewährt wird. Der Zweck dieser Maassregel ist angeblich, die Zwischenhändler aus dem Geschäft zu drängen, wahrscheinlich aber soll damit der Beitritt der nicht zum Trust gehörigen Tapeten fabriken erzwungen werden. Pariser Speisenkarten. Ueber Pariser Neuheiten in Briefpapieren, Karten usw. haben wir in Nrn. 54 und 76 der Papier - Zeitung eigene Berichte gebracht. In der Wiener »N. Fr. Pr.« giebt nun eine Pariserin eine Schilderung der Pariser Neuheiten in Menukarten, die wir als Ergänzung zu unsern Darlegungen nachstehend abdrucken: Die Menukarten haben in diesem Jahre eine radikale Wand lung durchgemacht. Nicht mehr einzeln treten sie nun auf, viel mehr zu Gruppen gestellt, die in Wort und Bild allerlei launige Geschichten erzählen. Da giebt es für Fastendiners eine aus sechs Karten bestehende Gruppe, betitelt: »Eine Angelpartie«. »Er« und »Sie« sitzen am Ufer züchtig nebeneinander — also beginnt arglos die Geschichte. Auf Karte Nr. 2 findet eine ehrbare An näherung statt, mit jedem Blatte wird »Er« unternehmender, »Sie« sträubt sich, bis endlich auf Nr. 6 beide Theile im Wasser liegen. Sehr lustig ist auch ein Rendezvous in Bildern, das durch den indiskreten Hinzutritt einer Kuh gestört wird; für Familiendiners berechnet erscheint eine Kahnpartie, bei der eine junge Dame ins Wasser fällt und gerettet wird. Die Sache endet moralisch mit einer Heirath! Für ernstere Kreise weniger empfehlenswerth ist ein verliebtes Paar, das vom Feldhüter energisch an bürger liche Anstandspflichten erinnert wird, ferner allerlei Jagdabenteuer, in lustigen Skizzen erzählt, die schon jetzt bei den Diners der Nimrode Sensation machen. Sehr amüsant sind Menus, mit Gruppen angeheiterter Herren verziert, die, in verschiedenen Lagen taumelnd, über die elfenbeinweisse Fläche gleiten. Allerliebst sind bunt aus geführte Menus, weibliche Equilibristen darstellend, die auf und um Champagnerflaschen allerlei Turnerstückchen vollführen. Höchst galant war der Erfinder jener Menus, die uns Bäume im Frühlings schmuck zeigen, auf denen statt der Blüthen blonde und braune Frauenköpfchen zu sehen sind. Von pädagogischem Werthe sind Menus, die uns demonstriren, »wie man sich niedersetzt«. Da finden wir den Studenten, der seinen Stuhl als Reitpferd benutzt, die Dame im Boudoir, auf eine Causeuse träumerisch hingegossen, die Bäuerin, die auf dem Heu wohlverdiente Rast gesucht, den Geck im Kaffeehause, der mit seinen Beinen den Tisch umklam mert, endlich das Bildchen einer Frau im Schlafrock, die, zu sammengekauert, das Haupt in den Händen verborgen, am Kamin sitzt und auf den verspäteten Eheherrn wartet. Dies Bildchen hat einen fast tragisch zu nennenden Anstrich! Eine beliebte Dekoration für Menus werden ferner » Russische Schönheiten« sein, in farbenprächtigen Nationalkostümen, mit unergründlich tiefen Augen, dann pikante russische Damenköpfe aus der Gesellschaft, wie sie seit Jahren in allen Boulevardsstücken daheim sind. An Menus, mit russischen Kriegsschiffen verziert, wird Hals über Kopf gearbeitet, und mehr als eine Gansleberpastete wird in kommenden Tagen auf Menus in den französisch-russischen Farben zu finden sein. Die letzte der Neuheiten aber sind versiegelte Menus. Jeder Gast findet an seinem Platze einen verschlossenen Umschlag mit seinem Namen. Nachdem er denselben erbrochen, blinkt ihm viel versprechend ein blumenverziertes Menu entgegen. Man hat sogar die Absicht, solche Menus in Briefform abzufassen, um den Tisch genossen in launiger Form von den bevorstehenden Tafelfreuden zu erzählen. Daraus entstehen dann vielleicht Menus in Versen. Unredlicher Wettbewerb. Das Centrum wird (auf Veranlassung des Abgeordneten Bachem) folgende Bestimmung zur Aufnahme in die Gewerbe ordnung als § 146e vorschlagen: »Wer bei seinem Gewerbebetrieb öffentlich, um den Absatz von Waaren oder gewerblichen Leistungen zu fördern, wider besseres Wissen unwahre Thatsachen vorspiegelt oder wissentlich wahre That- sachen entstellt, insbesondere wer zu diesem Zwecke über den Ursprung und Erwerb seiner oder eines andern Gewerbetreibenden Waaren, über besondere Eigenschaften oder Auszeichnungen dieser Waaren, über die Menge der Waarenvorräthe, über den Anlass zum Ver kauf oder die Preisbemessung auf Täuschung berechnete falsche Angaben macht, wird mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark und im Unver mögensfalle mit Gefängniss bis zu 3 Monaten bestraft.» Mit einer solchen Bestimmung könnten alle Sch windel-Aus verkäufe wegen Brands, Konkurs, Wegzugs, Geschäftsaufgabe, sowie Verkäufe deutscher Waare als französische und englische usw., gefasst werden. Ein Händler dürfte sich auch nicht fälschlich als Fabrikant ausgeben usw. Wenn auch damit noch nicht soviel erreicht würde, wie mit den Bestimmungen des französischen Rechts, so könnte doch mancher Unfug verhindert werden. Allerdings würde durch Denunciationen wohl auch der redliche Handel belästigt werden.